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04.11.2010, 20:39:59 / Castorproteste 2010

Protestwelle erwartet

Von Reimar Paul
Berittene Polizei
Berittene Polizei eskortierte eine »Schatzsuche« von zweihundert Atomkraftgegnern am Sonntag entlang der Castorstrecke zwischen Leitstade und Oldendorf

Castortransport: Atomgegner kündigen Massenaktionen zivilen Ungehorsams an. Polizei befürchtet Verkehrschaos bei Großdemo am Sonnabend


Es gibt wohl kein Zurück mehr. Die letzten der elf Castorbehälter mit hochradioaktivem Atommüll haben die Wiederaufarbeitungsanlage im nordfranzösischen La Hague verlassen und sind im Bahnhof Valognes auf Waggons verladen worden. Am heutigen Freitag nachmittag soll der Zug zu seiner tausend Kilometer langen Fahrt ins Wendland starten.

»Alle Appelle an die Politik, diesen Transport abzusagen, sind verhallt«, beklagt die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI). »So wird nach Stuttgart nun auch Gorleben folgen, und die Polizei muß austragen, daß die Bundesregierung sich vor den Karren der Atomwirtschaft hat spannen lassen.« Gleichwohl, so BI-Sprecher Wolfgang Ehmke in einer Art letztem Aufruf, sei »eine Absage des Transports immer noch möglich«.

Glauben mögen die Atomkraftgegner daran aber nicht. Sie bereiten sich weiter auf die Großdemonstration am Samstag und viele andere Aktionen vor. Bereits heute morgen wollen in Lüchow die Schülerinnen und Schüler gegen den Castortransport auf die Straße gehen. Ihr Motto: »Je länger eure Laufzeit, desto größer unser Zorn!« Weitere Demonstrationen waren für den Abend in Uelzen und Lüneburg angekündigt.

In Gedelitz bei Gorleben hat »X-tausendmal quer« damit begonnen, ein Camp zu errichten. Die Initiative hat eine große Sitzblockade auf der Zufahrtsstraße zum Zwischenlager angekündigt. Etwa 1700 Menschen haben bis gestern im Internet erklärt, sie würden sich daran beteiligen.


»Die Resonanz ist überwältigend«, sagte Luise Neumann-Cosel, die Sprecherin von »X-tausendmal quer«. Sie erwartet, daß Tausende auch ohne vorherige Ankündigung an der Abriegelung teilnehmen werden. »Sie sind nicht nur bereit, viele Stunden auf der Straße zu sitzen, sondern lassen sich auch von eventuellen rechtlichen Folgen nicht abschrecken.«

Die wendländische Gruppe »Widersetzen« will am Sonntag mit einer großen Sitzblockade auf den Schienen in das Protestgeschehen eingreifen. »Hunderte und vielleicht Tausende werden sich auf den Castorgleisen niederlassen, friedlich und entschlossen, und die Schienen freiwillig nicht wieder verlassen«, war Sprecher Jens Magerl überzeugt. Einige Teilnehmer wollen sich auch aneinanderketten.

»Unsere Aktion ist eine Sitzblockade, dabei werden wir nicht schottern«, stellt Magerl klar. Allerdings verbinde »Widersetzen« mit den Schotterern »eine freundliche Nachbarschaft«. »Schottern ist einfach eine andere Aktionsform, die einen anderen Personenkreis anspricht.« »Widersetzen« wende sich »entschieden gegen die Kriminalisierungsversuche dieser Form des zivilen Ungehorsams«. Letzterer sei eine »Notfallmedizin für die Demokratie. Und noch besteht Hoffnung, die Patientin zu retten.«

Für die Kundgebung am Samstag befürchten Atomkraftgegner und Polizei unterdessen ein Verkehrschaos. Jochen Stay, Sprecher von ».ausgestrahlt«, glaubt, »daß die Demonstration gegen den Castortransport so groß wird, daß gar nicht alle ankommen«. Viele Menschen würden das Kundgebungsgelände womöglich nicht erreichen, sondern unterwegs im Stau steckenbleiben. Auch der Gesamteinsatzleiter der Polizei, Friedrich Niehörster, hält größere Verkehrprobleme für wahrscheinlich. »Es wird schwierig sein, sich im Wendland flüssig zu bewegen«, lautet seine Prognose.

Mindestens 30000 Menschen, wahrscheinlich viel mehr, wollen am Sonnabend auf einem Acker bei Dannenberg gegen Castortransporte und Atomkraft protestieren. Die Demonstranten reisen in rund 300 Bussen und mindestens 6000 Autos an. Um wenigstens das ganz große Durcheinander auf den Straßen zu vermeiden, haben Atomkraftgegner und Polizei gemeinsam ein Verkehrskonzept ausgeklügelt. In und um Dannenberg wurden tausende Parkplätze für Pkw organisiert. Fußgänger, Autos und Trecker sollen möglichst auf getrennten Wegen zum Kundgebungsort gelangen. Auch von den Atommüllstandorten Asse und Schacht Konrad sowie aus dem Kreis Göttingen werden Traktorenkonvois erwartet.

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