Einfach anfangen
Von Jana FrielinghausEs ist wohl Theodor W. Adornos bekanntester Satz: »Es gibt kein richtiges Leben im falschen.« Immer wieder glauben gerade linksliberale Bürgerliche, sich eine moralisch einwandfreie Nische schaffen und sich anschließend nicht mehr mit den Zwängen, unter denen die Mehrheit lebt, auseinandersetzen zu müssen. Für die Gründer der ab 1973 aufgebauten Kooperative Longo maï in der Provence aber war das partielle Abkoppeln von der kapitalistischen Verwertungslogik durch Selbstversorgung in harter Arbeit eben kein Rückzug in die unbefleckte Idylle, sondern ein Anfangen und Vorangehen im Sinne von Gesellschaftsveränderung. Bis heute mischen sie und ihre fast 250 Mitstreiter auf mittlerweile zehn Höfen in Frankreich, der Schweiz, Deutschland, der Ukraine und auf Costa Rica sich in politische Debatten ein. Sie streiten zum Beispiel öffentlich für die Rechte der »Sans Papiers« oder gegen die Privatisierung natürlicher Ressourcen. Und ihr immer wieder totgesagtes Modell einer Landwirtschaft, die in direkter Kooperation von Bauern und Konsumenten betrieben wird, erfreut sich heute einer nie dagewesenen Beliebtheit. Sabine Hunziker hat Hannes Reiser, einen der »Urväter« von Longo maï, für diese Beilage gefragt, warum das Projekt nun schon mehr als 40 Jahre überleben konnte (Seite 8).
Ein Grund könnte sein, daß die Initiative nicht von Akademikern kam, sondern von politisch wachen und aufmüpfigen Lehrlingen. Sie wußten, daß man eine ordentliche Ausbildung braucht, um im neu gewählten Beruf bestehen zu können. Sie gingen auf Dorfbewohner in den Orten zu, in denen sie sich ansiedelten, um von ihnen zu lernen. Ein weiterer Grund ist das bereits angedeutete Finanzierungsmodell: Weil Ökolandbau mit wenig Technik eigentlich niemanden ernähren kann, wurde früh der in Basel ansässige Unterstützerverein »Pro Longo maï« gegründet, dessen Mitglieder nicht nur Produkte der Kooperativen kaufen, sondern zusätzlich dafür spenden, daß sie überleben und Investitionen tätigen können.
Die Erkenntnis, daß der Druck zu expandieren, um angesichts des Preisdumpings von Verarbeitern und Händlern einerseits und der steigenden Kosten für Energie, Kraftstoffe, Technik etc. andererseits wirtschaftlich zu überleben, auf die Dauer nicht nur zu Lasten der in der Landwirtschaft Arbeitenden, sondern auch von Tieren und Umwelt geht, ergreift hierzulande immer mehr Bauern. Etliche von ihnen beteiligen sich an Demonstrationen für eine Agrarwende. Über solche Aktivitäten berichtet Helmut Höge auf Seite 6.
Eines der gewichtigsten Argumente der Bewegung lautet: Jede verhinderte Mastanlage ist auch ein Beitrag gegen die die Armut verschärfenden Fleischexporte. Tatsächlich nimmt dieses Problem bislang unbekannte Ausmaße an. Im aktuellen Kritischen Agrarbericht belegt Francisco J. Mari von Brot für die Welt, daß sich beispielsweise die Geflügelexporte aus Deutschland nach Afrika allein seit 2008 von 5800 auf fast 43000 Tonnen im Jahr 2012 mehr als versiebenfacht haben. Die der EU dorthin wuchsen im gleichen Zeitraum von knapp 200000 auf 464000 Tonnen. Die regionalen Geflügelhalter werden so ihrer Existenz beraubt. Darüber hinaus leiden Fischer und Rinderzüchter unter den Billigimporten, weil Verbraucher angesichts allgemein hoher Lebensmittelpreise eher zu Geflügel als zu Rindfleisch oder Fisch greifen. Da die betroffenen Länder ihre Märkte aufgrund von Abkommen mit der Welthandelsorganisation und mit der EU nur in geringem Umfang mit Importzöllen oder gar -verboten schützen können, käme dem Abbremsen der »heißgelaufenen« Produktion von Geflügel- und Schweinefleisch in Europa eine große Bedeutung dabei zu.
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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