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Aus: Afrika, Beilage der jW vom 03.12.2014

Der Krieg, der nie aufgehört hat

Im Südsudan tobt, wie bereits vor der Unabhängigkeit, ein erbitterter Kampf um die Macht - und die Kontrolle über die Ölfelder
Von Magdi El-Gizouli
Ständig auf der Flucht und doch kaum ein Vorankommen: Einwohner
Ständig auf der Flucht und doch kaum ein Vorankommen: Einwohner der südsudanesischen Stadt Rank fliehen nach Gefechten zwischen SPLA-Truppen und von der Armee abgespaltenen Milizen im April dieses Jahres in den Sudan

Mitte November stellte die Regierung Südsudans ihren leitenden Angestellten ein Ultimatum. Bis zum 25. Dezember sollen diese nun aus ihren Zimmern in den Hotels der Hauptstadt Juba ausziehen, in denen sie bisher auf Staatskosten gewohnt haben. Einige der Staatsbediensteten waren dort nach den Gewaltausbrüchen, die die Kapitale im vergangenen Dezember erschütterten, aus Sorge um ihre Sicherheit eingezogen. Andere wohnten schon länger in den Hotels, manche sogar bereits seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens (CPA) 2005, das die Unabhängigkeit des Südsudans im Juli 2011 einleitete. Praktischerweise hatten wohlwollende Gönner die Hotelrechnungen während der chronischen Friedensverhandlungen zwischen den beiden Fraktionen der südsudanesischen Regierungspartei »Sudan People's Liberation Movement« (SPLM) übernommen. Bis August dieses Jahres waren das geschätzte 17 Millionen US-Dollar.

Wer nach Juba reist, erkennt schnell die Konturen dieser parasitären Beziehung zwischen der militärisch-politischen Elite Südsudans und dem Staat, den diese Elite für sich beansprucht. Die Stadt trägt die Narben der großen Bisse, die sich die Mächtigen in Form von Luxusresidenzen und Unterhaltungstempeln gegönnt haben. Sie stehen im starken Kontrast zu den minimalistischen Existenzen der sonstigen Einwohner, der Bevölkerung, die unter der Bedrohung der permanenten »Befreiung« lebt. Die einzige Teerstraße, die es in Südsudan außerhalb von Juba trotz eines Bruttoinlandsprodukts von nach Weltbank-Zahlen 13,8 Milliarden US-Dollar gibt, ist der 120 Kilometer lange Abschnitt, der die Hauptstadt mit der Grenze zu Uganda verbindet. Ihr hauptsächlicher Zweck ist es, den Importgüterbedarf der Regierungselite und der internationalen Corps zu bedienen. Juba selbst bietet weitere 110 Kilometer Asphalt, dicht befahren von den allgegenwärtigen Geländewagen der Regierungsoffiziellen sowie der Mitarbeiter der Vereinten Nationen und internationaler Nichtregierungsorganisationen.

Das Öl des Südsudans, das größtenteils in den nördlichen Bundesstaten Upper Nile und Unity, nahe der Grenze zum Sudan, gefördert wird, erreicht die globalen Märkte über Pipelines die durch den Sudan zu den Exporthäfen am Roten Meer verlaufen. Ein Kleinhersteller, egal wo im Land, hat dagegen immense logistische Schwierigkeiten, seine Produkte zum Markt der nächstgelegenen Stadt zu transportieren - und ist damit zu einem Leben als Selbstversorger verdammt. In den umfangreichen antropologischen und ethnografischen Beschreibungen des Südsudans und seiner Menschen wird das romantisiert. Südsudan - oder damals noch der südliche Sudan - spielte eine prominente Rolle in den Urtexten der Anthropologie. »Südsudanexperten« berufen sich heute noch auf die Werke von Charles Gabriel Seligman (1873-1940) und Edward Evans-Pritchard (1902-1973), geschrieben im Auftrag der Kolonialregierungen des Sudans im 20. Jahrhundert, um ethnisch motivierte Grausamkeiten in der Region zu erfassen. Die »Experten« sprechen dann von Dinka-Dominanz und Nuer-Rebellion. Südsudans Präsident Salva Kiir ist ein Dinka und sein früherer Stellvertreter und Rebellenführer Riek Machar ist ein Nuer - das ist die Essenz der zeitlosen Weisheit, die jeder Medienbericht über die Kriegsverwüstungen im Land offeriert.

