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Aus: Rosa & Karl, Beilage der jW vom 11.01.2025
Granma

Eine Zeitung für die Revolution

Die Granma, Zentralorgan der Kommunistischen Partei Kubas, arbeitet auch im 60. Jahr ihres Bestehens im Dienste des kubanischen Volkes
Von Annuschka Eckhardt und David Maiwald, Havanna
Der Druck der Granma erfolgt an drei Standorten, der Vertrieb funktioniert bis in den letzten Winkel der Insel
Auf der »Granma« getauften Yacht setzten die Revolutionäre der »Bewegung des 26. Juli« im jahr 1956 von Mexiko nach Kuba über

Berlin unter der roten Fahne. ­Polizeipräsidium gestürmt. – 650 Gefangene befreit. – Rote Fahnen am Rathaus. Die Redaktion des Berliner Lokal-Anzeigers ist von Vertretern des revolutionären Volkes (Spartakus-Gruppe) besetzt. Die Redaktionsführung ist damit an die ­Leitung der Genossen übergegangen.

Die erste Ausgabe von Die rote Fahne erschien am 9. November 1918, zunächst als Zentralorgan des Spartakusbundes. Nach Konstituierung der Kommunistischen Partei Deutschlands Ende Dezember war Die rote Fahne mit Ausgabe vom 1. Januar 1919 dann Zentralorgan der KPD. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht nannte die revolutionäre Parteizeitung zunächst als ihre Schriftleiter. Nach deren Entführung und Ermordung führte die Zeitung die beiden ab Februar 1919 als ihre Gründer auf.

46 Jahre nach der niedergeschlagenen Revolution in Deutschland, sechs Jahre nach dem erfolgreichen Sturz der bürgerlichen Regierung, stellte die Kommunistische Partei Kubas (PCC) im Oktober 1965 in Havanna zusammen mit dem Zentralkomitee auch ihr Zentralorgan Granma vor.

Der staubige Schotterweg in Buenaventura führt an einem mit dunklem Bretterzaun umgebenen Grundstück vorbei, kurz bevor er in den Mangrovenwald des Naturparks Ciénaga de Zapata in der kubanischen Provinz Matanzas abbiegt. Die Luft ist Anfang Dezember warm und drückend feucht, Moskitos summen penetrant. Im nahegelegenen Örtchen Playa Larga in der Schweinebucht lassen sich die wenigen Touristen die Nachmittagssonne ins Gesicht brennen – Winter auf Kuba. Hinter einem Strauch mit leuchtend roten Hibiskusblüten wiegt ein Mann im Schatten der wellblechüberdachten Veranda auf einem Schaukelstuhl gemütlich vor und zurück. Eine Brille ziert sein faltiges Gesicht, sein Blick fährt langsam über die Seiten der bunt bedruckten Zeitung, die er auf seinem Schoß geöffnet hält. Auf dem Titelblatt ist Revolutionsführer Fidel Castro Ruz zu sehen, einige Tage zuvor hatte das Land Castros an seinem achten Todestag gedacht.

Mehr als 200 Kilometer von der Schweinebucht entfernt, wo einst die US-amerikanischen Söldner Kuba angriffen, befindet sich der Platz der Revolution in der Hauptstadt Havanna. Die Konterfeis der Kommandeure Ernesto Che Guevara und Camilo Cienfuegos blicken auf ein Monument für Nationaldichter José Martí, das sich gegenüber vom kubanischen Innen- und Informationsministerium pfeilartig in den blauen Himmel streckt. Fußläufig entfernt und von Palmen umrahmt steht das weiße Hochhaus, bewacht von Soldaten. Hier entsteht die Zeitung Granma im 60. Jahr ihrer Erscheinung unermüdlich – an sechs Tagen in der Woche.

Eine anspruchsvolle Aufgabe

Der geschäftsführende Direktor, Dilbert Reyes Rodríguez, hat extra seinen Urlaub unterbrochen, um die kleine junge Welt-Delegation in der Granma-Redaktion zu empfangen. Nun sitzt er neben seinem Stellvertreter Oscar Sanchéz Serra auf der dunklen Ledercouch und nippt an einem Kaffee. Hinter den beiden hängt ein großes Porträt vom jungen Che Guevara auf roter Leinwand. Auf der Kommode davor stehen gerahmte Fotos – eines zeigt Fidel Castro zusammen mit Hugo Chávez, daneben eine kleine Metallbüste von Lenin und eine weitere von José Martí.

