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Aus: documenta, Beilage der jW vom 30.05.2012

Hauptsache Event

Auch in diesem Jahr wird behauptet, auf der Documenta in Kassel werde Kunst zu sehen sein. Die Information scheint wieder einmal stark übertrieben
Von Arnold Schölzel
Auweia – ein chinesischer Künstler so gar nicht auf Linie. (docu
Auweia – ein chinesischer Künstler so gar nicht auf Linie. (documenta 12, 2007)

Vom 9. Juni an wird Kassel für 100 Tage die Documenta 13 beherbergen. Es werden mehr als eine halbe Million Besucher erwartet. Was sie zu sehen bekommen außer vielen Menschen, ist noch kaum bekannt und das soll auch so bleiben: Das Nicht-Erfassen des Gesehenen ist Programm. Die künstlerische Leiterin der als Weltausstellung zeitgenössischer Kunst bezeichneten Exposition, die US-Amerikanerin Carolyn Christov-Bakargiev, faßte ihres jedenfalls so zusammen: »Eines der Hauptkonzepte der Documenta ist, daß ich kein Konzept habe.«

Es versteht sich, daß sinnfreie und begriffslose Ausstellungspläne bei den Kulturbetriebsnudeln aller Medien Begeisterung auslösen. Das Echo auf solche Ankündigungen ist also freundlichen und der Hauptmedienpartner der Documenta 13, das 3Sat-Magazin »Kulturzeit«, wird für die Dauer der Ausstellung jeden Montag »über Events, Aktionen und über die Künstler« berichten. Titel der Sendung: »Da-Da-Documenta«.

Man veranstaltet also gehobenen, d. h. hoch dotierten Unfug, und drückt das auf seine Weise auch aus. Die Kuratorin ließ ganz in diesem Sinn z. B. von der Grafikdesignagentur in Mailand »Leftloft« unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel ein neues Logokonzept entwickeln, dessen Pfiff darin besteht, kein Logo zu sein: »Der Name wird am Anfang mit einem kleinen d geschrieben, die folgenden Buchstaben sind Großbuchstaben, gefolgt von der in Klammern gesetzten 13« - dOCUMENTA (13). Die Kuratorin »erklärt«: »Die normalen Schreibregeln umzudrehen, indem man das restliche Wort in Großbuchstaben schreibt, erfordert aktives Engagement, Aufmerksamkeit und einen gewissen Mehraufwand an der Tastatur.«

Das läßt auf Aktivierung der Besucher hoffen, wofür auch immer. Überhaupt werden die Region Kassel und deren Einwohner in das Documenta-Geschehen einbezogen. Im Juni-Heft von Titanic schreibt Oliver Maria Schmitt: »Als Hauptsponsor der dOOOOOOCCCC-UMent@13 konnte der Volkswagenkonzern gewonnen werden, der vielen Kunstfreunden durch seine aufregenden seriellen Skulpturen VW Golf, VW Polo und VW Passat ein stehender, wenn nicht sogar rollender Begriff ist. Da Ai Weiwei, der für die letzte documenta XII immerhin zirka 1000 lebende Chinesen anschleppte, inzwischen zu teuer ist, wird irgendein anderer chinesischer Künstler, den die HNA, die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine schon jetzt respektvoll ›ein chinesischer Künstler‹ nennt, dieser Schlitztiger also wird ›in der DoCUmenTa-Halle 360 Gemälde ausstellen, die im Verlauf der Ausstellung nach und nach im Werk Baunatal mit monochromen Farben übermalt werden.‹« Außerdem werden laut Focus online »Höhlenkino und Kuhglockenbeats« geboten.

Warum sich mit des Kaisers neuen Kleidern beschäftigen? Es ist an der Zeit, darauf hinzuweisen, daß Veranstaltungen in der Art der Documenta wenig mit Kunst, dafür viel mit Verbreitung von Ideologie zu tun haben. Deren Motto könnte in diesem Fall lauten: »Freie Kunstmärkte für freie Bürger.« Austausch von Gleichen ist im imperialistischen Zeitalter mehr denn je eine Illusion. In Zeiten von Krise und Krieg muß sie besonders bemüht werden, um Bruchstellen der Gesellschaft zu löten. In der Politik und der von ihr inszenierten Kultur.

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