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05.06.2007, 21:31:15 / G8-Blog

Presseschau: Wider Hochrüstung und Provinzpolitiker

Die mediale Hysterie über den »Schwarzen Block« weicht in den Mittwochausgaben der Tageszeitungen allmählich einer differenzierteren Berichterstattung über die staatliche Repression und ihre Folgen.

Die Ulmer »Südwest Presse« meint: »Die blutigen Krawalle von Rostock sorgen verständlicherweise nach wie vor für Diskussionsstoff. Dennoch sollte bei der Debatte um das weitere Vorgehen der Polizei Augenmaß bewahrt werden. Wer jetzt nach dem Einsatz der Elite-Einheit GSG 9 oder gar nach der Verwendung von Gummigeschossen ruft, tut das Gegenteil. Die Vorschläge sind schon allein sachlich nicht haltbar: Die GSG 9 ist eine Antiterror-Einheit, die vor allem für Einzelaktionen wie das Befreien von Geiseln ausgebildet wurde, nicht aber für das Vorgehen gegen einen gewalttätigen Mob. Gummigeschosse sind für den Einsatz gegen Menschenmassen ebenfalls ungeeignet. Sie dienen wie Wasserwerfer nicht nur der Abschreckung, sondern sie können schwere Verletzungen hervorrufen, schlimmstenfalls sogar zum Tod führen.«


Die »Mitteldeutsche Zeitung« in Halle verwahrt sich gegen die Hochrüstungsdebatte: »Gummigeschosse gegen Gewalttäter forderte etwa der SPD-Mann Sebastian Edathy. Und aus der Union wurde gar der Ruf nach der GSG 9 laut. Wer bietet mehr? Wie wäre es mit dem Kommando Spezialkräfte - kurz: KSK. Das ist offenbar seltener in Afghanistan im Einsatz als gedacht. Es müßte zwar die Verfassung geändert werden, um die KSK-Soldaten nach Rostock zu schicken. Aber wenn wir schon mal dabei sind ... Im Ernst: Diese Hochrüstung in der Sicherheitsdebatte ist verantwortungslos.«


Noch schärfer reagiert die »Lausitzer Rundschau« in Cottbus: »Es gibt bei diesem Gipfel an der Ostsee eines, was sie einen könnte, die drinnen hinterm Zaun, die draußen davor und die in sicherer Distanz, die glauben, ohne ihre Anmerkungen gehe es auch nicht. Es ist der Hang zur Superlative. Der Gipfel der Gipfelstürmerei ist ohne Zweifel die absurde Forderung, die für den Antiterroreinsatz trainierte GSG 9 auf die Straße und in den Kampf gegen den schwarzen Block zu schicken. Da mischen sich Supermann-Fantasien mit einer völligen Unterschätzung der Fähigkeiten weniger spezialisierten Polizeieinheiten. (...) offensichtlich ist in diesen Tagen auf allen Hinterbänken und Stammtischen der Hang groß, allumfassend aufzurüsten. (...) Was in Rostock passierte an schlimmen Gewaltexzessen, mußte man andernorts auch schon ertragen. (...) Neu ist die grenzenlose Aufgeregtheit, die sich weniger aus der Wirklichkeit als vielmehr aus dem Drang zu Spitzenleistungen im verbalen Kraftakt erklären läßt. Es bleibt immerhin noch die Hoffnung, daß das in Heiligendamm versammelte Spitzenpersonal sich nicht anstecken läßt von der bei deutschen Provinzpolitikern offenbar weit verbreiteten Sucht nach der finalen Rettungsforderung.


Der »Kölner Stadt-Anzeiger« kritisiert schließlich die gerichtlich abgesegneten Polizeiauflagen für Heiligendamm, Demonstranten sollen sich vor dem 24 Stunden vor dem Protest registrieren lassen: »Aus Protest gegen die gerichtlichen Auflagen wurde gestern die einzige im näheren Umkreis von Heiligendamm genehmigte Kundgebung von den Veranstaltern wieder abgesagt. (...) Das Grundgesetz schützt Demonstrationen als relativ unreglementiertes Ventil für Unmut aller Art. Wer daraus einen Verwaltungsakt mit vorheriger Sicherheitsüberprüfung macht, pervertiert die Versammlungsfreiheit. Das Verfassungsgericht hat dazu in seiner gestrigen Eilentscheidung leider gar nichts gesagt und holt dies hoffentlich im Hauptverfahren noch nach.«


Die »Saarbrücker Zeitung« sieht einen politischen Aufbruch und wettert klischeestark: »Was die Bundesrepublik im hohen Norden auch erlebt, ist eine unerwartete Politisierung großer Teile der Bevölkerung, besonders der als träge und selbstverliebt geltenden Jugend. Respekt. Das tut dem Land gut. Die Vielfalt, Buntheit und Offenheit der Demonstranten ist genau das Gegenteil dessen, wofür der G8-Gipfel in seiner jetzigen Form steht: Er ist starr, verschlossen, elitär, entrückt. Die Fernsehbilder aus Rostock zeigten auch Demonstranten, die versuchten, Randalierern die Pflastersteine zu entreißen. Hut ab vor so viel Zivilcourage. Die Politik der G8 wird in Zweifel gezogen, nicht der Rechtsstaat. Die Krawallmacher im 'schwarzen Block' tragen hingegen Sonnenbrillen, die in China gefertigt wurden. Sie stülpen sich Kapuzenjacken aus Korea über und gehen nach der Randale amerikanische Hamburger essen und Cola trinken.«

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