Bisher größte »Free Gaza«-Solidaritätsflottille will israelische Blockade beenden. Ein Gespräch mit Gisela Siebourg
Voraussichtlich am 27.Juni startet erneut eine
»FreeGaza«-Solidaritätsflottille von internationalen Gewässern nahe
Griechenland aus, um die israelische Seeblockade des palästinensischen
Gazastreifens zu durchbrechen. Wer trägt das Unternehmen?
Eine breite Koalition aus Friedensaktivisten, säkularen, christlichen
und muslimischen Gruppen. Die »Free Gaza«-Bewegung existiert seit 2008
und hat bereits neun Fahrten nach Gaza durchgeführt, von denen fünf auch
erfolgreich waren.
Vier waren nicht erfolgreich, insbesondere die
Flottille im vorigen Jahr, deren Schiffe von der israelischen Marine in
internationalen Gewässern geentert wurden. Um die Chancen zu vergrößern,
hat man immer mehr Partnerorganisationen einbezogen, die sich in ihren
Ländern für die Aufhebung der Blockade einsetzen. Das ist das gemeinsame
Ziel, um die Isolation der über 1,5 Millionen Menschen im Gazastreifen
zu durchbrechen, und natürlich, bei dieser Gelegenheit Hilfsgüter zu
liefern.
Warum spricht ein Teil dieser Organisationen bei dieser Fahrt von der »Freedom Flottilla II«?
Frühere Fahrten haben in einem kleineren Rahmen stattgefunden. Die
internationale Koalition hat sich seit 2010 erheblich vergrößert, aber
schon bei der ersten Flottille im Vorjahr waren die meisten
Organisationen dabei. So auch die »Europäische Kampagne zur Aufhebung
der Blockade« und eine schwedisch-griechische Initiative. Eine Reihe von
größeren Organisationen stellt Schiffe bereit, die mit der Flottille
fahren; die kleineren schließen sich zusammen und beteiligen sich mit
einem gemeinsamen Schiff.
Die türkisch-muslimische
Hilfsorganisation IHH mit der Fähre »Mavi Marmara« wird dieses Mal nicht
teilnehmen. Welche Bedeutung hat das?
Der Grund sind
wohl die politischen Spannungen im östlichen Mittelmeerraum; die Türkei
will jetzt keine weiteren diplomatischen Komplikationen. Voraussichtlich
wird dies aber mit zehn Schiffen trotzdem die bisher größte
Solidaritätsflottille.
Welche Rolle spielen dabei jüdische oder israelische Friedensaktivisten?
Vor allem EJJP, die »Europäischen Juden für einen gerechten Frieden«,
sind stark beteiligt, aber auch jüdische Organisationen aus den USA und
Kanada. Sie sind Bündnispartner in den
Palästina-Solidaritätskoordinationen der jeweiligen Länder, deshalb
tauchen ihre Namen nicht immer als eigenständige Partner im
internationalen Lenkungsausschuß der Flottille auf.
Beim
vorigen Schiffskonvoi dieser Art hat es neun Tote auf seiten der
Palästina-Solidaritätsbewegung gegeben, als die israelische Marine
angriff. Wie soll eine solche Eskalation dieses Mal vermieden werden?
Die Organisatoren wollen gewaltfrei agieren und alle Mitreisenden
verpflichten sich schriftlich dazu. Zudem haben sie ihre Regierungen
aufgefordert, auch auf Israel dahingehend einzuwirken, daß die Schiffe
nicht mit Gewalt aufgehalten werden. Eine absolute Garantie gibt es
leider nicht. Dessen sind sich die Mitreisenden bewußt.
Wer
trifft Entscheidungen für die Flottille, wenn sie von der israelischen
Marine aufgefordert wird, umzukehren oder einen israelischen Hafen
anzulaufen?
Der Lenkungsausschuß wird sich schon vorher
darüber einigen. Im allerletzten Moment ist aber jeder einzelne Kapitän
gefordert, die Entscheidung zu treffen, weil der nun mal für sein Schiff
verantwortlich ist. Aber man muß wohl damit rechnen, daß die
israelische Marine ihnen diese Entscheidung abnehmen wird und die
Schiffe in einen israelischen Hafen umleitet.
Das Auswärtige
Amt und diverse Kritiker der »FreeGaza«-Bewegung verweisen darauf, daß
es andere Wege gibt, Hilfsgüter zu den Palästinensern zu bringen. Die
israelische Seite würde sie in diesem Fall entgegennehmen und verteilen.
Wo liegt dabei das Problem?
Abgesehen davon, daß es
nicht nur um die Hilfsgüter geht, sondern um eine Grundsatzentscheidung
für das Ende der Blockade, haben wir die Erfahrung gemacht, daß man
solchen Zusagen von israelischer Seite nicht hundertprozentig glauben
kann. Nachdem die letzte Flottille gewaltsam gestoppt worden war,
gelangten die Hilfsgüter in israelische Hand. Sie sind zwar zum größten
Teil von israelischen Organisationen und der UNO nach Gaza eingeführt
worden, aber zum Beispiel fehlten die Batterien der Rollstühle für
Kriegsverletzte, die in großer Zahl auf den Schiffen transportiert
worden waren. Sie waren somit leider unbrauchbar.