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26.05.2017, 17:30:43 / No G20

»Wir sind befangen«

Entwicklungsorganisationen fordern von G-20-Gesundheitsministern Alternative zu kommerzieller Forschung. Gipfel der »Zivilgesellschaft« im Juni
Von Jana Frielinghaus
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In Berlin machten Demonstranten die G-20-Gesuncheitsminister am Freitag darauf aufmerksam, dass die Forschung an Medikamenten gegen »Armutskrankheiten« vernachlässigt wird, weil sie nicht lukrativ ist

Lob für die Bundesregierung gab es am Freitag auf einer Pressekonferenz in Berlin. Eingeladen hatten Venro, Dachverband von rund 100 deutschen Entwicklungshilfeorganisationen, und das Forum Umwelt und Entwicklung. Deren Vertreter präsentierten die Forderungen »zivilgesellschaftlicher« Initiativen an die G-20-Gesundheitsminister in Sachen medizinische Versorgung. Ein Treffen der Minister begann ebenfalls am Freitag in Berlin.

Unter der deutschen G-20-Präsidentschaft, betonte Venro-Geschäftsführerin Heike Spielmans, sei die Gesundheit erstmals Thema auch auf einem Gipfel des politischen Spitzenpersonals der 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sowie der Europäischen Union. Die Staats- und Regierungschefs dieser »selbstbeauftragten Governance-Struktur« (Spielmans) treffen sich am 7. und 8. Juli in Hamburg. In Sachen Gesundheit spiele Berlin eine »sehr gute Rolle«, sagte Marwin Meier von der christlichen Entwicklungsorganisation World Vision. Zumindest finanziert die Regierung im Vorfeld des Gipfels eine zusätzliche internationale Tagung, die »Civil-20-Konferenz«, die am 18. und 19. Juni ebenfalls in Hamburg stattfinden wird mit Vertretern von rund 150 Organisationen aus mehr als 50 Ländern. Zu sechs Schwerpunkten sollen dort »Empfehlungen« an die G 20 ausgearbeitet werden, darunter zur Reform des Finanzsystems und eben zu »globaler Gesundheit«.

Marwin Meier, der einer von zwei Sprechern der entsprechenden »Civil20«-Arbeitsgruppe ist, fasste die wichtigsten gesundheitspolitischen Forderungen zusammen: Stärkung der nationalen Gesundheitssysteme weltweit, mehr Geld für die dramatisch unterfinanzierte Weltgesundheitsorganisation (WHO) und eine »Entkopplung der Forschung an Medikamenten von den Preisen«. Von Forderungen nach staatlicher Kontrolle darüber sind die NGO hier aber weit entfernt. Vielmehr regte Meier die Bildung von staatlichen Fonds und »Produktentwicklungspartnerschaften« etwa für die Herstellung spezifischer Mittel gegen Armutskrankheiten wie Tuberkulose an. Er ist zuversichtlich, dass sich am gegenwärtigen profitorientierten Gesundheitssystem etwas ändern lässt: Die wachsende Angst vor Seuchen und vor gegen Antibiotika resistenten Keimen könne ein Motor für Reformen werden.

Tatsächlich stellte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) die Verbesserung des Schutzes vor globalen Epidemien in den Mittelpunkt seiner Überlegungen zum Auftakt des Treffens. Der WHO komme eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung entsprechender Risiken zu, erklärte er am Freitag in Berlin.

Die zwiespältige Position – ein wenig Feigenblatt, ein wenig Trostpflasterverteiler –, die sich Entwicklungsorganisationen im »G-20-Prozess« haben zuweisen lassen, wurde am Freitag deutlich, als die Frage nach der Rolle privater Geldgeber wie der Bill-and-Melinda-Gates-Foundation aufkam. Die NGO ließen es sich nicht nehmen, deren Einfluss auf Inhalt und Ausrichtung von Entwicklungs- und Gesundheitsprogrammen zu kritisieren, betonte Meier, räumte aber ein: »Wir sind befangen.« Denn die Organisationen erhalten speziell von der Gates-Stiftung große Summen.

Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forums Umwelt und Entwicklung und einer der Vorsitzenden des Steuerungsgremiums zur Vorbereitung des Civil-20-Gipfels, befand, es wäre sinnvoller, wenn die westlichen Staaten für »Leute wie Gates die Steuersätze von 1990« wieder einführen würden. Dann könne über den Einsatz von Geldern »auch wieder demokratisch entschieden werden«. Spielmans bestätigte auf jW-Nachfrage, dass sich Venro und andere Akteure der »Civil-20-Konferenz« auch am »Gipfel der globalen Solidarität« Anfang Juli in Hamburg beteiligen werden. Zudem gehöre das Forum Umwelt und Entwicklung zu den Veranstaltern der »Protestwelle« gegen den G-20-Gipfel am 2. Juli in Hamburg, sagte Jürgen Maier.

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