»Von Anfang bis Ende durchziehen«
Von Claudia WangerinIn Massenmedien steht das Thema Gewalt im Vordergrund, wenn es um Ihre Demo am Vorabend des G-20-Gipfels in Hamburg unter dem Motto »Welcome to Hell« geht. Was steht für Sie im Vordergrund, was wäre für Sie an diesem Tag ein Erfolgserlebnis?
Die Vermittlung der politischen Inhalte. Über Transparente und Parolen sowie das entsprechende Outfit wollen wir die absolute Gegnerschaft zu den G-20-Staaten und zum Kapitalismus ausdrücken. Dieses System gehört abgeschafft; und der Zusammenschluss G 20 als Institution des Kapitalismus ebenfalls. Das werden wir vermitteln. Und wir wollen eine geschlossene, entschlossene, laute, bunte, aber auch schwarze Demonstration. Wir wollen geschlossen losgehen und geschlossen ankommen. Das ist das Ziel. Und wir werden uns medial dagegen zur Wehr setzen, dass dies jetzt schon von der Polizei zur Krawall- und Gewaltdemo stilisiert wird. Dass danach oder an den darauffolgenden Tagen militante Aktionen stattfinden, lässt sich nicht ausschließen, ist aber nicht das Ziel dieser Demonstration.
»Schwarz und bunt« ist ein sehr weitgefasster Dresscode. Was steht in diesem Fall konkret dahinter?
Es wird sicherlich einen autonomen antikapitalistischen Block an der Spitze geben, der überwiegend schwarz gekleidet sein wird, schätzungsweise etwa 5.000 Leute. Wir gehen aber davon aus, dass noch 10.000 mehr kommen. Teile der Interventionistischen Linken, Aktivisten der Bündnisse »Recht auf Stadt« und »Ums Ganze« sowie ein queerfeministischer Block sind dabei, zum Teil mit eigenen Lautsprecherwagen.
Anders als die Demonstration des Bündnisses »Grenzenlose Solidarität statt G 20«, findet Ihre schon am Tag vor dem Gipfeltreffen statt. Ist das nicht eine Einladung an die Polizei, potentielle Störenfriede schon vorher einzusammeln?
Wir laden die Polizei nicht dazu ein. Ob sie das versuchen wird, ist eine andere Frage. Wir haben unseren Termin aber ganz bewusst auf den Vorabend des Gipfels gelegt, um politisch deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass wir dieses Treffen nicht wollen – dass es gar nicht erst stattfinden soll. Wie realistisch das ist, steht auf einem anderen Blatt, aber das ist unsere Aussage.
Ein Mitorganisator der »Welcome to Hell«-Demo sagte kürzlich der Taz, er wisse nicht, was Teilnehmer von außerhalb planen: »Autonom heißt ja auch, dass die Leute ihre eigenen Dinger durchziehen.« Bedeutet das im Klartext, dass Einzelpersonen, die keiner kennt, über die Eskalationsstufe entscheiden?
Das kann niemand zu 100 Prozent ausschließen. Aber wenn wir sagen: Wir wollen gemeinsam losgehen und gemeinsam ankommen, verstehen die Leute schon, wie das gemeint ist: Es soll nicht gleich eine Straßenschlacht mit der Polizei angefangen werden. Während des gesamten Verlaufs der Demonstration nicht. Wir wollen sie von Anfang bis Ende durchziehen. Das vermitteln wir auch auf allen Veranstaltungen, sei es in Hamburg oder in anderen Städten. Wir gehen davon aus, dass die Anwesenden das auch in ihre Kreise weitertragen.
Glaubwürdigen Berichten zufolge wurden bei den Protesten gegen den G-8-Gipfel 2001 in Genua Provokateure eingesetzt, die gar nicht zu diesen Kreisen gehörten. Müsste nicht auch klar kommuniziert werden, welche Aktionsformen tabu sind, zum Beispiel dass keine Menschen verletzt werden sollen?
Das kommunizieren wir mündlich bei solchen Veranstaltungen. Autonome werden aber keine allgemeine Gewaltverzichtserklärung abgeben. Gewalt geht von den bestehenden kapitalistischen Verhältnissen aus. Wir leisten Widerstand, rufen aber nicht zu militanten Aktionen aus dieser Demonstration heraus auf. Und das versteht auch jeder.
Es gibt auch einen Militanzbegriff, der organisierten zivilen Ungehorsam meint, aber nicht zwingend Gewalt. Bei Protesten gegen Atommülltransporte in Deutschland gab es auch Sabotage, der Aktionskonsens schloss aber Gewalt gegen Personen aus.
Wie gesagt, wir rufen zu keiner militanten Aktion aus unserer Demonstration heraus auf. Wenn sie trotzdem von der Polizei angegriffen wird – ähnlich wie die vor der »Roten Flora« 2013 – werden sich die Leute natürlich zur Wehr setzen.
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