»Pazifist« oder Putschist?
Von André Scheer, CaracasBei einer Pressekonferenz in Caracas hat der Oppositionskandidat Henrique Capriles Radonski mitgeteilt, daß die für Mittwoch angekündigte Demonstration der Regierungsgegner im Zentrum der Hauptstadt nicht stattfinden wird. Er rief seine Anhänger auf, zu Hause zu bleiben, während sein Wahlkampfstab beim Nationalen Wahlrat (CNE) offiziell die vollständige Überprüfung der Ergebnisse vom vergangenen Sonntag beantragen werde.
Zugleich machte Capriles die Regierung für die gewaltsamen Übergriffe auf kubanische Ärzte, Parteibüros der PSUV und Einrichtungen des CNE verantwortlich. Die Regierung wolle Gewalt, er selbst sei »Pazifist«, behauptete er. Sollte es Oppositionelle geben, die tatsächlich zu gewaltsamen Aktionen griffen, hätten sich diese dadurch aus dem von ihm geführten Projekt ausgeschlossen.
Zugleich rief Capriles dazu auf, auch am Dienstag und Mittwoch abends mit »Cacerolazos« gegen den angeblichen Wahlmanipulationen zu protestieren. Die Aktion am Montag abend, bei der ab 20 Uhr Oppositionelle auf ihrem Kochgeschirr Krach gemacht hatten, sei im ganzen Land zu hören gewesen.
Venezuelas Informationsminister Ernesto Villegas hat auf die Pressekonferenz mit einer Erläuterung des von Capriles einzuschlagenden Weges reagiert, wenn dieser wirklich eine Neuauszählung erreichen wolle. In Facebook schrieb der Journalist: »Capriles, laß es mich dir erklären: Erst einmal mußt du ein verwaltungsrechtliches Dokument erstellen und die Beschwerde beim CNE mit allen Beweisen belegen, die du hast. Anschließend wird der CNE das Dokument und alle Beweise prüfen und entscheiden, ob er dem Antrag auf eine Neuauszählung der Stimmen stattgibt oder nicht. Wenn der CNE feststellt, daß der Antrag unbegründet ist, mußt du dich an die Wahlabteilung des Obersten Gerichtshofes wenden und die Beschwerde auf diesem Weg verfolgen. Das ist die verantwortungsvolle und legale Vorgehensweise – und das weißt du, denn du bist Rechtsanwalt. Capriles, warum hast du es nicht so gemacht?«
Ärger droht Capriles inzwischen im Bundesstaat Miranda, dessen Gouverneur er ist. Wie die Tageszeitung »Correo del Orinoco« berichtet, hat ihn die Gesetzgebende Versammlung, das Regionalparlament, aufgefordert, »innerhalb von 24 Stunden« die Amtsgeschäfte wieder aufzunehmen. Die Beurlaubung für den Präsidentschaftswahlkampf sei am Sonntag abgelaufen.
Sollte sich Carriles an dieses Ultimatum nicht halten, werde das Parlament die »Aufgabe des Amtes« durch Capriles feststellen, warnte die sozialistische Abgeordnete Aurora Morales. Am Mittwoch soll vor dem Regierungssitz von Miranda in Los Teques eine Kundgebung der bolivarischen Bewegung stattfinden, um der Forderung der Parlamentarier Nachdruck zu verleihen.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!