»Frieden bedeutet Weltrevolution«
Von Arnold SchölzelAm 24. Dezember 1918 fand am Berliner Schloss und am danebenliegenden Marstall ein geplantes Blutbad statt. Von den Fronten des Ersten Weltkrieges zurückgekehrte reguläre Truppen griffen auf Weisung des SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert die revolutionäre Volksmarinedivision an, die dort stationiert war. Ebert hatte über die geheime Direktleitung zwischen Reichskanzlei und Oberster Heeresleitung grünes Licht gegeben. Über diese Leitung hatte Ebert schon am 9. November, dem Tag der Revolution in Berlin, mit Generalquartiermeister Wilhelm Groener die Verabredung getroffen, den »Bolschewismus« in Deutschland mit militärischen Mitteln zu bekämpfen. Am 24. Dezember wurde dieses Bündnis öffentlich sichtbar, es war der Wendepunkt der Revolution. Der Gründungsparteitag der KPD vom 30. Dezember 1918 bis zum 1. Januar 1919 stand im Zeichen dieses unverhüllten Auftretens der bewaffneten Konterrevolution.
100 Jahre danach, am 24. Dezember 2018, fragte ein Deutschlandfunk-Moderator den emeritierten Düsseldorfer Historiker Gerd Krumeich, wie er die damalige Aktion von Ebert und Groener bewerte. Antwort: »Ich glaube, ich hätte das auch so gemacht.« Der Angriff sei »unausweichlich« gewesen, die »legitime Regierung« habe sich gegen »selbsternannte Revolutionsschützer« verteidigen müssen. Knapper lässt sich das, was von der bürgerlichen Geschichtsschreibung über die Novemberrevolution zu erfahren ist, nicht zusammenfassen. Das von Angela Merkel strapazierte Märchen von »alternativlos« wurde jüngst deutsche Mode, nun plappert es ein gestandener Historiker nach. Geschichte kennt aber keine Alternativlosigkeit, nur erzählt die herrschende Klasse gern davon. Sie weiß ja, dass auch andere Herrschaft möglich ist. Vor wenigen Jahren, zum 100. Jahrestag der Anzettelung des Ersten Weltkrieges, hieß ein Buchtitel »Die Schlafwandler«. Er wurde zum Schlager der Saison. Seine »Moral« lautete: An Kriegen war schon damals niemand schuld. Anders gesagt, sie waren und sind unausweichlich. Der Irrationalismus der realen Verhältnisse findet in solchen Geschichtchen seinen passenden Ausdruck.
Als die Kommunistische Partei Deutschlands am Jahresende 1918 in Berlin gegründet wurde, entstand eine Partei, die nach einer Formulierung Karl Liebknechts für einen »Frieden der Dauer und des Rechts« eintrat. Sie stand damit nicht nur im Gegensatz zum Bündnis von Militär und SPD, sondern im Gegensatz zur alten Gesellschaft insgesamt. Aufgabe dieser Partei sei es, erklärte Rosa Luxemburg auf dem Gründungsparteitag, die Interessen des Weltfriedens zu verteidigen: »Friede bedeutet Weltrevolution des Proletariats!«
An diesem Grundsatz hielt die Partei – bei allen Irrungen und Wirrungen – in ihrer gesamten Geschichte fest. Das ist ihr »Verbrechen«, das Streben nach einer Gesellschaft ohne Krieg, die in der DDR für 40 Jahre verwirklicht war. Das Land musste weg, damit deutsche Kriege wieder möglich wurden. Dieses »Verbrechen« veranlasste die SPD, den Auftrag für den Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu erteilen, es veranlasste den deutschen Faschismus zu Mord und Totschlag an wahrscheinlich etwa 150.000 Parteimitgliedern. Es war das »Verbrechen«, das die Bundesrepublik mit dem Verbot der Partei 1956 und rund 10.000 Gerichtsurteilen ahndete.
Die Novemberrevolution erbrachte den Beweis, dass ein Stopp der Kriegsmaschinerie des Imperialismus möglich ist. Die KPD erfasste als einzige Partei, gerade nach dem 24. Dezember 1918, dass diese Maschinerie zerstört werden muss, um den Frieden dauerhaft zu machen. Das gilt heute wie damals.
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Leserbriefe zu diesem Artikel:
- Norbert Heckl: Während des Faschismus getötete KPD-Mitglieder Bisher ging ich von etwa 25.000 bis 30.000 von den Nazis ermordeten KPD-Mitgliedern aus. In der Beilage »100 Jahre KPD« schreibt Ihr zweimal von etwa 150.000. Da beide Zahlen doch sehr stark voneinand...
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