Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Recht auf Wohnen, Beilage der jW vom 06.11.2024
Wiederaufbau

Auferstanden aus Ruinen

Nach den Zerstörungen des Weltkriegs setzten beide deutsche Staaten auf die Stadt als bevorzugte Siedlungsform
Von Martin Küpper
DDR Wohnungsbau.jpg
»Ziegel zum Bau und den großen Plan«: Arbeiter 1953 auf der Großbaustelle der Stalinallee

Als am 8. Mai 1945 in Europa die Waffen schwiegen, lag der Kontinent in Schutt und Asche. Wer hat nicht sofort die Bilder von zerbombten und verwüsteten Städten vor Augen? Diese Bilder zeigen eindringlich, wie der von Nazideutschland entfesselte Krieg sich aufs eigene Land auswirkte. Doch wie groß und flächendeckend waren die Zerstörungen in den deutschen Städten und Dörfern? Von den rund 18,8 Millionen Wohnungen im Deutschen Reich waren knapp 4,8 Millionen zerstört. Die Schäden durch die Luftangriffe auf Mittel- und Großstädte und den Vormarsch der Westalliierten im Ruhrgebiet und der Sowjetunion in Richtung Berlin waren jedoch unterschiedlich verteilt.

Bezogen auf den Wohnungsbestand von 1939 waren in der sowjetischen Besatzungszone rund neun Prozent und in der späteren Bundesrepublik 18,5 Prozent des Wohnungsbestandes zerstört oder unbewohnbar. Während der Zerstörungsgrad auf dem Gebiet des heutigen Thüringen am geringsten war, lag er in Prenzlau und Düren mit 80 Prozent sehr hoch. Die Beseitigung von 400 Millionen Kubikmetern Trümmern und der Wiederaufbau waren wichtige Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des städtischen Lebens und zugleich Ausgangspunkt für unterschiedliche Ideen und Strategien des Wiederaufbaus.

Da die unterirdische Infrastruktur nicht so stark beschädigt war und teilweise zerstörter Wohnraum für die Flüchtlingsmassen genutzt wurde, orientierte sich der Wiederaufbau vor allem in den Mittelstädten wie Münster an überkommenen Stadtformen. Kassel wurde dagegen zum Experimentierfeld modernistischer Gestaltung. Die meisten Städte bevorzugten jedoch eine Mischung aus Wiederaufbau und Neugestaltung.

In der BRD bestimmten zunächst die beiden Wohnungsbaugesetze von 1950 und 1956 die Baukultur. Im Vordergrund stand die Versorgung breiter Bevölkerungsschichten, aber auch die Förderung von privatem Wohneigentum durch Steuervergünstigungen und Zuschüsse. Bis 1960 waren fast 60 Prozent aller Neubauten staatlich geförderte Sozialwohnungen, deren Bezug an Bedürftigkeitsprinzipien gebunden war. Im selben Jahr ging mit dem Bundesbaugesetz das Planungsrecht in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes über. Flächennutzungs- und Bebauungspläne orientierten auf das Wachstum der Städte. In den 60er und 70er Jahren wurden sie drastisch erweitert. Dazu kaufte der Bund den Kommunen große Flächen ab, drückte die Bodenpreise und verhängte Mietpreisbindungen für Altbauten. Es entstanden sogenannte offene Stadtlandschaften, in denen die Funktionen voneinander getrennt waren, der Autoverkehr Vorrang hatte und die Siedlungen etwas aufgelockert und sozial durchmischt waren.

Als 1960 die Bodenpreisbindung aufgehoben wurde, stiegen die Preise sprunghaft an. Die Folge waren einerseits verdichtete Bebauung, Wohnhochhäuser und die Planung von Großsiedlungen wie in Hamburg-Steilshoop oder Köln-Chorweiler. Andererseits wurden marode Altbauten massenhaft abgerissen, etwa um das Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg. 1973 wurden 714.000 Wohnungen fertiggestellt, eine Zahl, die nie wieder erreicht wurde. Denn danach wendete sich das Blatt. Die immensen Bau- und Modernisierungskosten, die hohe Auslastung der Bauwirtschaft und steigende Kreditzinsen minimierten die Bautätigkeit. Altstadtsanierung statt »Schandfleckbeseitigung« hieß nun die Devise, bevor sich in den 80er Jahren das Konzept der »behutsamen Stadterneuerung« verbreitete, das auf Modernisierung und Bestandserhaltung ausgerichtet war.

