Hamburg wird Polizeistaat auf Zeit
Von Anselm LenzFreie Bahn für Trump, Erdogan, Merkel und Entourage: Am Freitag gab die Hamburger Polizei bekannt, dass sie für die Zeit des Treffens am 6. und 7. Juli 2017 eine gigantische »blaue Zone« mit paramilitärischen Mitteln durchsetzen wird.
Der vom Polizeipräsidium per Allgemeinverfügung eingerichtete »Transferkorridor«, wie es euphemisierend heißt, erstreckt sich über 38 Quadratkilometer von der nördlichen Stadtgrenze über die Stadtviertel Fuhlsbüttel, Winterhude, Hoheluft, Barmbek, Hohenfelde, Sternschanze, Sankt Georg, Sankt Pauli, Teile Altonas, Mitte und Hafencity mit der Elbphilharmonie bis ans Ufer des Flusses Elbe. In diesem Gebiet wohnen etwa 550.000 Menschen, noch mehr arbeiten, feiern oder bilden sich dort.
Der Erlass setzt de facto sämtliche Grundrechte des Menschen in der Öffentlichkeit außer Kraft. Der Text der Verfügung spricht davon, das Polizeigouvernement habe sich »eingehend« mit Artikel 6 des Grundgesetzes der BRD »auseinandergesetzt« – und sich im Anschluss offenbar dagegen entschieden.
Zur Begründung heißt es, zu den Gipfelgästen gehörten »42 Personen, die eine relevante Gefährdungseinstufung haben«. Eine Verzögerung der Fahrten der Karossen mit den führenden Demokraten und Staatenlenkern vom Flughafen in die Messehallen, in die Hotels und zur Elbphilharmonie müsse verhindert werden, zudem seien diplomatische Verwicklungen zu befürchten. Die von der SPD geführte Stadtregierung äußerte sich nicht zum polizeilichen Dekret.
Die innenpolitische Sprechern der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft, Christiane Schneider, erklärte, die Entscheidung der Polizei stehe in offenem Widerspruch zum Versprechen von Justizsenator Till Steffen (Bündnis 90/Die Grünen), es werde nicht zu einem allgemeinen Demonstrationsverbot kommen.
Angesichts der umfassenden Machtausübung auf sämtliche anwesenden Menschen: Wird dieser »totalitäre Polizeistaat auf Zeit« auch die komplette Verantwortung für sämtliche Vorgänge im Umfeld des Gipfeltreffens zu tragen haben?
www.polizei.hamburg/g20-gipfel-in-hamburg/transferkorridor/
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