Lesung im Büro des Che
Von Harald NeuberDer Stand der jungen Welt läuft gut – auch dank unserer Unterstützer. Erste Veranstaltung mit Hans Modrow heute
Wir können kaum glauben, daß heute erst der zweite Tag auf der Messe ist. Seit Montag waren wir schließlich schon mit dem Aufbau des Standes beschäftigt, haben unser Material beim Zoll ausgelöst, Tische besorgt und erste Probleme mit dem Internet ausgeräumt. Nun stellt sich Routine ein. Ein guter Zeitpunkt also, kleine Verbesserungen vorzunehmen. Kurzerhand haben wir unser provisorisches Redaktionsbüro in Havanna auf einen zweiten Tisch neben den Stand verlegt. So bleibt in der Sechs-Quadratmeter-Kabine mehr Raum für Gespräche. Bei den Menschenmassen, die sich schon jetzt, am Freitag, durch die kolonialen Hallen zwängen, werden davon am bevorstehenden Wochenende nicht wenige geführt werden.
Inzwischen sind unsere Unterstützer eingetroffen. Michael, ein jW-Internetleser aus Mexiko ist für einige Tage nach Havanna gekommen, um auszuhelfen. Auch Rainer von der jW-Leserinitiative in München ist zu uns gestoßen. Beide sprechen ebenso gut Spanisch wie unsere kubanische Freundin Mónica, die wir schon aus den vergangenen Jahren kennen, Deutsch beherrscht.
Wir alle haben alle Hände voll zu tun, die spanischsprachige jW-Sonderausgabe unter die Leute zu bringen. Zehn Zeitungspakete glt es jeden Tag zu verteilen und in der Mittagshitze ist das eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Bei einer zweiten, genaueren Durchsicht sind uns aber doch noch eine Reihe Rechtschreibfehler aufgefallen. Immerhin aber ist es die erste fremdsprachige Ausgabe der jungen Welt nach 1989. Trotzdem nehmen wir uns vor, im kommenden Jahr mehr Vorlauf einzuplanen als die sieben Tage, die wir vor unserer Abreise für die Produktion hatten. Spontaneität ist zwar eine Stärke der jungen Welt. Nötig ist sie nicht immer. Dieser kleinen Probleme ungeachtet ist das Interesse an der Ausgabe groß. Unser diesjährges Thema »Krieg und Frieden« kommt in Havanna an.
Die Veranstaltung des Tages findet in der alten Kommandantur von Ernesto »Che« Guevara statt. Um halb sechs wird dort Hans Modrow mit junge Welt sein Buch »In historischer Mission« vorstellen. Gemeinsam haben wir vor unserer Abreise die Passagen ausgesucht die wir vorlesen wollen. Dabei soll es vor allem um die Kontakte zwischen der DDR und Kuba sowie Lateinamerika gehen. Ein Freund in Bogotá hat die Textabschnite übersetzt und so schauen wir zuversichtlich einer gut vorbereiteten Lesung entgegen. Bei dem Interesse, das die DDR in Kuba immer noch genießt, sind wir froh, daß unserer Freunde von der Solidaritätsorganisation Cuba Sí noch 30 Ausgaben des Buches mitgeschickt haben.
PS: Im Programm ist Hans Modrows Buch mit »Ein Historiker auf Mission« übersetzt. So ganz falsch ist das ja aber nicht, denn es geht im Endeffekt um das historische Gedächtnis in Deutschland – und die Lehren, die Kuba daraus ziehen kann. Insofern bietet die Lesung dem Publikum einen anderen Standpunkt zu Deutschland, als er in den Hochglanzprospekten der Frankfurter Buchmesse und des Auswärtigen Amtes vermittelt wird.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!