Bigos
Von Maxi WunderDoris ist nervös. Udo soll ihr ein Tablet einrichten, ihr Neffe kommt aus Portugal zu Besuch. »Kann der Bengel nicht seinen eigenen Apparat mitbringen?« Udo fühlt sich überfordert. »Willkommen in Feutschland, Delipe!« tippt er mit einer Umsonsttextverarbeitungssoftware, die er zwölfmal runtergeladen hat. Die enge Nachbarschaft der vielen Buchstaben auf der Bildschirmtastatur macht ihm zu schaffen. »Jetzt schreib’ doch bitte richtig! Oh weh! Was soll das Kind nur von mir denken?« Doris ist am Ende. Sie hatte ihrer Schwester in Lissabon, die ebenfalls am Ende ist, versprochen, deren Sohnemann beim Verfassen seiner Bachelorarbeit zum Thema »Geistergeschichten im England des ausgehenden 18. Jahrhunderts« zwanglos tantenhaft zur Seite zu stehen. Es geht darum, dass der Junge sich ohne elterlichen Erwartungsdruck endlich dem Abschluss seines Studiums widmet, im fernen Deutschland – so die Hoffnung. Leider war Felipe nicht dazu zu bewegen, sein eigenes Gerät einzupacken, aus Angst, dass es ihm auf der Reise geklaut wird. »Der hat doch ’ne Macke«, meint Rossi. »Allein das Thema!«
»Das kannst du halten wie ein Fachfecker«, findet Udo. »Es ist leider so: Tippe ich ein d, kommt ein f und umgekehrt. So eine Mistsoftware, duck!« Das war das Stichwort. »Wenn Felipe nicht dreimal pro Minute ›fuck‹ sagen kann, ist er nicht lebensfähig«, jammert Doris. »Wisst ihr, er nennt seine Freunde ›Digger‹, und die schreiben sich ja heutzutage fast nur noch mit Whats-App.« – »Ey was geht, Figger?« probiert Udo auf dem Tablet. »Klingt noch verdorbener als Digger, oder?« meint er stolz. »Für so was benutzt der doch sein Smartphone«, kommentiert Rossi und schnippelt Knoblauchwurst.
Felipe hat sich zur Begrüßung ein Essen mit Sauerkraut gewünscht, »was typisch deutsches«, wie er glaubt. Wir haben geschummelt und wie immer Mitte Januar zu Ehren von Rosa Luxemburg etwas typisch polnisches gekocht:
Bigos
Sechs Zwiebeln schälen und fein hacken. Zwei rote Paprikaschoten putzen und in Streifen schneiden. 500 g Weißkohl putzen, vierteln, Strunk entfernen und in feine Streifen schneiden. 400 g durchwachsenes Rindfleisch von Sehnen befreien und 400 g Kassler in mundgerechte Stücke schneiden, ebenso Wurst in Räder bzw. Stücke schneiden. Öl in einem Topf erhitzen und das Fleisch darin von allen Seiten anbraten, dann Wurst und Zwiebelstücke hinzufügen, zuletzt die Paprikastreifen. Salzen. Einen TL schwarze Pfefferkörner, einen TL Wacholderbeeren sowie ein Lorbeerblatt einrühren und mitschmoren lassen. 800 g Sauerkraut und die Weißkohlstreifen dazugeben, außerdem 75 g Tomatenmark. Das Ganze mit 500 ml Fleischbrühe ablöschen. Für ca. zwei Stunden bei niedriger Temperatur schmoren lassen, bis das Fleisch gar ist, dabei von Zeit zu Zeit gut durchrühren und etwas Brühe nachgießen. Vor dem Servieren mit Paprikapulver und Salz abschmecken. Als Beilage Kartoffeln reichen.
Rossi wäscht sich die zierlichen Hände und tippt einwandfrei: »Futtern wie in der DDR.« Feierlich ergreift sie Udos ehrliche Arbeiterpranke. »Leute, wir hatten kein Software-, wir hatten ein Wurstfingerproblem.«
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