Revolution auf dem Tanzboden
Von Peter SteinigerHavanna ohne Musik und Tanz ist nicht denkbar.
Nach einem langen, durch Hitze und Lärm schlauchenden Tag am jW-Stand auf der Buchmesse brauchen wir Auslauf. Im Altstadtviertel Vieja, am Bulevar Obispo, einer historischen, touristisch geprägten Einkaufsgasse, gibt es an einer Ecke noch eine kleine Kiezkneipe. An der Wand hängt eine recht eindrucksvolle Urkunde mit dem Konterfei von Che Guevara. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich um die Schanklizenz. "Für den Hut" musiziert hier ein Trio: Kontrabass, eine dreisaitige Gitarre und Gesang. Die voluminöse Sängerin reißt mit Stimme, Ausstrahlung und Temperament mit.
Anschließend ist Salsa angesagt. Im Lluvia de Oro ("Goldregen"), einer legendären Tanzbar nur wenige Schritte weiter, spielt eine geradezu explosive Combo auf. Jeder Ton, jede Bewegung ist Lebensgefühl, die Musik bezieht den ganzen Körper ein. Model-Figuren werden auf der Tanzfläche kaum vorgeführt, zählen tun Hingabe und Rhythmusgefühl. Im ganzen Lokal herrscht eine lärmende Ausgelassenheit, wird mitgesungen. Kubanische Sinnlichkeit ist der genaue Gegensatz von deutschem "Frohsinn". Alle und alles ist in Bewegung. Die Fremden fallen tänzerisch etwas ab, bleiben abwärts der Hüfte steif.
Unter den Tanzenden sind auch viele Schwarze, vor allem Frauen, Nachfahren der Sklaven, die in den Minen, in den Zuckermühlen und auf den Plantagen ausgebeutet wurden. Großformatige Fotografien an den Wänden zeigen das Lokal in viel früheren Tagen: voller hellhäutiger Männer. Vor der Revolution haben Schwarze hier nicht getanzt, sondern den Boden gewischt.
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