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Aus: Kampf ums Klima, Beilage der jW vom 18.09.2024
Kampf ums Klima

Kenia, Wasserstoff und Kolonialismus

Der ostafrikanische Staat ist für die »Wasserstoffstrategie« der EU bedeutsam. Vor allem letztere dürfte von der »Partnerschaft« profitieren
Von Tim Krüger
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Noch im Mai protestierten Klimaschutzaktivisten in der kenianischen Hauptstadt Nairobi für nachhaltige Konzepte in ihrem Interesse

Kenia gilt beim Übergang von der Energiegewinnung aus fossilen hin zu erneuerbaren Ressourcen als Vorreiter auf dem afrikanischen Kontinent. Das ostafrikanische Land deckt bereits rund 90 Prozent seines Energiebedarfs durch sogenannte grüne Energie. Bis 2030 hat sich die Regierung von Präsident William Ruto die 100 Prozent als Zielvorgabe festgelegt. Kenia ist nicht nur der größte Handelspartner der BRD in Ostafrika, die Bundesregierung zählt dort auch zu den aktivsten Förderern bei der Produktion von »grünem Wasserstoff«. Erst im Mai 2024 eröffnete die deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), ein Büro für »Wasserstoffdiplomatie« in Kenias Hauptstadt Nairobi.

Das unter dem modischen Namen ­»H2-diplo« firmierende Büro soll nach Angaben der GIZ den Austausch »über Chancen und Herausforderungen von grünem Wasserstoff« fördern sowie »Analysen und Informationsunterlagen zu geopolitischen und energieaußenpolitischen Fragestellungen der globalen Energiewende und des internationalen Markthochlaufs von grünem Wasserstoff« erstellen. Die als GmbH strukturierte GIZ koordiniert die technische Zusammenarbeit im Rahmen der Entwicklungshilfe im Auftrag verschiedener BRD-Ministerien. Sie unterhält auch Büros in Angola, Kasachstan, Kolumbien, Nigeria, Saudi-Arabien sowie der Ukraine.

Bei den Partnerschaften soll es vorgeblich um »Dekarbonisierung und Diversifizierung in den kooperierenden Ländern« gehen. Doch bei den Teils milliardenschweren Förderungen und Investitionen, die mit den Partnerschaften einhergehen, handelt es sich nicht um uneigennützige Almosen. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine haben steigende Preise für fossile Energieträger wie Öl und Gas die Suche nach alternativen Energiequellen angetrieben. Auch wenn die Wasserstofftechnologie in weiten Teilen noch nicht als marktreif gelten kann, setzen viele Länder, auf Wasserstoff als Energieträger der Zukunft. Auch die Bundesrepublik späht hier auf Entwicklungspotentiale und erhofft sich eine »grüne« Alternative.

Wasserstoff lässt sich in verschiedenen Verfahren gewinnen. Die klimaneutrale Methode ist die Wasserelektrolyse, bei der im Idealfall »erneuerbar« produzierter Strom zur Aufspaltung von Wasser verwendet wird. Sie ist bislang eher eine Randerscheinung in der globalen Wasserstoffproduktion. Bei der Gewinnung von »grauem« Wasserstoff aus Erdgas, werden jährlich mehr CO2 Emissionen freigesetzt, als ein Land wie die Bundesrepublik in einem Jahr produziert. Laut dem Corporate Europe Observatory (CEO) wurden im Jahr 2021 99 Prozent des weltweit produzierten Wasserstoffs auf diese Weise hergestellt.

Kenia mit seinen verhältnismäßig starken Winden sowie einer intensiven Sonneneinstrahlung eignet sich, um ausreichend »grünen« Strom für künftig große Mengen »grünen« Wasserstoffs zu produzieren. Auch Geothermiekraftwerke sollen für die nötigen Energiemengen sorgen. Kenia soll nicht nur den Eigenbedarf decken, sondern könnte zu einem Hauptexporteur für Märkte in BRD und EU werden. Letztere unterstützt daher den Ausbau der nötigen Infrastruktur und hat stellte über die Europäische Investitionsbank (EIB) zwischen 2013 und 2023 mehr als 5,3 Milliarden Euro für Energieinvestionen in ganz Afrika bereit. Auf Kenia entfielen dabei 418 Millionen Euro für Geothermie-, Windkraft- und Solarkraftwerke sowie den Netzausbau