Die Granma ist benannt nach der berühmten Yacht, mit der Fidel Castro, Ernesto Che Guevara und weitere Revolutionäre im Jahr 1956 von Mexiko nach Kuba übersetzten. Die Zeitung war das Ergebnis eines Zusammenschlusses von Periódico Hoy, dem Organ der Sozialistischen Volkspartei, und Periódico Revolución, der Bewegung des 26. Juli. Sie wurde am 3. Oktober 1965 gegründet, einem wichtigen Datum in der Geschichte der kubanischen Revolution. Im direkt am Meer gelegenen Theater »Karl Marx« im pittoresken Viertel Miramar in Havanna stellte Fidel Castro die Mitglieder des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas (Partido Comunista de Cuba, PCC) vor. Vor vollen Rängen wurde seinerzeit der Name der Vereinigten Partei der Sozialistischen Revolution in Kommunistische Partei Kubas geändert. Eine der ersten Entscheidungen des ZK war die Gründung der Granma als offizielles Organ. Schon einen Tag später, am 4. Oktober 1965, erschien ihre erste Ausgabe.

Reyes Rodríguez deutet auf einen hellen Ledersessel am anderen Ende des Chefbüros. »Fidel kam viele Jahre täglich her – er schlief immer sehr spät. Er beendete seinen Tag hier, bevor er gegen zwei oder drei Uhr morgens nach Hause ging, um sich auszuruhen«, erzählt er. Castro wäre selbst gerne Chef der Granma gewesen und hätte »nicht einen Augenblick daran Zweifel gehabt«, zitiert eine Tafel in den Fluren der Redaktion den mittlerweile Verstorbenen. Für Reyes Rodriguez hat das eine besondere Bedeutung: »Fidel ist hier noch immer spürbar, er begleitet uns täglich«, sagt er. Das gilt auch weiterhin für große Teile der kubanischen Bevölkerung. Auch acht Jahre nach seinem Tod ziert der Commandante en Jefe daher noch immer häufig das Titelblatt der Granma.

Wegen der wirtschaftlichen Probleme des Landes – ausgelöst durch die mehr als 60 Jahre andauernde US-Blockade – wurde die Auflage mittlerweile um eine halbe Million verringert, »um die täglich erscheinende Ausgabe zu schützen«, erklärt Reyes Rodríguez. Nun erhalten täglich mehr als 292.000 kubanische Haushalte die Granma. Dadurch sei die Zeitung auf der Straße nur noch selten erhältlich; nahezu alle gedruckten Ausgaben gingen an die Abonnenten. Neben dem Druckstandort in der Hauptstadt Havanna verfügt die Granma über zwei weitere, in der Region Villa Clara im Zentrum des Landes, sowie in Holguín, einer Region im Osten der Insel. Die Verbreitung der gedruckten Zeitung erzeuge hohe Kosten, werde aber unterstützt.

Während Printprodukte in Europa auch durch steigende Papierpreise in Bedrängnis gerieten, sorge das kubanische Innenministerium für die Versorgung der Druckereien mit Papier für die Zeitungsproduktion. So gelinge es jeden Tag, »auch in den entferntesten Ort auf unserer Insel eine Tageszeitung zu liefern«, erklärt Reyes Rodríguez stolz. Doch auch in Kuba verändern sich die Lesegewohnheiten, besonders jene der jüngeren Generation, die eher auf soziale Medien und das Internet zurückgreift. Die Granma nehme auch diese Veränderung wahr und arbeite an einer Lösung, erklärt er.

Internationale Leserschaft

Die Leiterin der Granma Internacional, Arlin Alberty Loforte, führt in die Büros der verschiedenen Ländersektionen. »Wir warten noch darauf, dass die neuen chinesischen Computer angebracht und installiert werden«, sagt sie mit entschuldigendem Blick auf die alten Rechner und Röhrenbildschirme. Viele der Redakteurinnen und Redakteure arbeiten an eigenen Laptops, bis die Umstrukturierung erfolgt ist. Problematischer als die veraltete Hardware sind die Stromsperren, Stromausfälle und Naturkatastrophen. »Die Granma Internacional erscheint auf spanisch, englisch, französisch, deutsch, italienisch und portugiesisch«, erklärt die 39jährige Chefredakteurin. »Es ist spannend, mit diesem internationalen Team zu arbeiten, ich freue mich, wenn ich die Kollegen in der Redaktion sehe – und sie nicht im Homeoffice arbeiten«, grinst sie und legt ihren Arm um den locker zwei Köpfe größeren Ulrich Fausten aus der deutschsprachigen Sektion.

