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12.06.2017, 18:39:12 / No G20

Spam mit Ö

Was soll das, Grönemeyer? Zum Gratiskonzert beim G-20-Gipfel in Hamburg
Von Kristian Stemmler
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Benefizzirkus, »great«! Hyde Park in London, 2005

Im Jahre 1984 erhoben die Rockstars dieser Welt ihre Stimmen, um den Völkern Afrikas das Licht zu bringen, ihnen ein Ende von Hunger und Armut zu verheißen. Der Frontmann der mäßig erfolgreichen Boomtown Rats, Bob Geldof, spielte mit der Elite der britischen Unterhaltungsmusik den schmalzigen Song »Do They Know It’s Christmas?« ein, den er mit Midge Ure von Ultravox komponiert hatte, als Reaktion auf die Hungersnot in Äthiopien.

Ein Jahr später zog das Spitzenpersonal der US-Rockmusik nach und jodelte, von Springsteen bis Bob Dylan, unter dem Banner »USA for Africa« einen Michael-Jackson-Song, der in der Zeile gipfelte: »We are the ones who make a brighter day« (Wir sind diejenigen, die die Zukunft erhellen werden). Einer der größten Hits aller Zeiten.

Ein Herbert Grönemeyer konnte da nicht hintanstehen. Noch im Verlauf jenes so segensreichen Jahres 1985 initiierte der »authentische Ruhrpottler« die »Band für Afrika«. Maffay, Lindenberg, Westernhagen und Co. sangen »Nackt im Wind« von Grönemeyer und Wolfgang Niedecken (BAP), Kostprobe: »Nur ein paar Breitengrade südlich und dann nach Osten weint ein Kind, noch eh dies Lied hier ausklingt, verhungert es, stirbt nackt im Wind.«

Geldof und sein irisches Pendant Bono (U2) zogen im folgenden einen richtiggehenden Benefizzirkus auf, was den Beteiligten einigen Ruhm einbrachte – für Afrika aber eher nach hinten losging. Die politischen Rahmenbedingungen des Elends hatten die Musiker leider nie sonderlich interessiert. Und so mussten sie eines Tages aus der Zeitung erfahren, dass Spenden ihrer Projekte »Band Aid« und »Live Aid« für Waffenkäufe und Zwangsumsiedlungen verwendet worden waren. Bekanntlich blieb das subsaharische Afrika bis heute das Armenhaus der Welt.

Einen Grönemeyer aber ficht so was nicht an. Er wird beim G-20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg weiter gegen das Unrecht kämpfen wie schon beim G-8-Gipfel in Heiligendamm vor zehn Jahren. Grönemeyer gehört – nach Shakira und Coldplay – zu den Top Acts des »Global Citizen Festivals« am 6. Juli in der Barclaycard-Arena in Hamburg. Auftrag dieser Veranstaltung ist ganz offensichtlich, die Begeisterungsfähigkeit junger Leute zu dämpfen, ihre Unzufriedenheit in geordnete Bahnen zu lenken. Bevor sie noch darauf kommen, effektiv Widerstand zu leisten, wird eine Art von modernem Ablasshandel eröffnet und folgenloses Engagement entfacht.

»Ab zum Gratiskonzert der Mega-Stars«, bewarb die Hamburger Morgenpost das Festival. Man müsse nur ein paar E-Mails schreiben und ein wenig twittern, schon habe man sein Ticket. Wer sich auf globalcitizen.org registrieren lässt, hat aber nur das Anrecht, an der Ticketverlosung teilzunehmen. »Fordere die G-20-Chefs auf, eine gerechtere Welt zu schaffen« oder »Sag Politikern, wie wichtig Bildung ist«, heißt es auf der Homepage. Man soll eine belanglose Petition unterzeichnen, Kanadas »Dear Prime Minister« Justin Trudeau anmailen, sich gefälligst am Kampf gegen Polio beteiligen oder mit einem Tweet Kanzlerin Merkel auffordern, »Kinder auf der Flucht zu schützen«. Mehr Spam im Internet, aber das wohlige Gefühl von Musikfans, sich zu engagieren. Eher gehen sie dabei wohl weltumspannenden Konzernen auf den Leim, deren Zweck es ist, massenhaft Daten von Internet-Usern abzugreifen.

Global Citizen hat seinen Sitz in New York. Auslandsvertretungen gibt es in Kanada, Australien und Großbritannien. Vorstandsboss Hugh Evans wird als »Social Entrepreneur« vorgestellt (sozialer Unternehmer). Im Aufsichtsrat vertreten sind das Wirtschaftsmagazin Forbes (durch Mitherausgeber Randall Lane), die US-Bank Citi (Marketingchefin Jennifer Breithaupt), ein riesengroßer Private-Equity-Konzern (CVC Capital Partners), die Bill & Melinda Gates Stiftung und andere, darunter Iconiq Capital, die Vermögensverwaltung von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Lauter Philanthropen. Interesse an der Benennung der Ursachen weltweiter Armut würde man ihnen nun aber nicht unterstellen. Und so bleibt alles im Rahmen einer Geschäftsordnung, zu der die Ausplünderung Afrikas schon immer gehört. Aktuell »neokolo­niale« Ausführungsbestimmungen wurden zum Beispiel heute und gestern in Berlin auf der Konferenz »G20 Africa Partnership – Investing in a common future« besprochen. Von solchen Sauereien wird beim Global Citizen Festival nicht die Rede sein, Merkel und Trudeau aber werden Grußworte sprechen. Was soll das, Grönemeyer?

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