Langfristige und strategische Zukunftsinvestitionen: Eine durch die EIB im Jahr 2022 in Auftrag gegebene Studie schätze, nur mit afrikanischer Solarenergie könnten bis 2035 pro Jahr bis zu 50 Millionen Tonnen »grüner« Wasserstoff gewonnen und vor allem auch exportiert werden. Auch wenn EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) auf dem ersten Afrikaklimagipfel im September 2023 bekräftigte, man sei »nicht nur daran interessiert, Ressourcen abzuschöpfen«, sondern zusammenzuarbeiten und europäische Technologie zu »teilen«, bestehen doch erhebliche Zweifel, ob die »Wasserstoffdiplomatie« nicht auch eine Fortsetzung kolonialer Verhältnisse bereithalten könnte. Inwiefern die Abnehmer aus der EU den afrikanischen Lieferanten tatsächlich auf Augenhöhe begegnen und die Abkommen der wirtschaftlichen Entwicklung des Kontinents zuträglich sind, bleibt fraglich.

Solche Abkommen hätten »mit Sicherheit« das Potential, die technologische und wirtschaftliche Entwicklung Kenias voranzubringen, erklärte Justine Kapanga von der Nichtregierungsorganisation »Debt for Climate« in Kenia. »Es hängt aber davon ab, wie die Gewinne verteilt werden und ob auf diese Art und Weise auch das Leben der Durchschnittsbürger verbessert werden kann.« Kenia könne durchaus von Technologietransfers aus Europa profitieren. Die globalen Veränderungen auf den Energiemärkten und auch die gesteigerte Konkurrenz – sowohl im Bereich der fossilen Energieträger als auch auf den Wasserstoffmärkten – könne dabei vielversprechende Entwicklungschancen für den gesamten afrikanischen Kontinent bereithalten.

Doch angesichts der wirtschaftlichen und politischen Lage des Landes zweifelt Kapanga an den Plänen. »Es gibt natürlich sehr wichtige Initiativen und vielversprechende Pläne, doch die größte Herausforderung, die uns auch in dieser Frage hemmt, ist die massive Korruption im Staat«, kritisiert Kapanga im jW-Gespräch. So sei schwer nachzuvollziehen, wer von den Exporten nach Europa am Ende profitiere. Wie könne sich die kenianische Bevölkerung von der »grünen« Energie Vorteile versprechen, »wenn sie sich nicht einmal eine normale ›dreckige‹, also fossile, Energie leisten kann«? Erst im Juni hatten heftige Proteste gegen die steigenden Lebenshaltungskosten und gegen die Steuerpläne der Regierung das Land wochenlang erschüttert.

Der Umbau hin zur »grünen« Energie wird zudem meist von oben durchgedrückt, die lokale Bevölkerung nur in seltenen Fällen in Entscheidungsprozesse eingebunden. Ein Bericht des »Business & Human Rights Resource Centre« von 2022, schildert anhand von sechs Projektbeispielen für Windkraft-, Geothermie- und Solaranlagen die Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung. Demnach verlieren manche Menschen ihre Weideflächen, vor allem indigene Völker wie die Massai werden durch die Projekte aus ihren Gebieten vertrieben. So kritisierte Ikal Angelei, Vorsitzende der Initiative »Friends of Lake Turkana«, in einem Artikel für die Heinrich-Böll-Stiftung schon 2017 die Schattenseiten von Kenias Energiewende. Das Land am Turkanasee, wo heute der größte Windpark des Kontinents steht, sei demnach ohne Einverständnis der Gemeinden und der dort lebenden Bevölkerung, also entgegen der kenianischen Verfassung, verpachtet worden.

Die anvisierte Entwicklungspartnerschaft zwischen der BRD und Kenia wird sich in Zukunft nicht nur daran messen lassen müssen, wie »grün« die produzierte Energie ist. Vor allem wird entscheidend sein, wie gerecht der Prozess von Herstellung und Aneignung derselben ausfällt. Verlieren Anwohner durch »nachhaltige« Entwicklung ihr Land und damit ihre Lebensgrundlage, während die lokale Bevölkerung darum kämpfen muss, sich überhaupt elektrischen Strom leisten zu können, wird fraglich, für wen die »nachhaltige Entwicklung« letzten Endes von Vorteil ist. Erst recht, wenn in Zukunft vielleicht tonnenweise Wasserstoff aus Afrika in die Märkte der EU gespült wird.

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