Start in die Protestwoche
Von André Scheer und Georg Hoppe, HamburgWährend in der Hamburger City am Sonntag Tausende Menschen gegen die Politik der »G 20« demonstriert haben, hat sich die Polizei der Hansestadt im Viertel Rothenburgsort erneut über Urteile der Gerichte hinweggesetzt. Obwohl das Verwaltungsgericht Hamburg am Sonnabend den Aufbau des »Antikapitalistischen Camps« im Elbpark genehmigt und auch das Errichten von Schlafzelten befürwortet hatte, hinderten die Beamten die Aktivisten am Betreten des Platzes. Die Uniformierten erklärten, dass noch kein Auflagenbescheid vorliege, weshalb der Aufbau nicht beginnen könne. Allerdings lag auch kein schriftliches Verbot vor, so dass den Organisatoren auch eine juristische Intervention verwehrt blieb.
In ersten Reaktionen empörten sich Sprecher der Demonstranten über den »krassen Verfassungsbruch« der Sicherheitskräfte. Deren Verhalten komme einem »Putsch der Polizei gegen die Justiz« nahe, hieß es. Im Gespräch mit junge Welt berichtete ein Mitglied der Vorbereitungsgruppe, dass bereits am S-Bahnhof Rothenburgsort Polizisten versucht hätten, die ankommenden Demonstranten zum Umkehren zu überreden.
Nachdem der Zugang nicht gewährt worden und es zu Rangeleien mit der Polizei gekommen war, wurde eine Dauerkundgebung angemeldet. Die Demonstranten begannen mit dem Aufbau von Einzel- und Gruppenzelten sowie weiterer Campinfrastruktur am Straßenrand und auf der Fahrbahn. Eine Infowand wurde von einer Polizeieinheit weggetragen und später zurückgegeben. Rund 200 Teilnehmer kündigten an, bis zur Durchsetzung des Camps vor Ort bleiben zu wollen. Aus dem linken Zentrum »Rote Flora« hieß es laut einer Sprecherin, die dort für den Abend geplante Vollversammlung zur Repression gegen die Camps werde aus Solidarität zum geplanten Zeltlager nach Entenwerder verlegt. Kurz vor jW-Redaktionsschluss wurde ein Angebot der Versammlungsbehörde bekanntgegeben: Die Größe des Camps sei auf ein Viertel zu verringern. Es solle keine Duschen geben, außerdem dürfe nicht gekocht und geschlafen werden. Die Camp-Organisatoren lehnten dies ab.
Solidaritätsbekundungen erhielt das Vorbereitungsteam des Zeltlagers auch aus der Innenstadt. Redner der Kundgebung »G-20-Protestwelle« auf dem Rathausmarkt forderten die Behörden auf, die Gerichtsurteile zu respektieren. Einige Aktivisten bauten mitten in der Abschlusskundgebung ihre Zelte auf. Soll uns die Polizei doch hier, direkt vor dem Rathaus und unter den Augen der Öffentlichkeit, räumen, erklärten sie. »Hamburg muss sich jetzt entscheiden: Rechtsstaat oder Polizeistaat«, sagte Nico Berg von der Interventionistischen Linken.
An der Großdemonstration, zu der Gewerkschaften, Umwelt- und Bürgerrechtsgruppen aufgerufen hatten, beteiligten sich gestern Tausende. Während die Polizei zunächst nur 4.000 Teilnehmer gezählt haben wollte und sich später auf 10.000 korrigierte, sprachen die Veranstalter von 25.000 Menschen, die sich zu Fuß rund um die Binnenalster sowie mit 130 Booten auf dem Gewässer bewegt hätten, um ihren Protest gegen die Politik der G 20 deutlich zu machen. »Gemeinsam haben wir ein Zeichen für soziale Gerechtigkeit, mehr Demokratie, die Rettung des Klimas und gegen neoliberale Politik gesetzt«, zeigten sich die Veranstalter anschließend per Pressemitteilung zufrieden, obwohl sie einräumten, mit einer größeren Teilnehmerzahl gerechnet zu haben. »Trotzdem haben wir deutlich gezeigt, dass unsere Initiative für einen Politikwechsel der G-20-Staaten von der Mitte der Gesellschaft getragen wird.«
Siehe Seiten 4, 6 und 8
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
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