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12.04.2013, 22:25:02 / Entscheidung in Venezuela

Klassenkampf um Klopapier

Von Claudia Schröppel, Caracas
Alternative Einkaufsmöglichkeiten: Abastos Bicentenario
Alternative Einkaufsmöglichkeiten: Abastos Bicentenario

Ein Hauptthema des Wahlkampfes von Oppositionskandidat Henrique Capriles Radonski war die angebliche Warenknappheit in den Geschäften Venezuelas. Er schlug den ihm nahestehenden Künstlern bei einer Kundgebung sogar vor, ein neues Lied zu verfassen: »No hay« – »Ham wa nich’«, »Gibt’s ned«

Aktuell gilt Klopapier als extrem knappes Gut, vor wenigen Tagen waren es noch weißer Zucker und Maismehl.

Doch merkwürdigerweise betrifft der Mangel normalerweise nur einzelne Waren. Klopapier ist rar, aber alle anderen Hyieneartikel sind ebenso zu haben wie alles andere, was aus Papier hergestellt wird: Windeln, Servietten und Damenbinden, Zeitungen und Schulhefte gibt es in Massen.

Für die Regierung ist das Fehlen einzelner Waren die Folge eines klaren Boykott-Gebarens der privaten Warenlieferanten und Ladenketten. In der staatlichen Supermarktkette »Abastos Bicentenario« ist von einem solchen Mangel nichts zu spüren. Die Regale sind voll mit Toilettenpapier.

»Nehmt euch viel Zeit mit, wenn ihr dorthin geht, und nehmt euch danach nichts vor«, riet uns eine Einwohnerin. In der Tat gleicht ein Besuch in diesem Supermarkt einem ganztägigem Familienausflug. So stellt sich halt das eine Familienmitglied schon mit dem Wagen in die kilometerlange Schlange vor der Kasse, während der Rest der Familie durch den riesigen Laden streift und die Sachen zum Einkaufswagen bringt: Flachbildschirme, Kleidung, Klopapier, Frischfleisch, Meeresfrüchte und was das Herz sonst noch begehrt und der familiäre Geldbeutel hergibt. Und das alles zum staatlichen Festpreis, der oft weit unter dem der privaten Supermärkte liegt.

Wir haben heute noch was vor, also verlassen wir unverrichteter Dinge und ohne Klopapier das Einkaufsparadies. Mal sehen, wieviele Papiertaschentücher wir noch haben...

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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