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27.06.2011, 17:20:27 / Free Gaza

Eine geballte publizistische Macht

Von Von Peter Wolter, jW-Korrespondent auf der »Tahrir«

Das Schiff ist mit Hilfsgütern für die Palästinenser im Gazastreifen beladen, die rund 50 Aktivisten haben ihre fünftägigen Vorbereitungen beendet – es könnte jetzt eigentlich losgehen.

Aber nur eigentlich. Für die Fahrt der nur 25 Meter langen »Tahrir« nach Palästina ist es zu stürmisch, die See ist zu rauh. Erst muß sich der Starkwind legen, vor Donnerstag oder gar Freitag wird es wohl nichts.
Viele der rund 50 Mitreisenden nehmen sich erstmals seit Mitte vergangener Woche Zeit, an den Strand zu gehen. Andere belagern die wenigen Internet-Rechner in der Hotellobby, um Grüße an Angehörige zu schreiben, wiederum andere pinseln eifrig an Transparenten. Einkäufe kann man kaum noch machen – die meisten Läden und Banken sind wegen des Generalstreiks geschlossen. Böse darüber ist keiner der Aktivisten – der Vorschlag, sich mit Solitransparenten an der Gewerkschaftsdemonstration zu beteiligen, wurde nur aus Sicherheitsgründen verworfen.

Nicht von der Hand zu weisen ist die Befürchtung, daß Israels Geheimdienst versucht, mit Sabotageakten das Auslaufen der Schiffe zu verhindern. Bereits bei der ersten Flottille dieser Art im vergangenen Jahr waren Schiffe auf geheimnisvolle Weise seeuntüchtig gemacht worden. Befürchtet wird auch, daß Griechenland dem diplomatischen Druck Israels und der USA nachgibt und das Auslaufen untersagt.

Gewaltfreie »vierte Gewalt«

Mittlerweile hat sich eine beachtliche Zahl von Journalisten angesammelt, die auf der »Tahrir« mitreisen. CBC, der größte kanadische TV-Sender, ist mit einem Kamerateam dabei, ferner die russische Komsomolskaja Prawda, die linke israelische Tageszeitung Haaretz, der Toronto Star – eine der größten Tageszeitungen Kanadas. Außerdem ein iranischer TV-Sender, die türkische Nachrichtenagentur Anadolu und diverse Nahostkorrespondenten, die als »Freelancer« alle möglichen Medien im englisch- und französischsprachigen Raum bedienen. Auch auf den anderen neun Schiffen oder Booten, die in griechischen Häfen auf das Signal zum Auslaufen warten, reisen viele Journalisten mit.

Eine geballte publizistische Macht also – und genau das ist es, was die israelische Regierung am meisten fürchtet. Nur so sind ihre Beschimpfungen der teilnehmenden Journalisten zu verstehen, denen zunächst ein zehnjähriges Einreiseverbot nach Israel angedroht wurde. Das allerdings hatte nicht nur bei internationalen Journalistenorganisationen Protest ausgelöst, sondern war auch einigen westlichen Regierunge sauer aufgestoßen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nahm die Drohung am Montag wieder zurück.

Es wäre so einfach

Nichtsdestoweniger versucht die israelische Regierung alles, um ein PR-Desaster wie nach dem Massaker auf der »Mavi Marmara« im vergangenen Jahr zu verhindern. Sie will sich das Informationsmonopol sichern, um die Weltöffentlichkeit erst einmal mit ihrer eigenen Version der zu erwartenden Kaperung der Flotte zu bedienen. Sie wird wie im vergangenen Jahr wenige Stunden vor dem Zugriff mit Störsendern den Funkverkehr von Bord der Schiffe stören und die gefangen genommenen Journalisten mehrere Tage lang festhalten und nicht nur ihre Aufzeichnungen und Datenträger beschlagnahmen, sonder gleich die gesamte Ausrüstung.

Taktisch gesehen ist das vielleicht nachvollziehbar, strategisch jedoch eine weitere PR-Dummheit. Die gefangenen Journalisten müssen wahrscheinlich nach wenigen Tagen freigelassen werden. Und dann werden sie nicht nur die Wahrheit über die Kaperung der Flotte berichten, sondern auch, wie sie vom Militär, der Polizei und dem Gefängnispersonal behandelt wurden. Wie mitreisende Nahostkorrespondenten herausgefunden haben, sollen bei den angreifenden Marineverbänden auch erstmals »embedded journalists« mitfahren. Bleibt abzuwarten, ob und wie der zu erwartende Piratenakt von ihnen zum Heldenepos umgeschrieben wird.

Und dabei wäre es doch so einfach: Die israelische Regierung brauchte nur die Flotte passieren zu lassen – als ersten Schritt zur Aufhebung der Blockade.


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