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Aus: Antifaschismus, Beilage der jW vom 07.05.2016

Kein Betriebsunfall

Hass auf Geflüchtete und allgemeine Entsolidarisierung: Was AfD und Pegida mit den PR-Mythen der Agenda 2010 zu tun haben und was dies für linke Bündnisarbeit bedeutet
Von Claudia Wangerin
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Statement bei Blockadeaktion des AfD-Bundesparteitags am 30. April in Stuttgart

Angesichts der Wahlerfolge der reaktionären »Alternative für Deutschland« (AfD) und der andauernden Welle rechter Gewalt suchen Linke fieberhaft nach Möglichkeiten, den Trend umzukehren. Ob und wie weit die Ansprüche an mögliche Bündnispartner heruntergeschraubt werden sollen, hängt von der Lageeinschätzung ab. Einige halten die heutige Situation für direkt vergleichbar mit der von 1932 und wollen daher extrem breite Bündnisse – auch mit Parteien, die mit den »Arbeitsmarkt- und Sozialreformen« der Agenda 2010 das Gegenteil von Solidarität mit Schwächeren propagiert haben.

Innerhalb der Logik, dass die AfD und Pegida die neue NSDAP seien, müsste diese bittere Pille tatsächlich geschluckt werden, um wenigstens die rechtsstaatlichen Elemente der bürgerlichen Demokratie zu retten und in Zukunft überhaupt noch am Meinungskampf teilnehmen zu können. Nach dieser Analyse wäre es unbedingt zu begrüßen, wenn sich mehr etablierte Politiker dem Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus« anschließen würden.

Vielleicht ist aber der Hass auf Geflüchtete »nur« die rassistische Variante der allgemeinen Entsolidarisierung, die zumindest nicht mit dem aktuellen Spitzenpersonal von SPD und Grünen gestoppt werden kann. Vieles deutet darauf hin, dass die AfD keine Wiedergängerin der NSDAP ist, sondern inhaltlich kaum mehr als eine bundesweite Ausdehnung der CSU, die bei allen Streitereien Teil der »Großen Koalition« im Bund mit der SPD als Juniorpartner ist. Die Anti-Establishment-Attitüde der AfD beschränkt sich weitgehend auf Anwürfe gegen Politiker, die das Asylrecht nicht restlos abschaffen wollen. So oder so müssen Linke und Gewerkschafter in Diskussionen deutlich machen, wie diese »Alternative« allgemein zum Solidaritätsgedanken steht.

Im Frühjahr 2005 – die »rot-grüne Koalition« hatte gerade erst bedrohliche Sanktionsregeln für Langzeiterwerbslose eingeführt – schrieb der spätere AfD-Vordenker Konrad Adam in Springers Welt eine Polemik mit dem Titel »Das Laster der Faulheit«. Worte wie »Wohlfahrtszirkus« und »Sozialposse« kamen darin vor. Die Hartz-IV-Sanktionen reichten ihm noch nicht, waren aber aus seiner Sicht ein Schritt in die richtige Richtung. So nahm er Anleihen beim damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der als Sprachrohr der dominanten deutschen Kapitalfraktion die Debatte mit dem Satz »Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft« befeuert hatte. Obwohl Schröder es nicht speziell auf Migranten abgesehen hatte, sondern generell auf Schwache, Resignierte und Menschen, die sich und ihre Arbeitskraft schlecht verkaufen können, bekam die Debatte schnell einen rassistischen Einschlag. Das war kein Betriebsunfall, sondern die logische Folge der PR-Strategie zur Agenda 2010, die strukturelle Benachteiligungen ebenso außen vor ließ wie individuelle Schicksalsschläge. Ungleiche Bildungschancen waren kein Thema. So mussten unkritische Anhänger dieser Politik die hohe Arbeitslosenquote in einem bestimmten Bevölkerungsteil fast zwangsläufig mit Faulheit in Verbindung bringen. Das SPD-Mitglied Thilo Sarrazin, damals Finanzsenator in Berlin, tat sich dabei besonders hervor und zog später in Büchern wie »Deutschland schafft sich ab« und »Wunschdenken« über Muslime und Menschen mit afrikanischen Wurzeln her. Applaus bekommt er dafür nicht zuletzt von AfD-Anhängern.

Allerdings gibt es nach wie vor ehrliche Antifaschisten mit SPD-Parteibuch. Die Frage ist daher nicht, ob antikapitalistische Linke mit Sozialdemokraten zusammenarbeiten sollen, wenn es sich ergibt. Die Frage ist, ob Linke die SPD in der sozialen Frage schonen und auf Kritik verzichten sollen, um bündnispolitisch den roten Teppich für möglichst prominente SPD-Vertreter auszurollen, egal ob sie noch Sozialdemokraten sind.

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