Überraschende Wende an der Elbe
Von Kristian StemmlerDer Hamburger Senat hat entschieden, den für den 7. und 8. Juli in der Hansestadt geplanten G-20-Gipfel abzusagen. Das teilte die Senatspressestelle mit. »Nach den jüngsten Brandanschlägen auf Fahrzeuge der Hamburger Polizei und veränderten Prognosen der Sicherheitsbehörden, die mit kaum zu kontrollierenden Ausschreitungen rechnen, haben wir uns schweren Herzens entschlossen, die Einladung für den Gipfel zurückzuziehen«, wurde Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) in der Erklärung zitiert. Dies sei mit dem Bundesinnenministerium abgestimmt.
Nach Informationen des Hamburger Abendblattes soll das Treffen der Staatschefs der 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer und von EU-Vertretern nun am geplanten Termin auf der Nordseeinsel Sylt stattfinden. Bereits Tage vor dem Gipfel soll der nördliche Bereich der Insel vom Ort List bis kurz vor Kampen evakuiert und abgesperrt werden. »Da, wo wir abriegeln, hat Sylt nur wenige Kilometer Ausdehnung, und es gibt nur eine Straße«, zitiert das Abendblatt einen Sicherheitsexperten. Das erleichtere die Absicherung. Auch solle der Eisenbahnverkehr über den Hindenburgdamm, einzige Verbindung der Insel zum Festland, schon vor dem Treffen unterbrochen werden, genau wie alle Fährverbindungen. Der in Hamburg bereits dienstverpflichtete G-20-Gesamtseinsatzleiter Hartmut Dudde werde an Schleswig-Holstein zur Beratung des dortigen Koordinierungsgremiums ausgeliehen. Man werde vermutlich nur rund 3.000 Polizeibeamte statt der für Hamburg eingeplanten 14.000 für die Absicherung des Gipfels brauchen.
Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) äußerte Verständnis für die Entscheidung des Senats. Sie sei »nachvollziehbar«, sagte er der Welt, auch wenn es schwer zu ertragen sei, »dass ein solches Treffen wegen der inakzeptablen linksextremen Gewalt nicht mehr in einer deutschen Großstadt organisiert werden kann«. Auch seine Sicherheitsexperten hätten empfohlen, für den Gipfel erneut einen möglichst abgelegenen und gut zu sichernden Ort zu wählen. Scharfe Kritik an der Hamburger Entscheidung kam dagegen vom bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU). »Der rot-grüne Senat weicht erneut vor der nackten Gewalt und den Drohungen des linken Mobs zurück«, sagte er der Passauer Neuen Presse. Diese Entwicklung zeige deutlich, »wohin das Land steuert, wenn nach der Bundestagswahl im September SPD, Grüne und die SED-Erben von der Linkspartei ans Ruder kommen«.
Von den G-20-Gegnern wurde die Verlegung des Gipfels mit Genugtuung aufgenommen. Es sei ein Fanal, »dass sich die Vertreter einer Politik, die für die dramatisch zunehmende Zahl an Flüchtlingen weltweit, für Armut, Unterdrückung, Kriege und Klimawandel verantwortlich sind, nicht mehr in einer deutschen Großstadt treffen können«, hieß es in einer Erklärung des Bündnisses »Grenzenlose Solidarität statt G20«. Werner Rätz vom am Bündnis beteiligten Netzwerk ATTAC erklärte gegenüber jW, man halte dennoch an der Großkundgebung am 8. Juli in Hamburg fest. »Selbst wenn sich die Staatenlenker auf Sylt einbunkern: Der Protest gegen ihre menschenfeindliche Politik muss kraftvoll fortgesetzt werden, und da eignet sich Hamburg«, betonte Rätz. Er geht zudem davon aus, dass trotz aller Absperrungen auch Protestaktionen auf der Nordseeinsel stattfinden werden.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!