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15.02.2008, 23:19:45 / Buchmesse Havanna 2008

»Den USA werden wir uns jedenfalls nicht unterwerfen«

Von Interview: Peter Wolter
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Leonel R. Cala Fuentes

Ein Kubaner, der neun Jahre in der DDR gelebt hat, hat im vergangenen Jahr seine früheren Wohnorte wieder besucht. Ein Gespräch mit Leonel R. Cala Fuentes

Sie haben lange in der DDR gelebt – wie empfinden Sie es als Kubaner, daß es diesen sozialistischen Staat nicht mehr gibt?

Ich habe von 1976 bis 1987 in der DDR gearbeitet, im vergangenen Jahr bin ich wieder einmal nach Deutschland gefahren, auf den Spuren meiner Vergangenheit. Ich hatte u. a. in den Leuna-Werken gearbeitet, die damals etwa 30.000 Beschäftigte hatten – heute arbeiten da vielleicht noch 4000 Menschen. Ich war auch in Zeitz, in Merseburg, in Halle oder in Weißenfels und habe mit vielen Leuten gesprochen, die ich von früher kannte. Viele berichteten über ihre Sorgen, ihre Angst vor der Zukunft, sie haben sich auch über die weit verbreitete Arbeitslosigkeit beklagt. Andere wiederum sagten mir, daß sie froh darüber sind, daß sie jetzt dorthin reisen können, wohin sie möchten.

Was haben Sie von den Erfahrungen, die Sie in der DDR gemacht haben, für sich nach Ihrer Rückkehr nach Kuba nutzen können?

Was ich in der DDR als erstes gelernt habe, das war die sprichwörtliche deutsche Pünktlichkeit. Ich habe auch die großartige deutsche Kultur bewundert und vor allem das, was uns Kubaner ein wenig fehlt, die deutsche Arbeitsdisziplin.

Haben Sie heute noch Freunde in der ehemaligen DDR?


Das war wunderschön, daß ich nach zwei Jahrzehnten meine deutschen Freunde wiedersehen konnte. Zum Beispiel habe ich die Frauen getroffen, die in unserem Wohnheim gearbeitet hatten – das war sehr bewegend, das kann man gar nicht beschreiben. Einige von ihnen sind ja auch in meinem Buch erwähnt. Mehrere dieser früheren Freunde und Freundinnen möchten mich auch in Kuba besuchen. Ich hoffe, daß diese Freundschaften weiter erhalten bleiben.

Das Verschwinden der sozialistischen Staaten in Europa hat auch Kuba schwer getroffen. Wie haben Sie die »período especial«, erlebt, die Zeit, als Ihr Land plötzlich von den wichtigsten Wirtschaftsverbindungen abgeschnitten war?

Das ist ja mittlerweile in der ganzen Welt bekannt, was Kuba in dieser Zeit durchmachen mußte. Und nicht nur der Staat – das hat jeden einzelnen von uns betroffen. Ich habe damals eine Zeit lang als Dolmetscher für die ehemaligen DDR-Deutschen gearbeitet, die hier noch lebten. Wir konnten nicht mehr auf die Hilfe der sozialistischen Länder zählen, hinzu kam, daß die USA ihre Wirtschaftsblockade in dieser Situation auch noch verschärften. Wir bekamen kein Öl mehr, viele Betriebe mußten schließen. Ganz schwer wurde es für mich, als meine Frau 1993 starb. Ich habe damals unter der wirtschaftlichen Situation schwer gelitten, vor allem, weil ich auch noch für meinen damals dreijährigen Sohn sorgen mußte.

Kuba hat sich seitdem wirtschaftlich erstaunlich gut erholt. Ist der heutige Lebensstandard mit dem der 80er Jahre vergleichbar?

In den 80er Jahren haben wir ganz gut gelebt, wir waren in das sozialistische Wirtschaftssystem, den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, eingebunden, es gab viele Verträge mit sozialistischen Staaten. Die Lage hat sich nach dem Niedergang Anfang der 90er Jahre langsam wieder für uns verbessert, auch wenn es heute immer noch so manches Problem gibt.

Die USA, Deutschland und andere imperialistische Staaten spekulieren darauf, daß Kuba nach dem Tode des Revolutionsführers Fidel Castro einen ähnlichen Weg geht, wie ihn die frühere DDR gegangen ist. Wie steht denn die kubanische Bevölkerung dazu?

Ich bin kein Politiker. Wir möchten gute Beziehungen mit aller Welt haben – aber unter der Voraussetzung, daß wir auch respektiert werden. Natürlich möchten wir ein besseres Leben haben, aber nur unter der Bedingung, daß wir frei sind. Dem US-Kapitalismus werden wir uns jedenfalls nicht unterwerfen.

Was erwarten die Kubaner von den Präsidentschaftswahlen in den USA?

Zunächst muß man erst einmal davon ausgehen, daß jeder US-Präsident in erster Linie die reichen Leute vertritt. Und die möchten den Zugang zum Öl haben und sind bereit, dafür auch Krieg zu führen. Den Warschauer Pakt gibt es nicht mehr, die NATO tut, was sie will. Es wird immer mehr Geld in Rüstung und Raketen gesteckt, sie wollen die ganze Welt beherrschen. Von der Wahl erwarte ich nicht viel – vielleicht kann sich die Lage ein wenig verbessern, wenn Barack Obama von den Demokraten siegt.



Von Leonel R. Cala Fuentes ist bei Dietz Berlin erschienen: »Kubaner im realen Paradies: Ausländer-Alltag in der DDR«

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