Wegen des Treibstoffmangels hatte der kubanische Präsident Diaz-Canel angeordnet, dass Beschäftigte, denen es möglich ist, vermehrt von zu Hause aus arbeiten sollten. In Havanna fahren nicht mehr viele Busse, der Weg zur Arbeit wird somit beschwerlich oder teuer. Das macht sich auch in der Redaktion der Granma bemerkbar: »Sofern die Internetverbindung stabil ist und die Stromsperren mit eingeplant werden, funktioniert die Kommunikation ganz gut – in diesen schwierigen Zeiten müssen wir zusammenhalten«, erklärt Fausten lächelnd.

Zwischen den Redaktionsräumen, im Flur neben dem Leitungsbüro, hängt eine Tafel, auf der die Titelseite des PCC-Organs an ihrem ersten Erscheinungstag zu sehen ist. »Es gibt kein Opfer, keinen Kampf und keine Heldentat, die nicht im Zentralkomitee vertreten sind«, zitiert die Schlagzeile Fidel Castro. Ein Foto zeigt den Commandante en Jefe, wie er am Rednerpult die Namen der ZK-Vorsitzenden verkündet. Auf dem Gründungsparteitag hatte Castro zudem den Abschiedsbrief seines Mitkämpfers und Freundes Ernesto Che Guevara verlesen, der seine Pflicht für die Kubanische Revolution erfüllt sah und sich aufmachte in »andere Gegenden der Welt, die Unterstützung meiner bescheidenen Kräfte verlangen«.

Veränderte Bedingungen

Vor rund neun Jahren habe die Granma zuletzt eine Erhebung zu ihrem Leserkreis durchgeführt, erklärt der stellvertretende Direktor der Zeitung, Oscar Sanchéz Serra. Damals habe man bereits festgestellt, dass mehr als 60 Prozent der Leserinnen und Leser über 60 Jahre alt waren. Die Granma verfüge zwar über eine langjährige und loyale Leserschaft, »aber es zeigt sich, dass die digitalen Netzwerke der Weg in die Zukunft sind«, erklärt er. In den vergangenen fünf Jahren sei die Entwicklung und Nachfrage der digitalen Angebote enorm gewachsen. Mittlerweile folgten der Zeitung auf Facebook mehr als eine halbe Million Menschen, im Kurznachrichtenportal X seien es nun mehr als 300.000 Follower. »Es ist wichtig, unsere Präsenz dort auszubauen und an die spezifischen Anforderungen anzupassen: Uns ist dabei bewusst, dass die sozialen Netzwerke ihre eigene Logik und ihre eigene Sprache haben.«

Es bleibt eine große Aufgabe. Schwierig auch, diese Anforderungen auf die gedruckte Granma zu übertragen. Mit vielen Bildern und knapperen Texten könne auch viel und tief erzählt werden, findet Dilbert Reyes Rodríguez. Nicken in der Runde. Die Website und andere Kanäle werden mit Videos und Fotos aktualisiert. Es seien vor allem die jüngeren Journalisten, die Videos und Podcasts produzieren, die sozialen Netzwerke bespielen »und alles auf dem neuesten Stand halten«, lacht Dilbert. »Wir arbeiten jeden Tag daran, die Granma besser zu machen – den Schlüssel dazu haben wir bereits.«

Auch auf Kuba ist die Entwicklung der Medienwelt ebenso eine Frage des Generationenwechsels, so scheint es. »Junge Leute sind mit den sozialen Medien aufgewachsen und kennen deren Dynamiken, aber auch die Gefahren«, so Reyes Rodríguez. Denn wie dort Falschinformationen verbreitet werden, zeigte im vergangenen Jahr beispielhaft etwa das Social-Media-Team der deutschen Botschaft in Havanna, passenderweise zum Tag der Pressefreiheit. »Sie postete einen Beitrag mit einer verunstalteten Titelseite der Granma, die Proteste gegen den andauernden Krieg in Gaza gezeigt hatte, und schrieb dazu ›Hier gibt es nicht viel zu sehen‹«, empört sich Reyes Rodríguez. »Sie haben wohl gedacht, dass die Nachricht in den entsprechenden feindlichen Kanälen weitergereicht wird.« Er selbst reagierte mit einem Artikel, in dem er die unsägliche Rolle der Bundesregierung bei der Unterdrückung von Protesten gegen den Genozid in Palästina anprangerte. »Die deutsche Regierung beweist einen besonders eigentümlichen Blick auf die Pressefreiheit: Während sie uns Zensur vorwerfen wollen, haben sie den Palästina-Kongress in Berlin verboten und Gesetze gegen propalästinensische Posts im Internet erlassen – das ist doch wohl Zensur!«

