Den Pöbel in Schach halten
Von Peter WolterBU: Ein Demonstrant protestiert in Bremen gegen die Aufstellung der ersten »Regionalen Sicherungs- und Unterstützungseinheit«
In den USA werden die Schlangen vor den Suppenküchen immer länger, Südeuropa bricht wirtschaftlich zusammen, in vielen Ländern ist jeder zweite Jugendliche ohne Arbeit. Noch schlimmer geht es in zahlreichen Entwicklungsländern zu, vor allem in Afrika: Hunderttausende sind vom Hungertod bedroht, jede Woche versuchen ungezählte Afrikaner, sich in das wie eine Festung gesicherte Europa zu retten. Tausende ertrinken im Mittelmeer, wenn sie nicht vorher schon in der Wüste oder in Sammellagern verdursten – weitgehend ignoriert von Medien, Politik und christlichen Gutmenschen.
Je mehr die Weltwirtschaft ins Stottern gerät und je mehr ganze Staaten ökonomisch zerbröseln, desto stärker wird auch der Widerstand der Menschen, die darunter zu leiden haben. In Griechenland hat die sozialistische SYRIZA an Einfluß gewonnen, in Frankreich stellen die »Sozialisten« gar den Staatspräsidenten; selbst sozialdemokratisch ausgerichtete Gewerkschaften gehen in vielen Ländern auf Distanz zur neoliberalen Politik. Ausgehend von Frankreich, Spanien und den USA hat sich auch in anderen Staaten die »Occupy«-Bewegung breitgemacht – meist junge Leute, die gegen die Machenschaften der Banken, Hedgefonds und der von ihnen ausgehaltenen Politiker protestieren.
Nicht der Protest als solcher ist es, der die Sachwalter der Finanzwelt beunruhigt. Sie haben Angst davor, daß der Widerstand weiter um sich greift; sie fürchten, daß sie immer weniger in der Lage sein werden, die Bürgerinnen und Bürger mit Scheinargumenten, Sprachregelungen und platter Propaganda in die Irre zu führen. Selbst Megaereignisse wie die Fußball-Europameisterschaft können die Menschen längerfristig kaum noch davon ablenken, daß sich das Gesundheitssystem verschlechtert, daß Deutschland und die NATO Angriffskriege führen, daß es im Bildungssystem knirscht oder daß ihnen die Altersarmut droht, obwohl sie ihr Leben lang brav in die Rente eingezahlt haben. »Brot und Spiele« hieß das Motto, mit dem die Oberschicht des römischen Reiches das einfache Volk bei der Stange halten wollten – die zeitgenössische Version ist »Hartz IV und Fußball«.
Das Rezept geht aber nicht mehr so richtig auf – allzuvielen Menschen geht es buchstäblich an die Existenz. Daß die Zahl der Flaschensammler in deutschen Innenstädten und die der Tafel-Kunden Jahr für Jahr zunimmt, ist die eine Seite – die andere sind überquellende Bankkonten und Luxuskonsum in der Oberschicht. Und die tut alles dafür, daß es so bleibt: Der protestierende Pöbel muß in Schach gehalten werden.
Die USA, Deutschland und so gut wie alle EU-Staaten sind darauf vorbereitet: Wenn Bildungssystem, Massenmedien und Politikergeschwurbel dabei versagen, die Köpfe der Bürer in Reih und Glied zu bringen, muß man zu anderen Mitteln greifen. Probate Mittel, die sich immer wieder bewährt haben: Polizei, Inlandsgeheimdienste, Verschärfung von Gesetzen, lückenlose Überwachung. Und wenn das nicht hilft, wird geklotzt: Aufmüpfige Bürger werden notfalls mit Waffengewalt wieder auf Linie gebracht.
Auch wenn es martialisch klingt und den Vorwurf der »Verschwörungstheorie« provoziert: Die USA bereiten sich offenkundig auf einen Bürgerkrieg vor, auch die BRD stellt sich auf den Einsatz der Bundeswehr im Inland ein. Weitere Themen dieser Beilage sind die »Vorratsdatenspeicherung« und der »Warnschußarrest«, der in Deutschland wie in der Türkei praktizierte Justizterror gegen Kurden, die Rolle der Salafisten in der BRD. Es folgt eine Warnung an linke Organisationen, sich durch »Spitzelgerüchte« in die Irre führen zu lassen und abschließend ein Blick in das Manipulationsarsenal von »Neusprech« und »political correctness«.
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