Kriegsbündnis feiert 60. Geburtstag
Von Knut Mellenthin+++ NATO-Gipfel von Streit um eine Nebenfrage dominiert. Keine Diskussion über Ausweitung der Afghanistan-Krieges auf Pakistan +++
Wenn die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, unterstützt von Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy, sich nicht darauf versteift hätte, ihren Wunschkandidaten für den Posten des NATO-Generalsekretärs unbedingt noch während des Gipfeltreffens in Strasbourg durchzusetzen, wäre die Jubiläumsfeier der westlichen Allianz wohl ohne Highlight zu Ende gegangen. So aber sorgte das zweitägige Tauziehen um den dänischen Premier Anders Fogh Rasmussen wenigstens für etwas scheinbare Dramatik während der ansonsten völlig auf Konsens abgestellten Tagung.
Zwar waren von den 28 Mitgliedsstaaten der NATO 27 für den Dänen oder hätten um dessen Kandidatur für die Nachfolge von Jaap de Hoop Scheffer sicher keinen Streit angefangen. Aber da der Beschluss einstimmig gefasst werden musste, blockierte das türkische Nein die Wahl Rasmussens. Die Regierung in Ankara kreidet ihm an, dass er sich vor drei Jahren schützend vor ein rechtes Blatt stellte, das anti-islamische Karikaturen veröffentlich hatte. Damit wäre der Däne in der islamischen Welt eine schwere Belastung für die NATO, argumentierte der türkische Regierungschef Tayyip Erdogan. Darüber hinaus nimmt man Rasmussen in Ankara übel, dass er der Forderung nach Schließung eines kurdischen Senders nicht nachgekommen ist und dass er zur Front gegen den EU-Beitritt der Türkei gehört.
Anders als Merkel wäre die Mehrheit der Teilnehmer geneigt gewesen, die Wahl zu verschieben, da de Hoop Scheffer ohnehin noch bis zum Juli im Amt ist, also kein Zeitdruck bestand. Am Ende war es Barack Obama, der Erdogan mit Zusicherungen, über deren Inhalt bisher nichts bekannt ist, zur Aufgabe seines Veto überredete. Der US-Präsident bewahrte die Kanzlerin damit vor einer peinlichen politischen Niederlage.
Die „neue Strategie“ der US-Regierung für Afghanistan und Pakistan, die Obama schon vor einer Woche bekannt gegeben hatte, wurde auf dem NATO-Gipfel einmütig mit Lob überschüttet. Dass damit nicht nur eine militärische Eskalation in Afghanistan verbunden ist, sondern auch eine in ihren Folgen völlig unüberschaubare und jedenfalls hochexplosive Ausdehnung des NATO-Krieges auf Pakistan, rief anscheinend keinerlei Widerspruch hervor. Das Thema wurde, soweit bekannt, nicht einmal diskutiert.
Andererseits zeigten die europäischen Bündnispartner allesamt wenig Neigung, für diesen Krieg, in dem angeblich die Existenz der Allianz auf dem Spiel steht, mehr Soldaten zur Verfügung zu stellen. Die US-Regierung hatte schon im Vorfeld öffentlich versichert, dass es darum beim Gipfeltreffen auch gar nicht gehen werde.
Herausgekommen ist schließlich, dass alle europäischen Staaten zusammen ungefähr 5000 Soldaten zusätzlich nach Afghanistan schicken werden. Davon werden 3000 zeitlich befristet zur Absicherung der Präsidentenwahl im August eingesetzt. Zwischen 1400 und 2000 Militärangehörige sollen Ausbildungsaufgaben für die Streitkräfte und die Polizei Afghanistans übernehmen. Großbritannien wird 900 Mann entsenden, Deutschland und Spanien je 600. Auch Italien, Frankreich, die Niederlande, Polen und andere europäische Staaten werden ihre Kontingente aufstocken. Großenteils waren die Verstärkungen schon vor mehreren Wochen angekündigt worden.
Am Rande des NATO-Gipfels – und von den Teilnehmern anscheinend unbeachtet – ließ Obama in der Nacht zum Sonnabend wieder einmal ein „Ziel“ in Nordwestpakistan durch Raketen eines unbemannten Flugkörpers zerstören. Bei dem Angriff auf das Haus eines Lehrers in Wasiristan, der angeblich in Verbindung zu den Taliban stand, wurden 13 Menschen getötet. Nach Angaben örtlicher Behörden sind unter den Opfern neben mehreren mutmaßlichen Kämpfern auch Frauen und Kinder.
Erst am Mittwoch waren bei einem anderen Raketenangriff mindestens 14 Menschen ums Leben gekommen.
Die pakistanische Regierung hat immer wieder ohne Erfolg darauf hingewiesen, dass das Vorgehen der USA nicht nur die Souveränität Pakistans verletzt, sondern auch politisch absolut kontraproduktiv ist.
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