Gefährlicher »Herbst des Kapitalismus«
Von Claudia Wangerin, HamburgEinen Mangel an Strategien gegen den Neoliberalismus und gegen die neue Rechte hat Samir Amin am Ende des zweitägigen Alternativgipfels zum Treffen der G-20-Staatschefs in Hamburg festgestellt. »Wir leben in einer sehr gefährlichen Zeit«, sagte der ägyptische Ökonom auf dem Abschlusspodium am Donnerstag abend. »Ein System geht zu Ende, aber es entsteht noch kein neues.« Im derzeitigen »Herbst des Kapitalismus« sei der Weg zum »Frühling der Völker und der Menschen« noch nicht geebnet. Die Alternative dazu sei der Verfall.
Hans-Jürgen Urban vom Vorstand der Gewerkschaft IG Metall sieht dagegen nur einen Hegemonieverlust des Kapitalismus – der allerdings dazu führe, dass »der ganze Laden autoritärer wird«, weil die Menschen das System nicht mehr als selbstverständlich akzeptierten. Den Beweis dafür trat die Polizei zeitgleich in der Hansestadt an: Erste Meldungen über Schwerverletzte auf der Anti-G20-Demonstration unter dem Motto »Welcome to Hell« wurden bekannt.
Die indische Wirtschaftswissenschaftlerin Wasserwerfereinsatz an der Hafenstraße. Foto: RedGlobe nannte das Ende des Kapitalismus »ein Drama in vielen Akten«. Die Abschlussrunde des Alternativgipfels im Hamburger Kulturzentrum Kampnagel stand unter dem Motto: »Für Globale Solidarität – mit einer progressiven Internationale? – Strategien gegen den Neoliberalismus und die neue Rechte«. Doch von der Gründung einer »Fünften Internationale«, wie Samir Amin sie vorschlug, zeigte sich Jayati Ghosh mit Blick auf die eher unbedeutende »Vierte Internationale« wenig begeistert.
Tatsächlich sind an diesen beiden Tagen sehr unterschiedliche Perspektiven auch innerhalb der Protestbewegung gegen die »Gruppe der 20« aus den vorgeblich wichtigsten Industrie- und Schwellenländern sowie der EU sichtbar geworden – was nicht zuletzt mit der Konkurrenz unter Staaten wie Deutschland, den USA und Russland zu tun hat. Urban benannte aber zumindest eine Gemeinsamkeit zwischen den Regierenden: Wenn sie von ihrem Gipfeltreffen nach Hause kämen, würden sie weiterhin die Rechte der arbeitenden Bevölkerung in Frage stellen. Damit die Verlierer der neoliberalen Politik sich nicht rechten Parteien und Bewegungen zuwenden, sei eine »Doppelstrategie aus klarer Kante und offener Tür« nötig.
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