Millionen für Maduro
Von André Scheer, CaracasWahlkampfabschluß in Venezuela: Präsidentschaftskandidat der Linken informiert über Festnahme von Paramilitärs und ruft zu Wachsamkeit auf.
Vor mehreren Millionen Teilnehmern einer Großkundgebung zum Wahlkampfabschluß im Zentrum der venezolanischen Hauptstadt Caracas hat der geschäftsführende Präsident des Landes, Nicolás Maduro, am Donnerstag über die Verhaftung mehrerer Paramilitärs informiert. Diese Terroristen seien aus Kolumbien in Venezuela eingesickert und mit Uniformen der venezolanischen Streitkräfte und Waffen ausgerüstet worden. Ihre Aufgabe sei es gewesen, mit Anschlägen die Lage im Land zu destabilisieren, so Maduro. Nähere Details sollten bei einer Pressekonferenz am Freitag bekanntgegeben werden.
Der Tag hatte in Caracas heiß begonnen. Die Temperaturen stiegen weit über 30 Grad, die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel. Doch auch politisch war das Klima schon vor den Enthüllungen Maduros aufgeheizt. Am 11. April jährte sich zum elften Mal der Putschversuch der rechten Opposition gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Hugo Chávez 2002, der innerhalb von 47 Stunden durch einen Volksaufstand niedergeschlagen werden konnte. Am Donnerstag endete jedoch auch offiziell der Wahlkampf um das Präsidentenamt Venezuelas.
Der Kandidat des Regierungslagers, Nicolás Maduro, hatte seine Anhänger dazu aufgerufen, nicht weniger als sieben große Avenidas im Zentrum der Hauptstadt zu füllen. Drei Millionen Menschen sollten so eine Antwort auf die Abschlußkundgebung des Oppositionskandidaten Henrique Capriles Radonski geben, der am vergangenen Sonntag mehrere hunderttausend Menschen auf die Avenida Bolívar mobilisieren konnte.
Am Donnerstag war diese sechsspurige Hauptverkehrsstraße schon in den frühen Morgenstunden mit Menschen gefüllt, obwohl die Kundgebung offiziell erst um 14 Uhr beginnen sollte. Die ersten Teilnehmer hatten sich schon mitten in der Nacht dort eingefunden, um sich einen Platz in unmittelbarer Nähe der Hauptbühne zu sichern. Andere trafen sich am Vormittag in ihren Stadtvierteln, um gemeinsam in das Stadtzentrum zu ziehen. So trafen wir gegen 11 Uhr auf der Sabana Grande, einer Einkaufsstraße im Westen von Caracas, auf mehrere hundert Jugendliche, die einen Demonstrationszug gebildet hatten und sich lautstark auf den stundenlangen Weg zur Avenida Bolívar machten. Zum gleichen Zeitpunkt waren die Metrozüge bereits überfüllt mit Menschen, die mit ihren roten T-Shirts leicht als Chavistas, als Anhänger des am 5. März verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez und dessen Nachfolger Nicolás Maduro, zu erkennen waren. Nach vierzehn Uhr war es dann nicht mehr möglich einen Fuß auf die gut zwei Kilometer lange, sechsspurige Avenida Bolívar zu setzen, wenn man noch nicht auf ihr stand. Sie war schlichtweg voll.
Es herrschte Volksfeststimmung. Fahnen der linken Parteien wehten, auf Transparenten präsentierten sich Berufsgruppen und Gewerkschaften, bunte Luftballons stiegen in die Luft. Viele Eltern hatten ihre Kinder mitgebracht. Bei diesen sind die Wahlen auch beliebt, weil sie immer ein paar schulfreie Tage mit sich bringen. Der Nationale Wahlrat (CNE) nutzt die Gebäude der Bildungseinrichtungen, um dort die Wahllokale einzurichten.
Von zahlreichen Bühnen auf den sieben Avenidas spielten Bands, lief Musik und wurden Reden gehalten. Auch auf der Hauptbühne lösten bekannte Sängerinnen und Sänger einander ab. Einen kurzen Auftritt hatte Fußball-Legende Diego Armando Maradona. Er schoß den Menschen Fußbälle zu, die er zuvor unterschrieben hatte. Einen der Bälle köpfte auch Nicolás Maduro ins Publikum. Für die Teilnehmer der Kundgebung hatte die Präsenz Maradonas, der sich schon vor Jahren als Bewunderer von Hugo Chávez geoutet hatte, symbolische Bedeutung – stimmt doch Maradonas legendäre Rückennummer 10 mit dem Wahlziel der Chavistas überein, die Abstimmung am Sonntag mit zehn Millionen Stimmen zu gewinnen.
Immer wieder eingespielt wurde auch die Stimme von Hugo Chávez, besonders die Worte aus seiner letzten öffentlichen Ansprache vom 8. Dezember letzten Jahres in der er dazu aufrief, Nicolás Maduro zu wählen, wenn er aus dem Amt ausscheiden müsse. Dieser war auf dem Dach eines Busses durch die Menge auf den sieben Avenidas gefahren, begeistert gefeiert von Millionen Menschen. Als er schließlich gegen 19 Uhr die Hauptbühne erreichte, war die Sonne längst untergegangen. Große Scheinwerfer erleuchteten die Szenerie, Feuerwerk begeisterte die Massen.
Vor dem Hintergrund der Festnahme der Paramilitärs sowie Drohungen der Opposition, die Ergebnisse der Wahl nicht anzuerkennen, rief Maduro seine Anhänger zu höchster Wachsamkeit auf. Soldaten, Arbeiter und Jugendliche müßten gemeinsam verhindern, daß die radikale Opposition Auseinandersetzungen provozieren könne: »Ich will keine Gewalt der Rechten gegen das Volk mehr!«
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