Zwischen Ost und West
Von Frederic SchnattererBis in die 90er Jahre kapitalistischer Außenposten vor den realsozialistischen Staaten, ist Österreich heute ein bedeutender Player in Ost- und Südosteuropa. Zugleich ist es traditionell eng mit dem Westen verbunden. Wien nimmt eine Sonderstellung im europäischen Machtgefüge ein. Worin sie besteht, ist Thema dieser Beilage. Illustriert wird sie mit Bildern progressiverer Zeiten – Aufnahmen vom Alltagsleben zu Zeiten des »Roten Wien« 1919 bis 1934.
Über die österreichischen Beziehungen zu den Staaten des Balkan unterrichtet uns Korrespondent Groll zusammen mit »dem Dozenten« bei einem Ausflug an die Donau. Dabei erfahren wir Historisches und Aktuelles zur Politik Wiens gegenüber der Region und lernen, dass diese schon seit geraumer Zeit von »Größenwahn und Unfähigkeit« geprägt ist. Über den Einfluss österreichischen Kapitals, flankiert von Presse- und Medienerzeugnissen, wird auf dem Balkan »die alte Politik« fortgesetzt.
Daran ändert auch das »Neutralitätsgesetz«, das am 26. Oktober 1955 vom Nationalrat – dem österreichischen Parlament – beschlossen wurde, nichts. Die laut Gesetzestext »immerwährende Neutralität« des Landes existiert heute praktisch nur noch auf dem Papier, wie es Simon Loidl darstellt. Davon zeugt unter anderem die Rolle Österreichs beim NATO-Großmanöver »Defender Europe 21« im Frühjahr dieses Jahres. Dort stellte Wien das Landesterritorium großzügig für Truppentransporte zur Verfügung und nutzte die Aktivitäten der Kriegstreiber gar als Übung für die eigenen Streitkräfte.
Auch das von Christian Bunke vorgestellte Projekt »Lobauautobahn« zeigt, dass der Begriff der Neutralität in Österreich mittlerweile mindestens weit gedehnt wird. Das Infrastrukturvorhaben vor den Toren Wiens dient nicht zuletzt einer besseren Anbindung der Hauptstadt an die sogenannte Ostregion. Mit der Verbindung zur länderübergreifenden Verkehrsachse »TEN 25« werden darüber hinaus Truppentransporte beispielsweise der NATO gen Russland möglich. Trotzdem stehen die wirtschaftliche und die ökologische Dimension im Zentrum der öffentlichen Debatte über die Lobauautobahn.
Wirtschaftliche Überlegungen spielen auch – wie sollte es anders sein – bei der Industrieproduktion in Österreich eine zentrale Rolle. Interessant hierbei: Gerade bei den in der Automobilindustrie vorherrschenden Zulieferbetrieben und Tochterunternehmen haben zunehmend ausländische Investoren, vor allem aus der BRD, das Sagen. Das zeigt der Beitrag von Johannes Greß am Beispiel der Volkswagentochter MAN am Standort Steyr auf. Dort kämpft die Belegschaft des traditionsreichen Lkw-Werks für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Ein Kampf, dem anhand der ökologischen Krise weitere Überlegungen hinzugefügt werden müssen.
Kampfstrategien müssen an sich verändernde Zeiten angepasst werden – das weiß auch die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ). Sie hat es zumindest auf kommunalpolitischer Ebene geschafft, ihre Politik zu etablieren, wie Max Zirngast im Interview erklärt. Der Journalist tritt Ende September als Kandidat der KPÖ bei den Gemeinderatswahlen in Graz an. Alles in allem sei die Rolle der KPÖ aber deutlich zu gering. Um dem »System Kurz« etwas entgegenzusetzen, müsse die Partei auch auf Bundesebene wieder kampagnenfähig werden.
Worin dieses »System« besteht, versucht das Gründungsmitglied der österreichischen Grünen, Peter Pilz, in einer jüngst erschienenen Biographie über Sebastian Kurz zu erklären. Dessen Aufstieg zum jüngsten Regierungschef der Welt folgte einem klar umrissenen Drehbuch, macht die Rezension von Oliver Rast deutlich. Mit Erfolg: Heute führt Kurz sein zweites Kabinett an, mit dem Ziel, aus der Regierung ein »Regime« zu formen.
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