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Aus: Weihnachten, Beilage der jW vom 24.12.2024
Weihnachten

Ein Sack Steine für ein Säckchen Geld

Hoch und eckig, hart und hässlich: Spielzeug für keinen Gabentisch
Von Thomas Behlert
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Hart und eckig: Steine aus Plastik

Kaum hat man sich mit den Arbeitskollegen um bestimmte Urlaubstage im Sommerurlaub gebalgt, steht wieder Weihnachten vor der Bunkertür, und man muss den sieben Plagen (Kind und Kegel) etwas schenken. Damit nichts schiefgeht, hier eine kleine Auswahl von Spielzeug, das besser nicht in den Einkaufskorb und niemals unter den Weihnachtsbaum gelangen sollte. Es kostet einen Haufen Geld und ist trotzdem Schrott. So kann man z. B. für einen Sack voller Steine einen Sack Gespartes auf die Ladentheke legen, denn für den »Lego Star Wars Millennium Falcon« will der dänische Konzern 719,99 Euro einstecken, für den »Marvel Avengers Tower« dafür nur 449,99 Euro. Schön an Lego ist, dass die Kinder einige Stunden ruhig sind, das Kinderzimmer nur geringfügig verwüsten und endlich mal nicht wild um sich schlagen. Allerdings sollten die Eltern darauf achten, dass keine Steine oder etwa kleineres Zubehör im Staubsauger verschwinden.

Verlangen die Kinder Haustiere, sollten die Schenkungsbeauftragten gut überlegen und Hunde oder Katzen erst einmal in einem Tierheim ausborgen und mit diesen Proberunden drehen, sie füttern und sich intensiv mit den Konsequenzen auseinandersetzen: Nie wieder ausschlafen, Urlaub nur noch am Hundestrand und immer schön die warmen Häufchen vom Gehweg oder auch mal vom Teppich entfernen. Trotzdem keinen »Ziggy – The Robo Dog« schenken, denn dieser elektronische Haufen Plaste hat nicht viel mit einem Hund zu tun, weil er nämlich singt und tanzt, zehn Tiere imitiert, aber nur auf neun Sprachbefehle reagiert. Statt mit Fleischbatzen wird »Ziggy« mit Batterien gefüttert.

Nun kommen wir zur jährlichen Rubrik, in der ganz entschieden gegen Waffen im Kinderzimmer vorgegangen werden muss. Die Firma X-Shot ist in dieser Sache marktführend. Sie taucht alle möglichen Schießknüppel in angenehme Farben, damit sie nicht gleich als Waffen in der Hand von Minderjährigen erkannt werden. Kräftiges Blau und liebliches Orange sind vorherrschend, wobei man in diesem Jahr noch lustiges Grün und leuchtendes Rot dazugenommen hat. Auf den Waffenwerbefotos verzerren Jugendliche die Gesichter zu Fratzen, als ob sie mit Maschinengewehren den Feind niedermähen. Zu kaufen gibt es in allen Preislagen getarnte Maschinengewehre, Flammenwerfer und Maschinenpistolen. Die Munition wurde in Darts umgetauft, und die Waffen tragen Namen wie »Insanity Motorized Rage Fire Blaster«, »Insanity Horror Fire Doomsday«, »Insanity Mad Mega Barrel Blaster« und »Insanity Horror Fire Dread Hammer«. Menschlichkeit, Frieden und Freundschaft wird nicht nur bei dem genannten Waffenarsenal ausgeblendet, sondern auch bei den harten und hässlichen Puppen, die man WWE-Kämpfern nachempfunden hat. Zu den teuren Figuren, die u. a. The Rock und John Cena nachempfunden sind, gehört ein Kampfkäfig, der »WWE War Games Set« getauft wurde, und ein Lieferwagen zum Zerlegen, das »WWE Wrekkin Slambulance Vehicle«.

Weiter geht es im Gruselkabinett der Spielzeugmärkte mit Plastefiguren, die fast 70 Zentimeter hoch und eckig sind und ziemlich dämlich aussehen. Hier darf der Nachwuchs mit Darth Vader aus »Star Wars« spielen und mit ihm diverse Welten samt Nachbarplaneten zerstören. Da mittlerweile »das Böse« (Putin, FDP, China, Merz) die Oberhand behält, ist solch ein verdammt überteuertes Plastikungetüm (139, 99 Euro) im Kinderzimmer durchaus willkommen. Wenn kein Normalsterblicher die Welt retten kann, dann vielleicht ein eckiges Etwas aus dem »DC Super Friends«-Kosmos: »Bat-Tech Batbot« für nur 99, 99 Euro. Dazu noch ein Spielset »Gotham City Gefängnis« und das Kinderzimmer liegt bald restlos in Schutt und Asche.

Da bisher Kinderspielzeug verteufelt wurde, das vor allem für Jungs gedacht ist, wollen wir nun in die pinkfarbene Welt der Mädchen eintauchen. Denn noch immer unterscheiden die Spielzeugfirmen farblich. Blau ist den Jungs vorbehalten, und das schwache Geschlecht muss sich für Pink und Rosa erwärmen. Auch soll der männliche Nachwuchs kämpfen, und die weiblichen Geschwister dürfen dazu auf dem Konzertflügel die Begleitmusik spielen. Solch ein Musikinstrument gibt es im Miniformat, ganz in Pink gehalten und mit einem farblich abgestimmten Schemel. Auf dem Konzertflügel (mickrige 47 Zentimeter lang, 39 breit und 72 hoch) wurden 19 Melodien vorinstalliert, damit man in Vollplayback der Schlagerwelt nacheifern kann. Für das etwas modernere Mädchen gibt es ein Keyboard mit Stuhl, ebenfalls in der typischen Farbe. Steigen wir nun noch tiefer in die weibliche Spielzeugwelt hinab und erklimmen die Abteilung der Puppenwagen. Um die recht niedrige Geburtenrate in der BRD wieder etwas zu erhöhen, können die Mädchen sogar einen Wagen für Zwillingspuppen durch den Park schieben. Zuvor dürfen sich die Puppenmuttis schminken. Aus dem Hause Mya gibt es doch tatsächlich für 69,99 Euro einen »Deluxe Trolley Schminkkoffer«, der 80 verschiedene Make-up-Farben und Zubehör enthält. Außerdem stecken 40mal Lidschatten, 12mal Lipgloss und achtmal Creme Concealer in dem Koffer, der 60 Zentimeter hoch ist. Damit nichts schiefgeht, sollten die Eltern oder Großeltern unbedingt einen völlig sinnfreien »Dimples Dress Up Kleiderständer aus Holz mit Spiegel und Licht rosa« dazukaufen, ebenfalls für 69,99 Euro.

Vor wenigen Jahren durften Eltern in einem schwedischen Möbelhaus ihren Nachwuchs im Bällebad versenken und sich ordentlich mit Topfpflanzen, Teelichtern und Gutvik-Möbeln eindecken. Da nun der analoge Einkauf stark zurückgegangen ist und Mann wie Frau eher am heimischen PC die großen Einkäufe tätigen, dürfen sie sich das Bällebad gleich ins unfertige, weil mittlerweile zu teuer gewordene Eigenheim holen. Die Firma Play Factory stellt einen übergroßen Fressnapf mit 120 Bällen zur Verfügung. Einfach den Nachwuchs ab sechs Monaten zwischenlagern und erst, wenn die Windel voll ist, wieder darum kümmern.

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