Nächtliche Ruhestörung
Von André Scheer, CaracasIm Osten von Caracas herrscht Lärm. Zahlreiche Anhänger des Oppositionskandidaten Henrique Capriles Radonski sind am Montag abend dessen Aufruf gefolgt, mit einem »Cacerolazo« gegen die angeblich manipulierten Wahlen zu protestieren. Dabei trommeln die braven Bürger auf Töpfe und Pfannen. Manche nehmen auch noch Tröten zu Hilfe.
Diese Protestform entstand im Chile unter Pinochet, als die Menschen auf diese Weise gegen die Armut protestierten. Sie schlugen auf ihre Töpfe, weil sie nichts zu essen haben. Die Oppositionellen in Caracas klopfen auf ihrem Geschirr herum, weil ihnen das Wahlergebnis nicht paßt, obwohl es eines ihrer besten in den vergangenen 14 Jahren gewesen ist.
Zu der Protestaktion hatte rund eine Stunde zuvor der am Sonntag unterlegene Henrique Capriles Radonski aufgerufen. Bei einer Kundgebung vor dem Sitz seines Wahlkampfstabes rief er zudem für die nächsten Tage zu Demonstrationen auf, bei denen die Oppositionellen zu den Wahlbehörden in allen Bundesstaaten ziehen sollen. In Caracas selbst soll eine Großdemonstration stattfinden. Offizielle Forderung der Opposition ist, alle Stimmen der Wahl vom Sonntag erneut auszählen zu lassen.
Regulär werden ohnehin 54 Prozent aller Stimmen überprüft. Das geht auf eine vor Jahren von der Opposition erhobene Forderung zurück, die gedroht hatte, sonst die damaligen Wahlen zu boykottieren. Nun ist es dieselbe Opposition, die diese Überprüfung als nicht ausreichend attackiert.
Venezuelas gewählter Präsident hatte die Überprüfung aller Stimmen bereits am Sonntag abend beantragt. Bei einer zeitgleich zum »Cacerolazo« vom staatlichen Fernsehen VTV übertragenen Pressekonferenz warnte er vor Gewalt und rief seine Anhänger auf, sich nicht provozieren zu lassen. Überall im Land solle in den nächsten Tagen für den Frieden demonstriert werden – und am Freitag soll unter freiem Himmel bei einer Massenkundgebung die Vereidigung des neuen Staatschefs der Bolivarischen Republik Venezuela stattfinden.
Die Chavistas haben in vielen Vierteln der Stadt auf den »Cacerolazo« der Opposition dadurch reagiert, daß sie lautstark revolutionäre Musik aus den Fenstern dröhnen lassen.
Nicht gewaltfrei blieb es in Táchira, Anzoátegui und Barinas. In den ersten beiden Bundesstaaten steckten oppositionelle Terroristen Parteibüros der Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) in Brand. In Barinas gingen einem Bericht der jW-Korrespondentin Modaira Rubio zufolge Fahrzeuge in Flammen auf, die vor einer weiteren PSUV-Zentrale geparkt waren.
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