Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Staat & Gewalt, Beilage der jW vom 20.05.2015

Auf dem Weg zum Polizeistaat

Bürgerrechte waren gestern, jetzt ziehen die EU-Staaten die Schraube weiter an: Mehr Überwachung, Gesetzesverschärfungen, Erschwerung von Streiks
Von Peter Wolter
Krieg gegen Flüchtlinge. Rund 400 Frauen und Männer aus Afrika v
Krieg gegen Flüchtlinge. Rund 400 Frauen und Männer aus Afrika versuchten am 22. Oktober 2014 den Grenzzaun zwischen Marokko und der spanischen Enklave Melilla zu überwinden. Dort erwartet sie die Guardia Civil, die versucht, sie zurückzutreiben

Tag für Tag versuchen Zehntausende verzweifelte Flüchtlinge, ihr nacktes Leben zu retten, Tausende sind bisher auf dem Weg nach Europa im Mittelmeer ertrunken. Eine humanitäre Katastrophe, geben selbst die EU-Gewaltigen zu. Sie zeigen sich erschüttert und betroffen – zugleich beordern sie aber Marineschiffe vor die libysche Küste, die die Flüchtlingsboote versenken sollen. Es reichte nicht, dass die Grenzagentur Frontex Europas Südgrenze abgesperrt hatte – jetzt wird vielleicht scharf geschossen.

Flüchtlinge, die es nach Europa schaffen, werden vor allem in südlichen Ländern mitunter wie Vieh gehalten. Manch einer traut sich nicht mehr auf die Straße – aus Angst, von Rechten angepöbelt oder gar angegriffen zu werden. In Deutschland vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein, zwei Brandstiftungen in Flüchtlingsheimen gemeldet werden. Ausländerhass ist aber nicht das Monopol des faschistischen Pöbels: Der Afrikaner Oury Jalloh verbrannte vor zehn Jahren in einer Dessauer Polizeiwache in seiner Zelle – was den Beamten angeblich entging; in Nordrhein-Westfalen ermittelt die Staatsanwaltschaft mittlerweile gegen 50 Verdächtige, die in die Misshandlung von Asylbewerbern verwickelt sein sollen. Und am Wochenende kam heraus, dass ein Bundespolizist einen Flüchtling gequält und sich anschließend dessen auch noch gebrüstet hat.

Obwohl sich viele Bürgerinnen und Bürger mitfühlend zeigen und auch Hilfe leisten – der Rassismus ist wieder tief in Deutschland verankert, schärfere Gesetze stehen bevor (siehe Seiten 2 und 3). Auch in anderen Ländern – wie Belgien, Frankreich oder Ungarn – gehen die Behörden mit Schutzsuchenden um, als seien sie lästige Fliegen. Wie es zum Beispiel im »liberalen« Amsterdam zugeht, kann man auf Seite 8 nachlesen.

Der Ansturm von Flüchtlingen dürfte für die EU allerdings ein eher kleines Problem sein. Viel gravierender für die Herren der kapitalistischen Ordnung ist die Sozialfrage: Deutschland hat mit seiner Niedriglohnpolitik weite Teile Südeuropas deindustrialisiert, um den jeweiligen Staaten dann eine Sparpolitik aufzudrücken, die Sozialsysteme zerstört und Millionen Bürger in die Armut gestürzt hat. Kein Wunder, dass die Menschen dagegen aufbegehren: In Griechenland ist mit Syriza eine sozialistische Partei an der Macht; in Spanien steht die ebenfalls linke Bewegung Podemos vor der Tür. Und in Deutschland wird gestreikt wie selten zuvor: bei der Post, in den Kindertagesstätten, bei der Bahn. Um das abzustellen, will die Regierungskoalition an diesem Freitag das »Tarifeinheitsgesetz« beschließen.

Gegen linke Parteien, Streikende, Blockupy-Aktivisten und den Demonstrationsmob muss etwas getan werden, befinden die EU-Chefs. Die ersten Schritte zum Polizeistaat sind getan: Unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung wird abgehört und mitgelesen, was Telefonnetz und Internet hergeben; der US-Partner wird gleich mitversorgt. Nachdem Frankreich und Spanien die umfassende Überwachung eingeführt hatten, will Großbritannien jetzt nachziehen. Der liberale Guardian veröffentlichte vorab Passagen aus der Rede, die Königin Elisabeth II. am 27. Mai zur Einführung der neuen Regierung verlesen soll – der Text wird traditionell vom Premierminister verfasst. Der heißt nach wie vor David Cameron – seit der Wahl kann der Konservative alleine regieren und braucht nicht mehr auf den liberalen Koalitionspartner Rücksicht zu nehmen.

Laut der vom Guardian kolportierten Rede soll die Polizei unter anderem ermächtigt werden, bei Gerichten Verfügungen zu erwirken, um »schädliche Aktivitäten« von Regierungsgegnern zu unterbinden. Die zuständigen Behörden sollen darüber hinaus legitimiert werden, die Telekommunikation ohne gerichtliche Kontrolle zu überwachen. Merkel, Gabriel und andere werden sich davon sicherlich anregen lassen.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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