In Kuba ist man die andauernden Angriffe, besonders der USA, gewöhnt. »Wir sind einem ungeheuren Krieg ausgesetzt, der uns auch auf der Ebene der Kommunikation betrifft«, erklärt Reyes Rodríguez. Die Blockade der USA versuche das Denken der Bevölkerung zu verändern, mache zuerst die kubanische Regierung für wirtschaftliche Probleme des Landes verantwortlich. »Trotz dieses Kriegs gibt es noch eine Mehrheit, die sich der Verteidigung des Landes und der Revolution verpflichtet fühlen«. Doch durch die Angriffe sei es umso wichtiger, gut zu berichten, erklärt der Granma-Chef. »Wir bestehen darauf, weiterhin gute Geschichten zu erzählen, die Geschichte der aktuellen Verhältnisse, der Schwierigkeiten, der Probleme.«

Auch die Beobachtung der jungen Welt durch den deutschen Verfassungsschutz sei ein solcher Angriff, der die Tageszeitung verunglimpfen und schädigen wolle, befindet die Runde. Die vom BRD-Inlandsgeheimdienst als Begründung für Überwachung herangezogenen »Beweise« für den Vorwurf, »verfassungsfeindlich« zu sein, sorgen für ungläubiges Kopfschütteln. Der Richter hatte in der Klage des Verlags 8. Mai, in dem die jW erscheint, erklärt, sie sei marxistisch-leninistisch, und das reiche an sich schon als Beweis für die Vorwürfe aus.

Solidarität gegen Repression

Die deutschsprachige Granma Internacional wird vom Verlag 8. Mai sowohl in Deutschland als auch in Österreich und der Schweiz sowie nach Luxemburg, in die Niederlande, Belgien und Großbritannien vertrieben. Sie fasst auf 16 Seiten aktuelle Berichte aus Kuba zusammen, die den Ausgaben der kubanischen Tagesausgabe entnommen und einmal im Monat übersetzt verfügbar gemacht werden. Schon seit acht Jahren wird sie in Berlin gedruckt und ist daher schon wenige Tage nach Druckschluss der Hauptstadtredaktion in Havanna für Leserinnen und Leser, zum Teil mehr als 8.000 Kilometer entfernt, verfügbar.

»Mit der jungen Welt hat die deutschsprachige Ausgabe der Granma Internacional das große Los gezogen«, freut sich Ulrich Fausten aus der internationalen Redaktion zum Abschluss des Redaktionsbesuchs. »Unserem kleinen Team hier in Havanna« sei es »eine Ehre, mit ihr zusammenzuarbeiten«. Mit Hilfe der jW sei die deutsche Sektion der Zeitung professionell geworden. Es habe zuvor häufig Probleme mit dem Druck, mit der Qualität des Printprodukts gegeben. Auch die Zustellung sei unzuverlässig gewesen. »Das gehört jetzt aber der Vergangenheit an.« Faustens weißer Schnurrbart zittert vergnügt. Von der Leitung der Granma werde die deutsche Abteilung immer als Vorbild herausgestellt.

Die Wertschätzung durch die kubanische Redaktion sei »völlig angemessen«, bekräftigt Fausten dann noch einmal im Januar per Textnachricht. »Man ist sich hier sehr wohl bewusst, welche Arbeit die jW investiert, um die deutsche Ausgabe der Granma und die Stimme Kubas zu verbreiten.« Das gelte auch für das Engagement der marxistischen Tageszeitung bei internationalen Kampagnen wie »Unblock Cuba!«. Die Rolle in der Solidaritätsarbeit könne nicht hoch genug bewertet werden, erklärt Fausten. »Als ein vom Imperium blockiertes, angefeindetes Land wissen wir das.«

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