Als Gruppe auftreten
Von Von Peter WolterMal was Persönliches: So allmählich komme ich an die Grenze meiner Konzentrationsfähigkeit. Die Gruppe von etwa 45 Personen, die auf dem kanadischen Schiff »Tahrir« an der internationalen Hilfsflotte nach Gaza teilnehmen wird, besteht aus Kanadiern, Belgiern, Dänen und Australiern – ich bin der einzige Deutsche. Umgangssprache ist Englisch – was für mich eigentlich kein Problem sein sollte, da ich in einem früheren Leben acht Jahre lang für eine britische Nachrichtenagentur gearbeitet habe.
Ist aber doch ein Problem. Erstens habe ich seit vielen Jahren kaum Englisch gesprochen. Das britische Englisch, meine ich – nicht das amerikanische, nicht das kanadische, nicht das australische. Letzteres verstehen oft sogar die Kanadier nicht- für die wird es dann ins Französische übersetzt. Das hilft dann auch den Belgiern weiter, die sich untereinander auch mal gerne auf Flämisch verständigen. Nach acht Stunden Schulung, Rollenspielen und Diskussionen habe ich buchstäblich Muskelkater im Gehirn.
Heute abend haben wir drei Tage intensiver Vorbereitung in einer griechischen Hafenstadt hinter uns. Hauptsächlich ging es darum, wie wir uns bei der zu erwartenden Kaperung durch die israelische Marine verhalten. Wie wir jede Provokation vermeiden. Wir haben Verhörsituationen durchgespielt, den Umgang mit Mossad-Beamten, Polizisten und Gefängniswärtern. Es ging zunächst zwar immer um das Verhalten jedes Einzelnen, letztlich aber darum, daß wir als Gruppe auftreten. Und darum, wie die Gruppe jedes seiner Mitglieder schützen und psychologisch unterstützen kann. Dank an Lee und Lynn, die beiden Kommunikationstrainerinnen aus Kanada.
Zudem wurde auch diskutiert, welche Rolle die fünf Journalisten spielen, die an der Expedition zum Gaza-Streifen (wahrscheinlicher aber in ein israelisches Gefängnis) teilnehmen. Sind wir nur die distanzierten Beobachter oder Teil der Gruppe? Wir einigten uns schließlich auf die Formulierung »embedded journalists«. Wir haben das Privileg, ein wenig mehr Gepäck mit an Bord nehmen zu dürfen – nämlich Kameras, Satellitentelefone, Notebooks. Was wir damit auf See anfangen können, werden wir sehen – jedenfalls kann man mit Sicherheit davon ausgehen, daß alles nach dem Zugriff der Israelis futsch ist. Ansonsten brauchen wir nicht viel: eine warme Jacke, zwei T-Shirts, Zahnbürste. Für viele Schlafsäcke ist kein Platz an Bord – wir werden nur einige mitnehmen und schichtweise darin schlafen.
In den vier Tagen, die wir bisher gemeinsam verbracht haben, sind wir von einem Haufen Individuen zu einer Gruppe zusammengewachsen – geschickt arrangiert und gefördert von Lynn und Lee. Wir kennen uns mittlerweile alle bei Namen und von vielen ein Stück Biographie. Heute abend gibt es in einem konspirativ ausgewählten Strandrestaurant ein gemeinsames Abendessen.
Mittlerweile wurden bergeweise Verbandsmaterial und Medikamente für die Erste Hilfe herangeschafft. Unser »medical team« besteht aus einem belgischen und einem kanadischen Arzt sowie einer belgischen Krankenschwester. Hoffentlich brauchen wir ihre Hilfe nicht. Die fünf Journalisten wollen zusammenbleiben und sich auch deutlich als Pressevertreter zu erkennen geben.
Heute nachmittag ist das zweite französische Schiff mit Hilfsgütern Richtung Gaza ausgelaufen. Die Nachricht kam per E-Mail und wurde sogleich unter großem Beifall verlesen. Die kanadischen Genossen verteilten T-Shirts mit »Free-Gaza«-Aufdruck, die Däninnen bemalten ein mehrere Bettlaken großes Transparent, das am Schiff befestigt werden soll.
Morgen gibt es letzte Instruktionen und Absprachen. Wer ist resistent gegen Seekrankheit und kann somit den Küchendienst übernehmen? Wer kümmert sich um die Toiletten? Wer kann der Crew des Schiffes zur Hand gehen? Wie wird das schichtweise Schlafen organisiert?
Und dann sind wir fertig zum Auslaufen. Das kann schon am Montag sein, aber auch am Dienstag oder am Mittwoch. Etwa drei Tage nach dem Ablegen wird es heikel. Jeder hat im Hinterkopf, daß bei der Kaperung der Flottille des vergangenen Jahres neun Menschen von israelischen Soldaten umgebracht wurden.
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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