Afrika im Fokus der »Wende«
Von Georges HallermayerObwohl die afrikanischen Länder kaum für die globale Erwärmung verantwortlich sind, ist Afrika übermäßig mit den Folgen des Klimawandels belastet, stellt die UN-Weltorganisation für Meteorologie (WMO) in ihrem Report »State of the Climate in Africa 2023« fest. Um diese Wetterextreme wie Überschwemmungen oder Dürren zu bewältigen, mussten die afrikanischen Volkswirtschaften demnach im Schnitt zwei bis fünf Prozent ihres Bruttosozialprodukts aufbringen. Einige Länder mussten sogar bis zu neun Prozent ihres Staatshaushaltes umschichten, um daraus entstandene Auswirkungen abzumildern.
Das Jahr 2023 war eines der drei wärmsten Jahre in der 124jährigen Geschichte der Wetteraufzeichnungen. Extreme Hitzewellen trafen im Juli und August auf Nordafrika; etwa in Marokko wurden bis zu 50,4 Grad Celsius gemessen. Das Meer rund um den Kontinent stieg höher als global – in Westafrika etwa zwei Meter pro Jahr – und damit auch die Bodenerosion an den Küsten. Der Fonds der Weltbank stützte die Region zwar mit 220 Millionen US-Dollar, allerdings weit unterhalb des für wirksame Maßnahmen errechneten, notwendigen Bedarfs von jährlich 3,8 Milliarden US-Dollar.
Quer über den afrikanischen Kontinent litten die Menschen im vergangenen Jahr unter schwerer Trockenheit. Eine Katastrophe für die Landwirtschaft: Die Getreideproduktion Nordafrikas fiel im Fünfjahresvergleich um ganze zehn Prozent, ist dem WMO-Bericht zu entnehmen. Nicht nur, dass die Wetterextreme häufiger und gewaltiger auftreten. Die Jahreszeiten, die Folge von Regen- und Trockenzeit, verschieben sich. Dadurch werden die Bauern zu veränderten Saat- und Erntezeiten gezwungen. Kakaobauern in Côte d’Ivoire stellten Ende April ein verändertes Wachstum der Kakaobohnen fest. Hitzewellen senken nahezu überall die Erträge und schwächen den Viehbestand, berichtete die französische Le Monde im April. Mit der Landwirtschaft werde ein Sektor geschwächt, der in manchen Ländern bis zu 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht.
Der erste Klimagipfel in Kenia, der »Africa Climate Summit«, forderte die Industriestaaten im Jahr 2023 auf, in den Klimafonds einzuzahlen, um in der Hauptsache von ihnen verursachte Klimaschäden zu bewältigen. Dem Aufruf von Kenias Präsident William Ruto folgten Zusagen in Höhe von 23 Milliarden US-Dollar. Josefa Sacko, Kommissarin »für Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, blaue Wirtschaft und nachhaltige Umwelt« der Afrikanischen Union (AU), bezifferte den Bedarf in einer aktuellen Schätzung Ende August 2024 auf drei Billionen US-Dollar bis 2030. Schon der Klimagipfel COP 27 in Ägypten hatte im Jahr 2022 festgestellt, dass nur 5,5 Prozent der globalen Klimahilfen insgesamt an Afrika gehen.
Im Kontrast zu den vorgeblich ökologisch bewegten Bemühungen finanzierten multinationale Banken seit dem Klimagipfel von Paris im Jahr 2015 »ein Vielfaches der Investitionen für erneuerbare Energien in fossile Energieprojekte«, erklärte AU-Kommissarin Sacko. Der Umfang habe dort 6,9 Billionen US-Dollar betragen. Der US-Investor Blackrock sei hier besonders beteiligt, außerdem der französische Energiemulti Total Energies. Anstelle einer geplanten Investitionsstrategie setzen die Industrienationen auf einen Markt für Treibhausgasemissionen mittels CO2-Bepreisung und dazugehörigem Zertifikatehandel. Der algerische Wissenschaftler und Aktivist Hamza Hamouchene ordnet diesen »fossilen Imperialismus und grünen Kolonialismus« als Strategie des Westens nach seinem gescheiterten »Krieg gegen den Terror« ein.
Den Bedarf afrikanischer Staaten nach Investitionen in ihre Energieversorgung nutzen sowohl Deutschland als auch die EU, um sich Energiequellen für die Zukunft zu sichern. Die Europäische Investitionsbank bestätigte Afrikas außergewöhnliches Potential an grünem Wasserstoff im Jahr 2022. Die Bundesrepublik setzt mittlerweile etwa auf Wasserstoff aus Namibia: Im Januar 2025 soll dort der Bau einer Anlage beginnen, die voraussichtlich ab 2029 grünen Wasserstoff produzieren, zu Ammoniak weiterverarbeiten und exportieren soll. Dafür ist allerdings noch beinahe die gesamte Infrastruktur wie Straßen, ein neuer Tiefwasserhafen und eine Meerwasserentsalzungsanlage zu schaffen. Inwiefern Namibia den Wasserstoff selbst nutzen kann, ist bisher unklar.
Projekte, die Öl- und Gasressourcen afrikanischer Staaten außer Landes zu schaffen, gibt es viele. Die Dimensionen zeigen etwa die von Nigeria ausgehenden Projekte Transsaharagaspipeline und Nigeria-Marokko-Gaspipeline: Erstere soll mit 4.100 Kilometern Länge über Niger durch die Sahara nach Algerien führen. Zweitere soll um den Golf von Guinea nach Marokko führen und könnte die Versorgung von 15 westafrikanischen Küstenstaaten leisten. Mit 5.660 Kilometern wäre sie bedeutend länger. Die geplante 1.443 Kilometer lange Ostafrikanische Ölpipeline (East African Crude Oil Pipeline, EACOP) soll voraussichtlich ab 2026 Rohöl von Hoima im Westen Ugandas zur Hafenstadt Tanga in Tansania leiten können. Mit ihrer Fertigstellung wäre es die längste beheizte Ölpipeline der Welt.
Auch die EACOP bringe vor allem Total Energies und dem chinesischen Förderunternehmen Vorteile, fand eine Gruppe von Klimaaktivisten heraus. Die Organisation Climate Rights International kritisierte, die lokale Bevölkerung werde durch das Projekt vertrieben, berichtete das Portal Afrik Anfang September. »Während vor Ort schlecht bezahlte Jobs entstehen, besetzen ausländische Arbeitskräfte die lukrativen Managementpositionen«, fasste die Organisation Helvetas zusammen. Total hat nun angekündigt, Umsiedlungs- und Entschädigungsprogramme prüfen zu wollen. Ob diese im Sinne der Bevölkerung ausfallen, darf bezweifelt werden.
Georges Hallermayer schrieb zuletzt in der jW-Beilage Marx in Afrika vom 3. Juli über die Entschuldung Sambias durch Partnerschaft mit China
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