Jede auf ihre Weise
Von Ina SembdnerWeltweit sehen sich Frauen Gewalt ausgesetzt, stehen Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnissen gegenüber. 30 Prozent aller Frauen über 15 Jahren – 736 Millionen – haben nach UN-Angaben mindestens einmal in ihrem Leben körperliche und/oder sexualisierte Gewalt durch einen Intimpartner, sexualisierte Gewalt durch einen Nichtpartner oder beides erlitten. Täglich werden 137 Frauen von einem Familienmitglied ermordet, 82 Prozent aller Opfer von Tötungsdelikten, die von Intimpartnern verübt werden, sind Frauen. Auf ökonomischer und sozialer Ebene ließe sich die Aufzählung fortsetzen.
Neben diesen Bedrohungen, derer sich Frauen im Alltag erwehren müssen, bringt das kapitalistische System stets neue Probleme mit sich. Claudia Wrobel muss auch nach zwei Jahren Pandemie konstatieren, dass die Last der Gesundheitskrise vor allem auf den Rücken von Frauen und hier speziell von »mütenden« Müttern ausgetragen wird. Hilfe haben sie dabei von Politik und Gesellschaft so gut wie nicht zu erwarten, eher wird still hingenommen, dass dadurch ein fatales Rollback stattfindet, und feministische Errungenschaften verlorengehen.
Gleichzeitig gibt es perfide Ansätze, wie jenen einer »feministischen Außenpolitik«, der – wie Meike Voelker schreibt – nicht darin mündet, Militarisierung und patriarchale Strukturen in Außen- und Sicherheitspolitik zu zerschlagen, sondern dem ganzen einen biologistischen, »friedfertigeren« Anstrich verpasst. Selbst von dieser Repräsentationspolitik ist die Türkei unter islamistisch-faschistischer Herrschaft meilenweit entfernt. Besonders von staatlicher Verfolgung und ausufernder patriarchaler Gewalt betroffen ist dort die kurdische Frauenbewegung, wie Dilan Karacadag schreibt. Und wenn die Strafverfolgung sexualisierter und frauenfeindlicher Gewalt überall unzureichend ist, genießen Täter in der Türkei besondere Freiheiten und fühlen sich dadurch erst recht bestätigt.
Doch gegen all diese patriarchalen Ausformungen finden Frauen Möglichkeiten, gemeinsam neue Kampffelder zu erschließen und mit feministischen Inhalten zu füllen. War es vor rund 200 Jahren die Sklavin Sojourner Truth, die von den weißen Suffragetten einforderte, gemeinsam für die Rechte aller Frauen zu kämpfen und darüber hinaus Klassenkämpfe unterstützte, ist heute die Klimabewegung ein weiteres feministisches Kampffeld geworden. Jedoch nicht, weil Frauen, wie Antifeministen argumentieren, »naturverbundene Wesen« wären, sondern weil sie in erster Linie von den Folgen der Klimakrise betroffen sind und sie zu tragen haben, wie Christiana Puschak erläutert.
In Mexiko haben indigene und afrostämmige Frauen beschlossen, mit einer eigenen Nachrichtenagentur eine Gegenöffentlichkeit zu Machismo und Rassismus zu schaffen. Sara Meyer hat einige von ihnen getroffen und berichtet über den fortwährenden Kampf gegen diskriminierende Strukturen und Ausgrenzung. Und auch in Kolumbien haben Feministinnen ihre Mobilisierung auf eine neue Ebene gehoben. Julieta Daza erfährt im Gespräch mit Jessica Obando, Kandidatin der feministischen Liste »Estamos Listas« für die anstehende Parlamentswahl, warum es diese braucht und wie sie der Konzentration von politischer und wirtschaftlicher Macht den Kampf ansagen will. Der Vielfalt feministischen Widerstands hat sich auch die Künstlerin Xuehka gewidmet. Mit ihren Illustrationen setzt sie kolumbianischen Frauen in dieser Beilage ein kraftvolles Denkmal.
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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