Lesertreffen nach dem Public Viewing
Von Claudia WangerinAls die deutsche Nationalmannschaft ins Halbfinale einzog, waren beim Public Viewing im Biergarten des »Peter-Weiss-Hauses« für freie Bildung und Kultur in Rostock keine Nationalfahnen zu sehen.
Der Trägerverein hatte schon zu Beginn der WM darauf hingewiesen, daß diese nicht erwünscht seien. Ein handgeschriebener Aushang mit den Worten »Schwarz-Rot-Gold ist nicht gewollt« hatte selbst in den bürgerlichen Medien für Aufsehen gesorgt.
»Für uns steht der Sport im Mittelpunkt«, sagt Christoph vom Trägerverein des Kulturzentrums. Es gehe dabei nicht nur um die deutsche Nationalfahne. Schließlich solle auch das Publikum in den hinteren Reihen das Spiel verfolgen können - Schwenkelemente seien dabei hinderlich. »Es gibt auch Leute, die gerade deshalb gerne bei uns die WM verfolgen.«
Obwohl Ostseezeitung den Aushang mit den Worten »Public Viewing nicht für alle?« skandalisierte, war der Biergarten beim Public Viewing voll mit Fußballfans, für die offensichtlich der Sport im Mittelpunkt stand.
In einer Leserdiskussion im Online-Portal der Ostseezeitung wurde nicht mit Ironie gespart: »Fußball-WM schauen, in schönem ruhigen Ambiente, mit sachkundigen Fans aus aller Herren Länder: Das geht nun wirklich nicht. Jeder Mensch weiß doch, daß richtiges Feiern nur inmitten sich selbst beweihräuchernder Teutonenhorden mit allerlei Staats- und Nationalsymbolen möglich ist«, schrieb ein Kommentator.
Direkt im Anschluß an das für die BRD-Mannschaft erfolgreiche Spiel gegen Argentinien trafen wir uns in einem Clubraum des Peter-Weiss-Hauses mit Leserinnen und Lesern der jungen Welt - unter ihnen auch ein ehemaliger jW-Praktikant, der inzwischen in Rostock studiert. So sprachen wir zum Beispiel über das politische Bewußtsein der Studierenden, deren Proteste gegen die neoliberale Bildungspolitik seit dem Sommer 2009 etwas abgeflaut sind - der harte Kern der Aktiven gibt andauernde Mehrfachbelastungen als wichtigen Grund an. Ein Hindernis für die Verbreitung der jW seien häufig vorkommende Reizworte - wie etwa »autonom« - auf die viele Studierende allergisch reagierten, so Ex-jW-Praktikant Georg.
Lob gibt es vor allem für geschichtliche Hintergrundartikel. »Ich habe einige davon in einer Mappe zusammengefaßt, um Bekannte mit Argumenten zu versorgen«, so ein weiterer jW-Leser aus Rostock. Verlagsleiter Peter Borak informiert über die Möglichkeit, Leserinitiativen zu gründen und jW-Mitarbeiter auch mal als Referenten einzuladen.
Der Abend wird mit einem Konzert des Liedermachers Frank Viehweg fortgesetzt, der von sich selbst sagt, er kenne nur zwei Leute, die so richtige Fußballfans sind. Seine eigenen Qualitäten sieht er auch ganz woanders: »Dein Beschützer, dein Verführer, Hausaufgabenkontrollierer, Rückenkrabbler, Bauchspazierer, Brechtgedichtinterpretierer. Dein Gedankeninhalierer, Weltschmerzdiagnostizierer, Küsseindiestirngravierer, Märchenweltenkonzipierer«, schrieb und singt er unter dem Titel »Alles was ich kann« für eine gewisse Susanne.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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