Das bedrohte Mekongdelta
Von Thomas BergerDer Mekong entspringt im Hochland von Tibet und fließt auf 4.900 Kilometern Länge durch sechs Länder. Fischer in Kambodscha oder Myanmar sind von dem mächtigen Strom so abhängig wie Reisbauern am ausgedehnten Delta, wo der Fluss ins Südchinesische Meer mündet. Als Transportweg hat der Mekong enorme Bedeutung, auch für den relativ jungen Tourismussektor in Vietnam oder Thailand. Dazu kommt der Artenreichtum am und im Wasser. Die Biodiversität wird weltweit nur vom Amazonas übertroffen.
Gefährdet ist die Vielfalt durch zunehmende Verschmutzung und Dammbauten im Oberlauf. Welche Auswirkungen der Klimawandel im riesigen Einzugsgebiet von rund 800.000 Quadratkilometern haben wird, ist kaum abzusehen. Auch, weil die Komplexität der Ökosysteme nicht ansatzweise erfasst ist.
Anoulak Kittikhoun von der Mekong River Commission (MRC) in Laos sieht die größten Bedrohungen für die Deltaregion im Anstieg des Meeresspiegels und beim Umfang der Wassernutzung. »Wir wissen, dass sich das Fließverhalten bereits geändert hat«, sagt Kittikhoun, und führt das auf den Klimawandel zurück. Betroffen seien alle sechs Länder, doch je weiter am Unterlauf, desto verheerender seien die Folgen.
In der Monsunzeit führe der Mekong tendenziell weniger Wasser als in der Vergangenheit, in der Trockenzeit sei es durch starke Regenfälle eher mehr. Natürliche und wirtschaftliche Kreisläufe gerieten durcheinander.
Die MRC hat auf der Grundlage diverser Studienergebnisse Szenarien für das Jahr 2060 erstellt. Demnach könnte sich das Wasser im Mekongbecken bis dahin um bis zu 3,3 Grad Celsius erwärmen. Bei den Prognosen für die Niederschläge gibt es eine Spreizung: Sie könnten um bis zu 16 Prozent sinken oder um bis zu 17 Prozent zunehmen. Verheerend wäre beides. Der Horror reicht von Ernteverlusten in der Landwirtschaft bis zu Erdrutschen. Infrastruktur würde durch Überflutungen zerstört. Viele Fischarten würden kaum überleben.
Ob die Entwicklung von Anpassungsstrategien gelingt, »wird in den nächsten Jahrzehnten über das Schicksal von Millionen Menschen entscheiden – und über das der regionalen Biodiversität«, schreibt die Umweltschutzorganisation WWF. Und das »IHE Delft Institute for Water Education« unter dem Dach der UNESCO weist bei jeder Gelegenheit darauf hin, dass der größte Teil des 40.000 Quadratkilometer großen Mekongdeltas keine zwei Meter über dem Meeresspiegel liegt.
»Es ist hart, sich vorzustellen, dass eine Landfläche in der Größe der Niederlande und mit einer vergleichbaren Bevölkerung bis zum Ende des Jahrhunderts verschwinden könnte«, schreibt Matt Kondolf, Professor an der Universität von Kalifornien, als Hauptautor einer Studie, an der auch das IHE-Institut mitwirkte. Sie trägt einen unmissverständlichen Titel: »Rettet das Mekongdelta vor dem Ertrinken.«
17 Millionen Menschen leben in dem Delta. Der Meeresspiegel könnte dort bis 2030 um 15 Zentimeter steigen, bis 2050 um 30 Zentimeter. Die Prognosen stammen vom Vietnam Institute of Meteorology, Hydrology and Climate Change (IMHEN). Je höher der Anstieg, desto mehr Salzwasser wird ins Landesinnere gedrückt.
Für regionale Frühwarnsysteme rund um den Mekong wurden 12,5 Millionen US-Dollar beim UN-Anpassungsfonds (»Adaption Fund«) beantragt. Dieser Fonds wurde auf der Basis des Kyoto-Protokolls 2001 mittels Zahlungen der Industriestaaten aufgelegt. Die beantragten Mittel werden nicht ausreichen, zumal mit ihnen auch noch die lokale Widerstandsfähigkeit bei Dürre und Überschwemmungen erhöht und die Zusammenarbeit von Behörden mit Katastrophenschützern vor Ort verbessert werden soll.
Geplant ist die Vertiefung der Kooperation zwischen den meteorologischen Instituten sowie den Umwelt- bzw. Wasserministerien in Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam. Auch der MRC soll eingebunden werden, das Bureau of Meteorology in Australien, die UN-Ernährungsorganisation FAO und das Netzwerk Global Water Partnership (GWP). Koordiniert werden soll die Zusammenarbeit von der World Meteorological Organization (WMO).
Nicht zuletzt geht es dabei um Datenaustausch. Um das Zusammenführen von Studien wie der des vietnamesischen Agrarministeriums zur Bodenerosion im Delta. Demnach gehen pro Jahr auf diese Weise 500 Hektar verloren. Das Ministerium hat auch den Salzanteil in zahlreichen Seitenarmen des Flusses messen lassen. Vielerorts liegt er bereits bei vier Gramm pro Liter – ein Wert, der für viele Pflanzen jenseits der Toleranzschwelle liegt. Auch Reis, das Hauptnahrungsmittel in der Region, lässt sich auf versalzenen Äckern nur schwer mit ausreichendem Ertrag anbauen. Geplagten Bauern wird die Diversifizierung ihrer Anbaukulturen empfohlen, auch im Sinne der Bodenqualität. Alternativ sollen sie auf Fisch- oder Entenzucht umsteigen. Insgesamt 13 vietnamesische Provinzen sind in der Deltaregion von den Veränderungen betroffen, die kein neues Phänomen sind, aber an Intensität und Tempo zunehmen.
Schon im Jahr 2010 konstatierten erste Studien ein Vordringen des Meerwassers in Bereiche des Deltas, die bis dahin nicht davon betroffen waren. 1,77 Millionen Hektar Boden waren schon damals von Versalzung bedroht. Bei einem Meeresspiegelanstieg um 75 Zentimeter bis zum Ende des Jahrhunderts würde knapp ein Fünftel des Deltas überschwemmt; 7.600 Quadratkilometer würden für die Agrarnutzung unbrauchbar.
Mit dem Ausbau des Küstenschutzes soll die Entwicklung verlangsamt werden. Geplant sind der Bau von Deichen, die Errichtung von Wellenbrechern, die Ausweitung von Mangrovenwäldern. Der Mangrovenbestand ist laut dem Portal Forests News zwischen 1973 und 2020 von 186.000 auf 102.000 Hektar geschrumpft. Allerdings machten 2020 Neupflanzungen auf 34.000 Hektar die Jahresverluste von 16.000 Hektar mehr als wett. Unter anderem machten sich Krabbenzüchter so um den Umweltschutz verdient.
Die Landwirtschaft in den Mekongländern ist für den Ausstoß von zwei bis drei Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich, so das Stockholm Environment Institute (SEI) im Januar 2024 (es kam auf 1,1 Gigatonnen CO2-Äquivalent im Jahr 2020). 25 Prozent werden demnach beim Reisanbau verursacht, weitere 15 Prozent durch den Einsatz von Düngemitteln.
Befördert wird die Versalzung durch den forcierten Sandabbau der boomenden Baubranche, bemerkte das Portal eco-business.com Mitte August. In ausgebaggerte Flussarme könne Meerwasser leichter vordringen, der Abbau entziehe den Böden zudem wichtige Sedimente, die etwa Mangrovengürteln Halt geben.
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