Der Staat zeigt die Instrumente
Von Kristian StemmlerMit einer »Politik der Abschreckung« werde versucht, Menschen von der Teilnahme an den Protesten gegen den Gipfel abzuhalten, erklärte Sebastian Krause, ein Vertreter des die Aktivisten rechtlich unterstützenden Ermittlungsauschusses G20 (G20: EA), am Dienstag gegenüber jW. Von sogenannten Gefährderansprachen, der »öffentlichen Diffamierung von Einzelpersonen«, der Zerstörung von Camp-Infrastruktur bis hin zu Razzien und Präventivhaft reiche das Instrumentarium. »Gefährderansprachen« durch die Polizei habe es in den letzten Tagen mindestens in Hamburg, Rostock, Dresden, Leipzig, Burg bei Magdeburg und Saarbrücken gegeben.
»Das ist ein planvolles Vorgehen, was vor dem Gipfel passiert«, betonte Krause. Durch Presseberichte sei bekanntgeworden, dass diese Abschreckungspolitik vom »Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum« in Köln beschlossen wurde. Die Sicherheitsbehörden wüssten genau, was sie tun und würden offene Rechtsbrüche einkalkulieren, wie sie beim Räumen von Zelten auf der Halbinsel Entenwerderin Hamburg am Wochenende vorgelegen hätten. »Die beschlossene Linie wird durchgezogen, die öffentliche Meinung ist denen erst mal egal«, so Krause.
In Burg bei Magdeburg habe die Polizei Aktivisten mit Haft gedroht, falls sie in Hamburg auffällig würden. In Rostock sei eine Person nach einer Razzia am Freitag abend sogar »zur Gefahrenabwehr« in Unterbindungsgewahrsam genommen worden. Die Razzia habe auf Betreiben des Hamburger Landeskriminalamtes (LKA) stattgefunden. Laut Aussage der Polizei werde geprüft, ob ein Verfahren nach Paragraph 129 a des Strafgesetzbuches (»Bildung einer kriminellen Vereinigung«) eröffnet werde, kritisierte der Vertreter des Ermittlungsausschusses.
Wie eine Gefährderansprache abläuft, schilderte ein Betroffener jW am Montag. In der Öffentlichkeit sei er von einer ihm unbekannten Frau angesprochen habe, die ihm bedeutet habe, man kenne seine Gesinnung und habe ihn im Auge. Seine Rückfrage, ob das eine Gefährderansprache sei, habe die Frau bejaht, und auf die Frage, wer sie sei, nur geantwortet: Sie sei vom BKA (Bundeskriminalamt).
Hamburgs Geheimdienst setzt derweil auf die Diffamierung von Gipfelgegnern mit einer Art Internetpranger (jW berichtete). Auf der Homepage der Stadt, www. hamburg.de, werden drei Gruppierungen, die man sich herausgepickt hat, und deren Repräsentanten mit ausgewählten Zitaten aus Medien als »gewaltorientiert« diskreditiert: die autonome Szene um das alternative Kulturzentrum »Rote Flora«, der »Rote Aufbau« Hamburg und die Interventionistische Linke (IL). Genannt werden Vertreter dieser Gruppen, die oft in der Öffentlichkeit auftreten: Flora-Sprecher Andreas Blechschmidt, Halil S. vom Roten Aufbau und IL-Vertreterin Emily Laquer. »Hier werden Leute im Stil von Bild als vermeintliche Rädelsführer denunziert, tatsächlich soll aber die soziale Bewegung gegen den Gipfel als Ganzes diskrediert werden«, sagte Sebastian Krause dazu.
Der zum Gipfel organisierte anwaltliche Notdienst hat am Montag kritisiert, dass zwei Anwälten, Ralph Monneck (Berlin) und Dirk Audörsch (Oldeswort), am Montag abend der Zugang zur Außenstelle des Amtsgerichts Hamburg im Bezirk Harburg zunächst verweigert wurde. Diese ist nur für den Gipfel im Stadtteil Neuland in Containern eingerichtet worden. Sie hält auch Räume vor, in denen Anwälte sich mit Mandanten besprechen sollen, die in der benachbarten Gefangenensammelstelle (Gesa) eingeknastet wurden.
Erst nach Diskussionen und einer Stunde Wartezeit seien die Anwälte eingelassen worden, hieß es vom anwaltlichen Notdienst. Die nächste Schikane sei gewesen, dass sie sich nicht unbeschränkt in den Arbeitsräumen aufhalten durften. Dies sei aber von Justizsenator Till Steffen (Grüne) zugesichert worden.
Hamburgs Polizei heizt indes weiter die Stimmung an. Bei Facebook postete sie am Dienstag vormittag eine Aufstellung von Gegenständen, die sie angeblich bei Razzien in Hamburg und Rostock in den vergangenen Tagen sichergestellt hat, wie Böller, Zwillen, mit Bitumen gefüllte Feuerlöscher. Dazu stellte sie ein Video, in dem die Handhabung der Gegenstände demonstriert wird, um ihre Gefährlichkeit zu demonstrieren.
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