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14.06.2017, 17:42:20 / No G20

Nicht auf Augenhöhe

G 20: BRD will in Afrika Märkte erschließen, Rohstoffe sichern und Geld einsparen. Viel Anklang findet diese »Partnerschaft« nicht
Von Christian Selz, Kapstadt
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Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo wird am Dienstag in Berlin im Schloss Bellevue empfangen

Stell dir vor, es ist Afrika-Konferenz und keiner geht hin. Als Angela Merkel zum Auftakt der vom Bundesfinanzministerium, vom Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie von der Bundesbank veranstalteten Tagung im Rahmen der deutschen G-20-Präsidentschaft am Montag zum Gruppenbild bat, fanden sich immerhin ein paar Akteure aus den angeblichen Partnerländern ein. Die Kanzlerin traf sich mit Ägyptens Staatschef Abdel Fattah Al-Sisi sowie zu einem Dreier­gespräch mit dem Präsidenten Guineas, Alpha Condé, und dem Kommissionsvorsitzenden der Afrikanischen Union, Moussa Faki. Auch Vertreter Ghanas, der Republik Côte d’Ivoire, Malis, Nigers, Ruandas, Senegals und Tunesiens waren nach Berlin geladen. Doch wesentliche Akteure fehlten. Die neben Ägypten größten Volkswirtschaften Südafrika und Nigeria beispielsweise waren in der deutschen Hauptstadt nicht vertreten.

Wenig Resonanz in Afrika

Nimmt man die mediale Begleitung der Berliner Konferenz beispielsweise in Südafrika zum Maßstab – dem einzigen G-20-Mitglied des Kontinents, muss man das Treffen schlicht als bedeutungslos bezeichnen. Weder die Regierungspartei African National Congress (ANC) noch deren Bündnispartner, der Gewerkschaftsbund Congress of South African Trade Unions (Cosatu) und die South African Communist Party (SACP) würdigten die Afrika-Pläne der Bundesregierung bis zum Mittwoch auch nur eines Wortes. Südafrikas Botschaft in Berlin befasste sich in ihrem jüngsten Nachrichtenbeitrag mit einem Auftritt der Bildhauerin Maureen Quin in Schweden, auch den offiziellen Seiten des Präsidialamts und der Regierung Südafrikas war die Berliner Afrika-Konferenz keine Erwähnung wert.

Die führenden Medien der Kaprepublik berichteten äußerst spärlich. Beim Nachrichtenportal Mail and Guardian online fand sich am Mittwoch exakt ein aktueller Beitrag – ein Gastartikel von Wolfgang Schäuble. Unter der Überschrift »Fokus auf privaten Sektor schafft besseren Investitionsrahmen für Afrika« erklärte der Bundesfinanzminister den in seiner Behörde entworfenen »Compact with Africa«. Seine Beweggründe erklärte der Deutsche dabei klar und selbstbewusst: »Afrikas enormes wirtschaftliches Potential ist keine Neuigkeit. Aber bisher haben Politikmacher auf der ganzen Welt die politischen und ökonomischen Schritte, die gemacht werden müssen, um Afrika die Realisierung dieses Potentials zu ermöglichen, nicht erfolgreich definiert«, schrieb Schäuble und schlussfolgert: »Darum hat die deutsche G-20-Präsidentschaft ihre G-20-Afrika-Partnerschaft eingeführt.« Das soll wohl heißen, wenn die anderen Pfeifen es nicht hinbekommen, dann muss eben die Bundesregierung eingreifen. Auf deutsch heißt das dann »Partnerschaft«.

Plan der Besserwisser

Wessen Interessen Berlin auf dem Kontinent vertritt, daran lässt Schäuble kaum Zweifel. »Hauptziel« seines Compact-Plans sei es, »die Risiken für private Investoren durch das Verbessern ökonomischer und finanzieller Konditionen sowie die Stärkung von Institutionen zu senken«, erklärt er in seinem Gastbeitrag. Korruption und Vetternwirtschaft müssten bekämpft werden, heißt es aus der deutschen Wirtschaft und dem ihr angeschlossenen Politikbetrieb dazu gern. Und wer wäre ein besserer Vorkämpfer als Wolfgang Schäuble – ein Mann, der schon einmal einen Koffer mit 100.000 D-Mark von einem Waffenlobbyisten entgegengenommen hatte und das dann »vergaß«?

Natürlich geht es in Afrika nicht um Korruptionsbekämpfung, sondern schlicht um neue Märkte und den Zugang zu Rohstoffen. Schäuble will zudem Entwicklungshilfe sparen und politischen Einfluss gewinnen. Er ist dabei, ein weiteres, gigantisches Griechenland zu schaffen. Die Struktur seines Afrika-Plans sei »geradlinig«, schrieb er auf Mail and Guardian online. »Afrikanische Länder werden zusammen mit ihren bilateralen Partnern und internationalen Organisationen mit nachgewiesener Expertise zu Afrika maßgeschneiderte Maßnahmen entwickeln, koordinieren und implementieren«. Dass er als Partner dabei die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds erwähnt, überrascht kaum. Im Detail geht es vor allem darum, deutsche Konzerne über Public Private Partnerships in die Infrastruktur afrikanischer Staaten investieren zu lassen. Die Aufgabenverteilung dabei ist bekannt: Die Kosten und Risiken tragen die Verbraucher, die Gewinne werden abgeschöpft. Als »neoliberalen Giftcocktail« bezeichnete der Linken-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat diese Pläne daher vergangene Woche gegenüber RT Deutsch.

Schäuble verlange von afrikanischen Regierungen, dass sie »mehr öffentliche Subventionen bereitstellen und viel mehr Risiken übernehmen«, analysierte auch der Johannesburger Professor für politische Ökonomie, Patrick Bond. Dies führe »oft zu Profiten, Diebstahl durch Beteiligte und für die Nutzer der Infrastruktur zu Schmerzen«, hatte er schon im Mai in einem Gastbeitrag im Mail and Guardian ausgeführt.

Die Konzerne hingegen dürfen sich in Sicherheit wiegen. Wenn es zu Ausfällen kommt, greifen die Investitionssicherheiten der Bundesregierung. Letztere erhält damit weitere Druckmittel gegen die mit ihr »partnerschaftlich« verbundenen Regierungen. Wie groß die Teilhabe der »Partner« tatsächlich ist, lässt eine Überschrift erahnen, die in dieser Woche auf dem Internetportal der Bundesregierung zu lesen war: »Bundeskabinett beschließt Eckpunkte zur wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas«, hieß es dort.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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