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Aus: nord/süd, Beilage der jW vom 23.10.2013

Verratene Revolutionen

Gefeierte Siege gab es für Afrikas Völker in den vergangenen 50 Jahren reichlich. Doch die lange umkämpfte Freiheit ist nur eine neue Ausbeutungsform, der erträumte Wohlstand unerreicht
Von Christian Selz
Es war einmal: Nelson Mandela mit seiner damaligen Frau Winnie M
Es war einmal: Nelson Mandela mit seiner damaligen Frau Winnie Madikizela-Mandela nach seiner Freilassung aus 27jähriger politischer Haft am 11. Februar 1990 vor dem Victor-Verster-Gefängnis bei Kapstadt

Es ist nur ein weiteres Detail, der bittere Digestif zum blutigsten und entsetzlichsten Massaker in Post-Apartheid-Südafrika: Als Polizisten am 16. August 2012 am Rande der Marikana-Mine des Bergbaukonzerns Lonmin aus halbautomatischen Gewehren das Feuer auf eine Versammlung streikender Kumpel eröffneten, waren die Leichenwagen längst bestellt. Schon in den Morgenstunden, das wurde am Montag vergangener Woche vor der zuständigen Ermittlungskommission bekannt, hatten zwei Polizeiführer die Fahrzeuge bei einem nahegelegenen Bestattungsinstitut angefordert – zeitnah zur Bestellung eines großen Vorrats scharfer Munition. Stunden später waren 34 Bergarbeiter tot, von Kugeln durchsiebt oder aus nächster Nähe hingerichtet.

Für die noch immer in ärmlichsten Verhältnissen lebenden Kumpel Südafrikas war spätestens dieser Tag das brutale, aber nicht mehr übersehbare Ende einer Revolution, die sie seit den 80er-Jahren mit ihrer damals noch kämpferischen Nationalen Bergarbeitergewerkschaft (NUM) gegen das ausbeuterische, rassistische Apartheidsregime erkämpft hatten. Ihre zu Komplizen der Bergbaukonzerne mutierten Anführer hatten sie gefressen. Der Tod der Arbeiter war kalkuliert. Die Freiheit der Überlebenden, die 1994 mit der Wahl Nelson Mandelas zum ersten schwarzen und zum ersten demokratischen Präsidenten Südafrikas erreicht schien, besteht darin, einem neuen Regime zu dienen. Nutznießer bleibt das Großkapital.

Die internationale Bestürzung über »Marikana«, wie die Zäsur in der südafrikanischen Geschichte seitdem nach der Mine und dem gleichnamigen Bergbaustädtchen genannt wird, ist auch deshalb so groß ausgefallen, weil das Fernsehen live dabei war. Die Kumpel fielen in Echtzeit. Die Bilder waren ähnlich schockierend wie die der Schulkinder von Soweto, die die uniformierten Apartheidschergen 1976 zu Hunderten in Soweto ermordet hatten.

Doch auch wenn der Verrat der Revolutionen auf dem afrikanischen Kontinent nicht überall so mediengerecht blutig illustriert daherkommt wie in Marikana – allein sind die Südafrikaner mit ihrem Schicksal nicht. Die Wellen der Aufbruchstimmung, die seit dem Zerfall der Kolonialreiche in den 60er Jahren bis zum Ende der Apartheid 1994 durch die Länder südlich der Sahara liefen, sind ebenso abgeebbt wie die jüngsten Freiheitshoffnungen in Ägypten.

Selbst da, wo revolutionäre Bewegungen im Feld gegen Besatzer und Kolo­nialherren siegten, wie in Mosambik oder Namibia, hat sich der neoliberale Scheinpragmatismus inzwischen durchgesetzt. Das neue Heiligtum heißt Wirtschaftswachstum, die modernen Gottheiten sind ausländische Investoren. Die sozialistische Rhetorik der Befreiungsbewegungen dient satt gewordenen Regierungen höchstens noch als schmückendes Beiwerk. Sie ist nützlich, um die Befreiungskampfnostalgik der Wählerbasis zu bedienen. In der Realität der neuen Allianz aus politisch bestens vernetzten, schwarzen Neokapitalisten und alten Ausbeutern bleibt der Bevölkerung dagegen nur noch der Rang des Opferlamms. Mosambikanische Kleinbauern, denen zugunsten großangelegter Agrarprogramme der Verlust von Familienacker und Ernährungssouveränität droht, geht es da kaum anders als namibischen Jugendlichen, denen die Freiheit weder Bildung noch Arbeit brachte – von Wohlstand ganz zu schweigen. Die Führer, auf die sie gesetzt und für die sie gekämpft haben, sind entweder käuflich oder – wie Patrice Lumumba – tot. Ihr Kampf für Freiheit und ein besseres Leben – wie es Südafrikas ANC seit 1994 im Wahlkampf verspricht – steht wieder am Anfang.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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