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Aus: VR China, Beilage der jW vom 27.09.2023
China

Auf neuen Wegen

Die Führung der Volksrepublik versucht, den Kapitalismus einzuhegen. Das ruft den NATO-geführten Westen auf den Plan – die Kriegsgefahr wächst
Von Stefan Huth
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Fischerboot im Hafen von Shishi, Provinz Fujian (August 2023)

Wer an einem beliebigen Tag mit Google hiesige Nachrichtenkanäle auf das Stichwort »China« hin durchsucht, den springen zuverlässig Schreckensmeldungen an: »China trägt seine Weltmachtambitionen offen zur Schau« (heute.de), »Aus den Fehlern im Umgang mit Russland lernen heißt, anders mit China umzugehen« (zeit.de), »Angst vor Überwachung: US-Behörden sehen Hafenkräne aus China als Sicherheitsrisiko« (spiegel.de), »Huawei bei der Bundeswehr: ›Eine gezielte Unterwanderung lässt sich kaum verhindern‹« (wiwo.de), »In China verschwinden seit Jahren einflussreiche Geschäftsleute« (n-tv.de).

Die Reihe ließe sich fortsetzen, die regierungsoffizielle Rede vom »Systemrivalen« hinterlässt Spuren, nicht nur im Blätterwald. Feindmarkierung hin, Feindmarkierung her – geht es ums Geschäft, lässt sich auch das deutsche Kapital nicht lumpen. Seit mittlerweile sechs Jahren ist die Volksrepublik der wichtigste Handelspartner der BRD, dem Portal Statista zufolge importierte Deutschland allein 2021 Waren im Wert von rund 141,8 Milliarden Euro aus China, 2009 waren es noch etwa 56,7 Milliarden. Der Wert deutscher Exporte belief sich im Jahr 2021 auf rund 103,6 Milliarden Euro, 2009 waren es noch etwa 37,3 Milliarden. Die Geschäfte brummen, werden jedoch diskret bis verschämt abgewickelt, die Feindpropaganda für die Öffentlichkeit gibt es gratis.

Als seiner Verfassung nach sozialistisches Land, geführt von einer Kommunistischen Partei, ist die westliche Rede vom systemischen Gegner indes nicht ganz abwegig. Schließlich wird in der Volksrepublik etwas weltgeschichtlich Neues versucht: das Profitprinzip walten zu lassen und zugleich die Macht des Kapitals politisch einzuhegen – Plusmacherei unter den Augen und zu den Bedingungen einer Partei, die den Kapitalismus überwinden will, sozusagen mit seinen eigenen Mitteln. Wachsender Wohlstand großer Teile der Bevölkerung geht mit einem neuen Selbstbewusstsein einher, das strahlt über die Landesgrenzen hinaus. Und dennoch präsentiert sich China als ein Land voller Widersprüche, mit dem auch viele Linke hierzulande hadern oder sogar mit Blick auf dessen ökonomisches Entwicklungsmodell grundsätzlichen Widerspruch anmelden.

Doch in einer Frage sollte es keine zwei Meinungen geben: Die Führung des Landes, die Partei, ist geleitet von einer sozialen Idee. Nur so konnte es selbst unter Coronabedingungen gelingen, die extreme Armut im Land zu beseitigen, wie sogar die UN anerkennend bestätigten. Und jetzt schon profitieren seit Jahrhunderten in Unterentwicklung gehaltene Länder des Südens von neuen Formen zwischenstaatlicher Kooperation, die von Beijing initiiert wurden.

Die vorliegende Beilage beleuchtet verschiedene Aspekte der Volksrepublik, die trotz anhaltender, sich wöchentlich steigernder Kriegsdrohungen seitens des NATO-geführten Westens im kommenden Jahr ihr 75. Gründungsjubiläum begehen kann. Sevim Dagdelen rekapituliert deutsche Kolonialverbrechen in China, die Berlin nicht davon abhalten, sich heute erneut in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen. Wie Beijing mit neuen Initiativen auf globaler Ebene Netzwerke der Kooperation schafft, ist Gegenstand von Wolfram Elsners Beitrag. Den Sozialwissenschaftler Wang Huning, der als bedeutender Inspirator chinesischer Regierungspolitik gilt, porträtiert Marc Püschel. Die Beziehungen zwischen Beijing und Moskau sind bei allen Widersprüchen von strategischer Bedeutung und wurzeln tief in der Geschichte, wie Sebastian Carlens und Jörg Kronauer zeigen. Wie die Macht des Kapitals in China begrenzt werden kann, um den Sozialismus in China auf eine neue Stufe zu heben, erläutern Autoren des Tricontinental Institutes in Kooperation mit Kollegen der chinesischen Theoriezeitschrift Wenhua Zongheng.

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