Auch in der DDR setzte man auf die Stadt als bevorzugte Siedlungsform. Damit stand man im Widerspruch zu Karl Marx und Friedrich Engels. Letzterer hatte als Folge der Aufhebung des Privateigentums die »Verschmelzung von Stadt und Land« gefordert. Dass die SED auf die Stadt setzte, weil dort das Proletariat am stärksten verankert war, wird in verschiedenen Grundsatzprogrammen (1950, 1965, 1968, 1971) deutlich, die den Status von »gesellschaftspolitischen Direktiven« (Bruno Flierl) erhielten. Am bekanntesten und wirkungsmächtigsten waren die »16 Grundsätze des Städtebaus« von 1950, die das Ergebnis einer mehrwöchigen Delegationsreise von Baupolitikern und Architekten in die Sowjetunion waren. Die Grundsätze gehen davon aus, dass Städte und Industrie so entwickelt werden müssen, dass die »harmonische Befriedigung des menschlichen Anspruches auf Arbeit, Wohnung, Kultur und Erholung« gewährleistet wird.

In der Forschung herrscht Uneinigkeit darüber, wie diese Grundsätze historisch zu bewerten sind. Die einen sehen darin einen Bruch mit der modernen Architektur, die anderen eine Sonderform. Entscheidend ist jedoch, dass die 16 Grundsätze der politische Hintergrund für das sogenannte Aufbaugesetz waren. Dieses legte in siebzehn Paragraphen die durch die Bodenreform 1945 eingeleitete Entwicklung fest. Das Gesetz regelte nicht nur die Strukturen der zentralisierten Bau- und Planungswirtschaft, sondern setzte auch auf Industrialisierung sowie auf Verstaatlichung mit Entschädigung. Der 14. Paragraph sah vor, dass die Regierung sogenannte Aufbaugebiete (Gemeinden, Kreise und Städte) festlegen konnte. Auf dieser Basis waren Enteignungen möglich. Die Entschädigungszahlungen erfolgten jedoch nur schleppend und in Raten. Zum einen war es der Finanzhaushalt beschränkt, zum anderen sollten die Zahlungen nicht zum Kauf neuer Grundstücke verwendet werden.

Die Industrialisierung des Bauwesens und die gesetzlichen Rahmenbedingungen ermöglichten das Anfang der 70er Jahre begonnene und bis 1990 weitergeführte Wohnungsbauprogramm. Rund zwei Millionen Wohnungen wurden als Ersatz- und Erweiterungsbauten errichtet. Modernisiert wurde eine weitere Million Wohnungen.

Als 1990 der Kapitalismus Einzug hielt, wurden nicht nur die kommunalen Wohnungsverwaltungen privatisiert, sondern auch die zinsverbilligten Darlehen aus dem Sozialismus – zur großen Freude der Banken – in marktüblich verzinste Privatkredite umgewandelt. Die sogenannten Altschulden waren so hoch, dass die Mieten innerhalb weniger Jahre auf das Siebenfache des Ausgangsniveaus angehoben wurden. Da das nicht ausreichte, um die erfundenen Schulden zu tilgen, wurde einerseits ein Teil der Schulden erlassen, andererseits wurden die Unternehmen gezwungen, 15 Prozent der Wohnungen zu verkaufen.

Der Wirtschaftswissenschaftler Joachim Tesch hebt drei weitere Maßnahmen hervor, die die Eigentumsverhältnisse an die bundesrepublikanische Realität anpassten. Zum einen vergifteten 2,1 Millionen Rückübertragungsansprüche auf Immobilien und Grundstücke die deutsch-deutschen Beziehungen, darunter ungeklärte Eigentumsverhältnisse aus der Nazizeit. Zweitens wurde mit dem »größten Steuergeschenk aller Zeiten« (Spiegel), der »Sonderabschreibung Ost«, den Kapitalanlegern noch mehr Geld geschenkt. Von jeder Million, die in Ostdeutschland investiert wurde, konnte die Hälfte abgeschrieben werden. Verwaiste Bürogebäude, pastellfarben sanierte Innenstädte und leere Wohnkomplexe in schrumpfenden Gegenden waren die Folge. Und nicht zuletzt wurde durch die Eigenheimzulage das Bauen auf der grünen Wiese gefördert. Im Zuge dessen entstanden Einkaufszentren und Gewerbegebiete, die heute die Städte umgeben und die Landschaft verschandeln.

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