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16.07.2017, 17:44:28 / No G20

G20 in Hamburg aus Sicht eines Polizisten

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Auf dem Blog vionville.blogspot.de veröffentlichte der Polizist Oliver von Dobrowolski am Freitag seine Eindrücke von G 20 in Hamburg, wo er als einer von 30 Berliner »Kommunikationsteam«-Beamten im Einsatz war. Er ist zweiter Vorsitzender des Vereins »PolizeiGrün« von Polizisten, die bei den Grünen sind:

Freilich wurde ich nicht wie viele Spezial- oder besondere Festnahmeeinheiten an »vorderster Front« eingesetzt, nachdem die Krawalle begannen. Zwar hatte ich neben meiner üblichen Schutzausrüstung auch meinen Helm mit, musste diesen jedoch nicht zum Schutz aufsetzen. Nichtsdestotrotz vermischten sich meine höchst persönlichen Impressionen mit den parallel verfolgten Twitterfeeds der Hamburger Polizei einerseits und der mutmaßlichen Gipfelgegner andererseits zu einem Gefühlspotpourri, das mitunter an Skurrilität nicht mehr zu übertreffen war. Völlig klar, dass die natürlich mit den Kollegen geführten Debatten und die über Funk eintreffenden Erkenntnisse für zusätzliche Würze sorgten.

Wenn man dann noch den Blick gehoben hat und am bebauten Horizont dunkle Rauchschwaden über Altona und St. Pauli hochsteigen sieht, spätestens dann fragt man sich einfach: What the fucking hell mache ich hier eigentlich?! (...)

Im Ergebnis bewerte ich meine Einsatzimpressionen sowie den Blick auf die bis dato erfolgten öffentlichen Bewertungen wie folgt: Dass in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland, das als führende Nation in verschiedenen Bündnissen zu Recht Defizite beim Demokratieverständnis sowie den Bürger- und Freiheitsrechten in Staaten wie der Türkei, Ungarn und Russland anprangert, ein Gipfeltreffen mit derartigen Einschränkungen eben dieser Rechte einhergeht und sowohl die politische als auch die polizeiliche Führung einen Rückfall in vergangen geglaubte Zeiten praktizieren, ist unfassbar und beschämend. (…) Die Diskussion, ob ein solcher Gipfel überhaupt in einer Metropolregion hätte stattfinden dürfen (meine Auffassung: nein!) ist müßig. Aber in Hamburg hat man mit der Plazierung des Hauptgeschehens in unmittelbarer Nähe zum Kiez sowie mit dem Transferkorridor und der Allgemeinverfügung gezeigt, dass man schlechte Bedingungen durch falsche Herangehensweisen immer noch verschlimmern kann. (…)

Ich jedenfalls bin der Meinung, dass die Exekutive den unumstößlichen Auftrag hat, unsere Demokratie und die in ihr lebende Gesellschaft zu schützen. Es gilt, unsere Verfassungswerte und moralischen Grundsätze zu verteidigen. Dass in vielen Menschen nun der Eindruck entstanden ist, gerade die Polizei hat in Hamburg unter Aufbietung ihres gesamten Werkzeugkastens die temporäre Aufhebung von Grundrechten ermöglicht und gestützt, ist gleichermaßen heftig wie fatal. (…) Nun, nicht schwierig dürfte die Feststellung sein, dass es Polizeigewalt definitiv gab. Sorry, Olaf Scholz. Aber die x-fachen Foto- und Videoaufnahmen von meist eindeutigen Situationen, in der keine denkbare Rechtfertigung oder Entschuldigung für körperliche Gewalt vorliegen kann, sprechen eine eindeutige Sprache. Hinzu treten die vielen persönlichen Berichte von Journalisten und Aktivisten, die bei ihrer Tätigkeit behindert oder auch angegriffen wurden, die gewiss nicht in Gänze erfunden sein können.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!