Doch der Krieg, der im Dezember 2013 begonnen hat, hatte seinen Ursprung nicht zwischen Angehörigen der Dinka und der Nuer auf den weiten Überschwemmungsflächen des Weißen Nils, wo die beiden Bevölkerungsgruppen leben. Er brach zwischen Soldaten aus, in den Barracken der »Sudan People's Liberation Army« (SPLA) in Juba. Es waren keine primitiven Ausbrüche ethnischen Hasses in der Wildnis, auf die das Militär in der Hauptstadt reagiert hätte, sondern es war die Armee selbst, die einen ihr innewohnenden Konflikt aus dem Zentrum überall dorthin exportierte, wo ihre Soldaten stationiert waren. Einheiten der SPLA teilten sich, um einander zu bekämpfen und zogen das Land in ein Blutbad. Dem SPLA-Brudermord war ein Machtkampf zwischen Präsident Kiir und seinem Vize Machar vorausgegangen. Der hatte seinen Ursprung in einem Führungstreffen der regierenden SPLM, die bis zur Unabhängigkeit kaum mehr als ein symbolischer Anhang der Befreiungsarmee war. Der SPLM-Vorsitzende, Staatspräsident und SPLA-Oberbefehlshaber Kiir blockierte in der Sitzung die Versuche seines Hauptrivalen Machar, der - wie einige andere auch - die Position des Spitzenkandidaten der Partei bei den für Juli 2015 anvisierten Wahlen erringen wollte. Der Begriff »Wahlen« ist in diesem Kontext allerdings irreführend. Die Zahl der Stimmen kann adäquat durch die Zahl der Gewehre und die der Männer, die sie tragen, ersetzt werden.

Machar, Sohn eines Chiefs aus der Ortschaft Leer im heutigen Bundesstaat Unity, war in seiner Heimatregion einst Kommandeur der SPLA und lieferte sich bereits in den frühen 90er Jahren einen Machtkampf mit dem damaligen SPLA- und SPLM-Führer John Garang. Letzterer verfolgte die Vision eines einheitlichen, »neuen« Sudan, während Machar schon damals auf die Abspaltung des Südens aus war. Auf dem Höhepunkt der Kämpfe zwischen den beiden SPLA-Flügeln - Garang hatte inzwischen mit dem ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni paktiert, einem Verbündeten der USA in der Region - unterzeichneten Machar und eine Reihe von Kommandeuren seiner Allianz 1997 das Friedensabkommen von Khartum mit der dortigen Zentralregierung. Machar war auf dem Papier fortan Befehlshaber einer Milizenformation unter dem Namen »South Sudan Defence Forces« (SSDF), das tatsächliche Kommando jedoch hatte der Kommandeur Paulino Matip. Für Khartum war die SSDF damals von großer Bedeutung, um die Ölförderung in den Bundesstaaten Unity und Upper Nile zu sichern. Ab Ende 1999 exportierte Khartum wieder in großem Stil Öl. Machar stieg zum Assistenten des sudanesischen Präsidenten Omar Al-Baschir auf, doch auch dieser Posten war nicht von Dauer. Ein Kampf um die Kontrolle über die Ölfelder in Unity spaltete schon bald die SSDF, Matips Kräfte gewannen die Oberhand, und Machar kehrte zur SPLA zurück. Im Januar 2002 unterzeichnete er ein Einheitsabkommen mit Garang.

Der Zeitpunkt hätte kaum passender sein können. Die SPLA/SPLM stand mitten in Verhandlungen mit der sudanesischen Regierung, die im Juli schließlich zur Unterzeichnung des Protokolls von Machakos führten. Darin erkannte Khartum das Selbstbestimmungsrecht der südsudanesischen Bevölkerung an. Beide Parteien einigten sich darauf, dass der zukünftige Status des Südsudans durch einen Referendumsprozess bestimmt werden sollte. Unter immensem Druck der USA wurden zudem bereits die Eckpunkte des im Januar 2005 unterzeichneten Friedensabkommen CPA abgesteckt. Darin wurde dann die Auflösung der SSDF vereinbart. Garang war da bereits tot, er starb im Juli 2005 bei einem Hubschrauberabsturz. Sein Nachfolger, der spätere Staatspräsident Kiir, entschied sich schließlich für die Eingliederung der SSDF in die SPLA. Der alternde Matip wurde Vizekommandeur der SPLA, aber »Integration«, »Einheit« und »Versöhnung«, die Schlüsselbegriffe der im Januar 2006 unterzeichneten Erklärung von Juba, waren nur bedeutungslose Worthülsen. Ehemalige SSDF-Kommandeure hielten den Reigen von Meutereien und Begnadigungen am Leben.

Machars Aufstand im Dezember 2013 ist Ausdruck eines etablierten Dilemmas. Der Krieg im Südsudan hat niemals wirklich aufgehört - nicht nach der Unterzeichnung des CPA 2005, nicht mit der Erklärung von Juba ein Jahr später und auch nicht 2011, als der Südsudan seine Unabhängigkeit erklärte. Das Land steht heute genauso in Flammen wie 1997, wohl aus dem gleichen, alles dominierenden Grund: der Kontrolle über die Ölfelder, die Südsudan auf dem Weltmarkt verankern. »Die Politisierung, Organisierung und Militarisierung der Landbevölkerung soll erfolgen, sobald ihre Regionen befreit werden«, heißt es im Gründungsmanifest der SPLA von 1983. Und in der Tat: Während ihrer zahlreichen und einander ablösenden Kriege hat die Organisation Territorien erobert und einen Staat ausgerufen, indem sie ein Volk mit vorgehaltener Waffe in die Moderne führte.

Übersetzung: Christian Selz

Magdi El-Gizouli ist politischer Analyst und Autor. Er ist Fellow des Rift Valley Institutes und schreibt auf seinem Blog stillsudan.blogspot.com regelmäßig über die Situation in den beiden sudanesischen Staaten.

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