»Die kubanische Wirtschaft muß effektiver werden«
Von Interview: Peter WolterKubas Wirtschaftsminister plädiert dafür, stärker die Erfahrungen Chinas zu nutzen. Ein Gespräch mit Hans Modrow
Hans Modrow war der vorletzte Ministerpräsident der DDR. Er weilt derzeit als Staatsgast in Kuba und stellte bei der Buchmesse in Havanna dem kubanischen Publikum sein Buch »In historischer Mission« vor.
Sie sind jetzt zum siebten Mal auf Kuba – haben also die Entwicklung des Landes über Jahrzehnte hinweg verfolgen können. Wie hat sich das Land nach Ihrem Eindruck in diesem Zeitraum verändert?
Es ist schwer, Vergleiche zu ziehen, bei meinem ersten Besuch 1970 existierten noch die sozialistischen Länder in Europa. Ich war mit einer DDR-Delegation hier, um über die Zusammenarbeit vor allem auf landwirtschaftlichem Gebiet zu verhandeln. Heute sind die UdSSR und die anderen sozialistischen Länder verschwunden - Kuba muß seinen Weg alleine gehen.
Beobachter erwarten, daß die kubanische Nationalversammlung am 24. Februar wichtige Veränderungen in der Staatsführung beschließt. Sie haben Gespräche mit hohen kubanischen Politikern geführt – gibt es Andeutungen, was zu erwarten ist?
Von meinen Gesprächspartnern war keiner bereit, sich konkret zu äußern. Ricardo Alarcón, der Präsident der Nationalversammlung, räumte lediglich ein, daß es in der Zusammensetzung des Staatsrates Veränderungen geben wird. Und er ergänzte, daß sich in den zu erwartenden Entscheidungen auch die Erwartungen der Bevölkerung widerspiegeln werden. Vor einiger Zeit hatte es in Vorbereitung der Wahlen eine Art Volksbefragung gegeben, bei der mehrere Millionen Verbesserungswünsche geäußert wurden.
Kuba hat mit Problemen zu kämpfen, die man ähnlich in der DDR kannte. Dort gab es mit der D-Mark eine inoffizielle Zweitwährung, was zu wirtschaftlichen Verwerfungen und ideologischen Problemen führte. Das scheint auch auf Kuba so zu sein, wo es mit dem konvertiblen Peso eine sogar offizielle Zweitwährung gibt. Konnten Sie ihren Gesprächspartnern Ratschläge geben, wie man mit diesem Dilemma umgehen könnte?
Schon zu DDR-Zeiten hielt ich es nicht für klug, Ratschläge zu erteilen. Die kubanische Führung ist sich des Problems bewußt, es wurde allerdings immer wieder betont, daß es nicht nur um die zwei Währungen geht, sondern auch um die Gestaltung der Preise. Eine zufriedenstellende Lösung brauche jedoch Zeit.
Sehr interessant war mein Gespräch mit dem Minister für Wirtschaft und Planung, José Rodriguez. Er sprach von sich aus als erstes an, daß die Versorgung dringend verbessert werden muß. Es gehe nicht an, daß jedes Jahr für 1,6 Millarden Dollar Lebensmittel importiert werden. Die eigene Landwirtschaft müsse gestärkt werden. Es hat mich an die DDR erinnert, als er auf die Schwierigkeiten verwies, den Haushalt für die kommenden Jahre festzulegen. Alle seine Ministerkollegen stellten Forderungen, keiner zeige Verständnis dafür, daß das Budget begrenzt sei. Der Sportminister z. B. wolle Mittel dafür, daß Kuba bei den Olympischen Spielen in Peking Goldmedaillen gewinnt. Klar, sagte Rodríguez, Goldmedaillen brauchen wir, aber wir haben unsere finanziellen Grenzen. Er verwies dann auf das hervorragende Gesundheitswesen Kubas, das immer mehr Geld verschlinge. Auch das Bildungssystem werde immer teurer. Sein Resümee war, daß die Wirtschaft effektiver werden muß, damit diese Mittel aufgebracht werden können. Die Erfahrungen des befreundeten China müßten stärker in die Entwicklung der kubanischen Ökonomie einbezogen werden.
Wie steht es mit der Energieversorgung?
Rodríguez sagte, Kuba fördere aus eigener Kraft 44 Prozent des Erdöls, für den Rest stehe Venezuela als zuverlässiger Partner ein. Ich fragte dann, wie ernst die Aussage des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez zu nehmen sei, daß er die Öllieferungen an die USA drosseln wolle. Antwort: Das wird angestrebt, geht aber nicht über Nacht. Venezuela braucht die Dollar-Einnahmen, um seine sozialen Programme zu finanzieren. Rodríguez schloß damit, daß Kuba nicht mehr nur auf die Solidarität anderer setzen, sondern auf eine Strategie der Zusammenarbeit und Partnerschaft hinarbeiten müsse.
Auf Kuba wird zur Zeit ein schon aus DDR-Zeiten bekanntes Problem diskutiert: Reisefreiheit. Gab es dazu Hinweise in Ihren Gesprächen?
Es wird überlegt, wie die Ausreisebedingungen neu formuliert werden können. Allerdings hat Kuba ein Problem, das auch die DDR schon hatte: Es fehlt an Devisen, damit die Leute reisen können. Es kann ja keine Lösung sein, daß Reisefreiheit nur für diejenigen existiert, die Verwandte in den USA besuchen wollen.
Sie haben auf der Messe Ihr Buch »In historischer Mission« vorgestellt, in dem Sie auch die letzte Phase der DDR schildern. Wie empfanden Sie die Reaktion des kubanischen Publikums?
Mein Buch könnte in zweierlei Hinsicht Resonanz haben. Zum einen schildere ich darin Kontakte und Beziehungen, die die DDR entwickelt hat. Kuba spielt dabei auch eine Rolle. Zum anderen habe ich ein großes Interesse daran festgestellt, was mit dem Untergang der Sowjetunion und der sozialistischen Staaten in Europa zusammenhängt.
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