Harte Währung macht mich mürbe
Von Jörn BoeweIch bin viel zu Fuß und mit dem Bus unterwegs in dieser pulsierenden karibischen Metropole. Obwohl mein Spanisch etwas eingerostet ist und die Kubaner kein Español, sondern Cubañol sprechen, komme ich schnell mit unterschiedlichsten Leuten ins Gespräch.
Allerdings ist es ausgesprochen frustrierend, daß praktisch jede persönliche Unterhaltung in Havanna über kurz oder lang auf eines hinausläuft. Nein, nicht erotische Dienstleistungen, obwohl das auch ein omnipräsentes Thema ist. Generell entwickelt sich nahezu jede Unterhaltung, die in einer alltäglichen Situation beginnt, auf einen Punkt hinzu, an dem dein kubanischer Gesprächspartner an ein paar konvertible Pesos herankommen will.
Ich rede nicht von den unverschämten Schleppern und Bauerfängern, die die touristischen Zentren in Scharen umlagern und die sofort zur Sache kommen. Ich rede von Luis, der seit einem Unfall vor einem dreiviertel Jahr gehbehindert ist, und sich und seine Mutter, die eine Mindestrente bezieht, mit Bongounterricht und musikalischen Gelegenheitsjobs durchbringen muß. "Kannst du ihr nicht ein Päckchen Milchpulver kaufen?", fragt er.
Oder Marbelis, die ältere Dame, die vor mir an der Wechselstube schlangesteht. Sie zeigt mir Hemingways Stammkneipe, die Bodeguita del Medio, heute ein gräßlicher Touristennepp mit dem Charme von Disneyland. "Für nichts gehe ich da rein", sage ich. Und sie: "Hemingway würde sich im Grabe umdrehen." Dafür muß ich sie einfach in den Arm nehmen. Auch sie würde gern noch etwas Vernünftiges zu essen kaufen, für ihre Tochter, die unter Schizophrenie leidet. Die bescheidenen Renten von Marbelis und ihrem Mann Jorge reichen nicht weit. Wenn ich sie mit ein, zwei Dollar unterstützen könnte. Wie könnte ich nicht?
Aber, um ehrlich zu sein, mich zermürbt das auch ein wenig. Bequemer ist es da, sich auf die großen Epochefragen von Revolution und Konterrevolution zu konzentrieren. Nur: Wer hier lebt und überleben will, kann sich diese Art Luxus nicht leisten.
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