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Aus: Literatur, Beilage der jW vom 11.06.2014

Kultur des Widerstands

Die griechische Literatur trotzt der Krise
Von Thomas Wagner
Bild 1

Die Bilderstrecke dieser Beilage zeigt Fotos aus dem Athener Stadtviertel Exarchia, einem Zentrum des Widerstands gegen Staat, Kapital und Neofaschismus. Als der 15 Jahre alte Alexandros-Andreas Grigoropoulos hier am 6. Dezember 2008 von Polizisten erschossen wurde, löste das eine breite Solidaritäts- und Protestbewegung aus.

Wie ist es um die griechische Gegenwartsliteratur bestellt? Schenkt man den diesjährigen Verlagsprogrammen Glauben, denkbar schlecht. Übersetzerinnen und Übersetzer, die ich am Rande des von der jW-Ladengalerie gemeinsam mit exantas Berlin e.V. am 5. Dezember 2013 veranstalteten Abends der griechischen Literatur befragte, wußten von keinem einzigen Werk schöner Literatur, dessen Veröffentlichung in deutscher Sprache in letzter Zeit vorgesehen war. Immer weniger Autoren können vom Schreiben leben. Die meisten müssen sich nach anderen Einkommensquellen umsehen.

Zur gleichen Zeit entsteht in den Städten und auf dem Land so etwas wie eine neue Kultur des Widerstands. »In den letzten Jahren haben sich immer mehr Leute an den Arbeitsplätzen und in den Wohngegenden organisiert, um gegen die harschen Maßnahmen des Staates und die Verelendung des Lebens zu kämpfen«, schreibt der 1979 geborene Dichter Jazra Khaleed in einem Essay für die erste Ausgabe des Berliner Kulturmagazins Abwärts: »In ganz Griechenland werden Netzwerke aufgebaut, in denen die Kulturen inoffizieller gegenseitiger Unterstützung effektiv systematisiert werden. Manche beginnen damit, daß Nachbarn sich zusammentun, um denen zu helfen, die sich in größerer Not befinden. Andere bauen mit Kleinbauern ›Solidaritätsküchen‹ auf; Ärzte und Krankenpfleger reagieren auf die Krise des Gesundheitssystems mit der Gründung medizinischer Sozialzentren; andere Gruppen zetteln Aktionen gegen das Abschalten der Stromversorgung an oder kümmern sich um Rechtsbeistand vor Gericht; Gegeninformationsgruppen wurden als Antwort auf die Propaganda in den Mainstream-Medien formiert.«

Während die griechische Regierung aufgrund des Drucks der EU ankündigt, die erst 1997 eingeführte und für die Existenz vieler Verlage unverzichtbare Buchpreisbindung mit einem Gesetz wieder aufzuweichen, haben sich in Athens »Anarchistenviertel« Exarchia Zeitschriften wie Teflon und Verlage wie Topovoros von den Vertriebswegen des etablierten Kulturbetriebs längst abgekoppelt. Davon ist in den Mainstreammedien ebensowenig zu hören wie von dem erfolgreichen täglichen Kampf gegen die Banden der Goldenen Morgendämmerung, der von antifaschistischen Gruppen organisiert wird. »Diese Aktionen und Mobilisierungen formieren eine sichtbare und faßbare Basis für ­eine grundlegendes antikapitalistisches Ringen gegen den Staat und die herrschende Klasse«, so Khaleed. Die Hintergründe der rechten Szene recherchiert hat Dimitris Psarras in seinem Buch »Neofaschismus in Griechenland«, das im Schwerpunkt dieser Literaturbeilage ebenso rezensiert wird wie Petros Markaris Krimi »Abrechnung«, Landolf Scherzers Reisereportagen »Stürzt die Götter vom Olymp« und Christoph U. Schminck-Gustavus Buch »Feuerrauch« über die Vernichtung des griechischen Dorfes Lyngiádes durch die deutsche Wehrmacht. Außerdem erwartet die Leser: ein Gespräch mit dem Schriftsteller Vassilis Alexakis.

Außerhalb des Beilagenschwerpunkts berichtet die Kriminalschriftstellerin Dominique Manotti über ihren Roman »Ausbruch« und das Elend der französischen Linken. Besprochen werden Stuart Christies sonderbare Geschichte eines verhinderten Franco-Attentäters und Luc Boltanskis Buch »Rätsel und Komplotte«.

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