Party, Protest und Provokation
Von Frank BrunnerEs ist schon absurd: Ausgerechnet jene predigen Politiker den Gegnern des NATO-Gipfels jetzt Gewaltlosigkeit, die seit Jahren ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen mit gewaltsamen Mittel durchsetzen.
»Kollateralschäden« werden die Kinder, Frauen und Männer in der zynischen Sprache der Militärs genannt, die im Irak, in Afghanistan und anderswo - natürlich im Namen von Freiheit und Demokratie - den Bomben der NATO-Armeen zum Opfer fallen.
Allein in Afghanistan wurden im vergangenen Jahr nach Angaben der UNO etwa 2000 Zivilisten getötet. Für die NATO sind sie kein Grund, am Sinn des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses zu zweifeln.
Die Organisation feiert ihren 60. Geburtstag. Und dabei möchten die als Gäste geladenen Staats- und Regierungschefs nicht gestört werden.
Deshalb verwandeln gut 25000 schwer bewaffnete Polizisten Baden-Baden, Kehl und Strasbourg in Hochsicherheitszonen, in denen sich die Menschen kaum noch unbeobachtet bewegen können. Deshalb werden Grenzenkontrollen wieder eingeführt, Grundrechte eingeschränkt und Friedensaktivisten drangsaliert. 50 Millionen Euro läßt sich Deutschland diese Party kosten.
Freiheit und Demokratie? Fehlanzeige. Daß eine so massive Einschüchterungstaktik zu Aggressionen bei einigen Betroffenen führt, sollte daher niemanden verwundern. Auch nicht, daß sich nicht alle Bürger mit Blumen und in Birkenstocksandalen gegen diese Zumutungen wehren.
Indes, die kleine Randale am Donnerstag in Strasbourg war alles andere als zielführend -- und offensichtlich auch nicht unter Kontrolle der NATO-Gegendemonstranten. Reiner Braun vom »Internationalen Koordinierungsgremium« (ICC) erklärte auf einer Pressekonferenz am Freitag, ihm liege eine Videoaufnahme vor, angefertigt von einer Familie aus Strasbourg-Neuhof, die zeige: »Der Hauptteil dieser kleinen Gruppe, 200 Leute, gehören zu einer kriminellen Gang aus Neuhof.« Diese nutzten die Chance, das Camp der NATO-Gegner »für ihre kriminelle Aktionen« zu mißbrauchen. Das sei aber keine Entschuldigung für »einige dumme Kerle aus dem Camp«, so Braun. Eine Differenzierung, etwa in Militanz gegen Militärfahrzeuge oder Polizeikasernen einerseits und Autos einfacher Anwohner andererseits, habe nicht stattgefunden.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!