Keine Aufregung in Havanna
Von Peter WolterDie meisten Kubaner hatten wohl damit gerechnet, daß sich Fidel Castro zurückzieht
Die meisten Kubaner hatten wohl schon damit gerechnet: Der gesundheitlich stark angeschlagene Revolutionsführer Fidel Castro kandidiert nicht mehr für die Ämter des Staatspräsidenten und des Oberbefehlshabers. Wen die Nationalversammlung am Sonntag zu seinem Nachfolger wählen wird, ist zwar noch unklar – aber auch das scheint auf Kuba kaum jemanden aufzuregen.
Der Parque Central in der Nähe des Kapitols bot am Dienstag Morgen das übliche Bild: Dutzende Kubanerinnen und Kubaner saßen auf den Bänken, einige spielten Schach, andere hielten ein Schwätzchen. Fast jeder dritte hatte die Parteizeitung Granma vor sich. Lapidare Schlagzeile: »Mensaje del Comandante en Jefe« (Mitteilung des Oberbefehlshabers). Erst in der Mitte der zweiten Spalte findet sich die Nachricht des Tages: »... teile ich Ihnen mit, daß ich das Amt des Präsidenten des Staatsrates und das des Oberbefehlshabers weder anstreben noch annehmen werde – ich wiederhole: weder anstreben noch annehmen.«
»Das konnte man sich doch ausrechnen«, kommentierte ein etwa 50jähriger Lehrer. »Das heißt aber nicht, daß Fidel zurücktritt. Für uns wird er immer die Nummer eins bleiben, solange er lebt.« Daß es wesentliche Veränderungen geben wird, erwartet er jedoch nicht. »Wir haben doch eine stabile Spitze, die in den anderthalb Jahren seit der Erkrankung Fidels den Staat genau so geführt hat, als wäre der Comandante immer noch am Ruder.«
Auf der »feria del libro« der Buchmesse in der alten spanischen Festung vor der Stadt, zeigt sich ein ähnliches Stimmungsbild. Das, was eigentlich die Nachricht des Tages wäre, löst kaum Diskussionen aus – man hatte schließlich damit gerechnet. Auf die Frage, was sich denn mit Castros Rücktritt ändern könnte, reagieren einige Gesprächspartner mit verständnislosen Blicken, andere zucken ratlos mit der Schulter. »Was soll sich denn ändern?« entgegnet einer. »Der Staat ist stabil – auch wenn wir immer noch eine Menge Probleme haben. Allerdings hoffe ich schon, daß sich einiges verbessert, wenn jüngere Leute das Sagen haben.«
Einer der jungen Studenten, die als Helfer zur Buchmesse abgeordnet wurden, wird konkreter. »Fidels Bruder Raul Castro wird das Heft wohl in der Hand behalten. Ich hoffe jedenfalls, daß sich gerade für uns Studenten einiges ändert. Wir haben alle eine erstklassige Ausbildung bekommen – und die wollen wir nach unserem Abschluß auch einsetzen. Leider passiert es immer noch, daß sich so mancher nach der Universität erst einmal Arbeit als Taxifahrer oder Kellner suchen muß. Das muß dringend geändert werden – wir brauchen qualifizierte Arbeitsplätze, auf denen wir unsere Fähigkeiten auch nutzen können und die entsprechend bezahlt werden.«
»Fidel wird ja nicht aus dem politischen Leben verschwinden«, sagte ein anderer. »Immerhin hat er angekündigt, daß er regelmäßig in der Granma seine >Reflexiones del companero Fidel< veröffentlichen wird.«
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