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26.05.2017, 17:21:47 / No G20

Schotten dicht für G 20

Innenminister kündigt Kontrollen an Grenzen zu EU-Staaten zum Gipfel in Hamburg an. Behörden schüren Angst vor »gewaltbereiten Linksextremisten«
Von Kristian Stemmler
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Schengen ausgesetzt: Die Bundesregierung wird rund um die G 20 ein politisches Grenzregime errichten

Noch 50 Tage bis zum G-20-Gipfel in Hamburg, und bürgerliche Politiker arbeiten weiter daran, ein Klima der Angst zu erzeugen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat angekündigt, zum Treffen der Staatschefs der 19 sogenannten wichtigsten Industrie- und Schwellenländer und von EU-Vertretern im Juli Kontrollen an den deutschen Grenzen wieder einzuführen, wie die Welt am Mittwoch berichtete. Hintergrund sind laut »Sicherheitskreisen« Befürchtungen, dass »gewaltbereite Linksextremisten« aus dem Ausland zum Gipfel anreisen könnten.

Die Welt zitiert eine Sprecherin des Innenministeriums mit den Worten, die Schengen-Binnengrenzen sollten rund um den am 7. und 8. Juli stattfindenden Gipfel wieder kontrolliert werden. Damit wolle man »Sicherheitsbelangen Rechnung tragen, die Anreise potentieller Gewalttäter in das Bundesgebiet verhindern und zu einem störungsfreien Verlauf der Veranstaltung beitragen«. Im sogenannten Schengen-Raum, zu dem 26 europäische Staaten gehören, sind Grenzkontrollen abgeschafft, können aber anlassbedingt wieder aufgenommen werden.

Bereits am Montag hatte die taz Hamburg berichtet, die Bundespolizeidirektion in Bad Bramstedt habe eine Verstärkung der Grenzüberwachung in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zum G-20-Treffen angekündigt. »Die Gewaltbereitschaft, insbesondere der linksextremistischen Szene, nehmen alle Experten ernst«, zitierte das Blatt Direktionspräsident Bodo Kaping. Es gehe darum, die Anreise von »polizeilich bekannten Autonomen« aus Skandinavien zu verhindern. Als eine »völlige Außerkraftsetzung europäischer Grundrechte« kritisierte Elke Steven vom Grundrechtekomitee in der taz die angekündigten Maßnahmen. Das Recht auf Versammlungsfreiheit und das Recht auf Bewegungsfreiheit in der EU würden durch Einreiseverbote ausgehebelt.

Um der Panikmache etwas entgegenzusetzen, veröffentlichte ein Bündnis von Gipfelgegnern aus mehreren Ländern im Namen der »International G 20 Coordination« zu Wochenbeginn einen offenen Brief »an die Menschen in Hamburg«. Zu den Verfassern gehören der Ökonom Patrick Bond aus Südafrika, der irische Soziologe Laurence Cox und Bettina Müller von ATTAC Argentinien.

»Ihr habt wahrscheinlich hauptsächlich von den Politikern und den Medien von uns erfahren, die euch Angst vor uns machen wollen, wenn sie uns als ›Störenfriede‹ und ›Krawallmacher‹ bezeichnen«, heißt es in dem Brief. Und weiter: »Die wahren Eindringlinge und Zerstörer unserer Städte sind die G 20, und wir müssen uns gemeinsam vor ihnen schützen. Wenn sie eine demokratiefreie Zone in Hamburg wollen, wollen wir ein G-20-freies Hamburg.«

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) setzt indes weiter auf Konfrontation. Im Gespräch mit dem Radiosender NDR 90,3 stellte er sich hinter eine Entscheidung des Bezirks Hamburg-Nord, das »antikapitalistische Camp« von 10.000 Gipfelgegnern im Stadtpark nicht zu genehmigen. Der Bezirk hatte auf mögliche Schäden hingewiesen. Erst vor einer Woche hatte die Lokalpresse gejubelt, dass im Stadtpark mit dem Segen des Bezirks am 9. September die Rolling Stones auftreten dürfen – vor rund 80.000 Fans.

Auch die Folgen des Gipfels für Hamburgs Obdachlose sind dem Senator egal. Vor einer Woche erklärte Grote in der Bürgerschaft, es gebe keine Einschränkungen für Obdachlose, er sehe keinen Bedarf für alternative Übernachtungsplätze. Diese Behauptung bezeichnete Stephan Karrenbauer, Sozialarbeiter des Straßenmagazins Hinz und Kunzt, auf der Homepage des Magazins als fahrlässig. Er gehe von bis zu 300 Obdachlosen aus, die von »Sicherheitsmaßnahmen« betroffen seien. Schon jetzt würden erste Platten (Übernachtungsplätze) geräumt.

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