Für die Zukunft kämpfen
Von Bernd RiexingerBernd Riexinger ist Kovorsitzende der Partei Die Linke. Bei der XXII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz der jungen Welt am 14.1. in Berlin wird er mit Aitak Barani, die sich für sozial Benachteiligte engagiert, Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform der Partei Die Linke sowie Patrik Köbele, dem Vorsitzenden der DKP, über Probleme einer linken Regierungsbeteiligung in Deutschland diskutieren. Die Debatte steht unter dem Motto »Nach der Bundestagswahl 2017: NATO führt Krieg – die Linke regiert?« (jW)
Wir erleben eine gefährliche gesellschaftliche Situation. Die Wahl von Donald Trump ist eine politische Zäsur. In vielen europäischen Ländern, auch in Deutschland, erstarken rechtspopulistische und neofaschistische Parteien und Bewegungen. Islamistischer Terror und Rechtspopulismus verstärken sich gegenseitig und sorgen dafür, dass sich das politische Kräftefeld nach rechts verschiebt.
Für die Linke ist es in dieser Situation zentral, die vorherrschende Deutung der gegenwärtigen Krise als einen Kampf zwischen der Verteidigung der Globalisierung und der Demokratie (Merkel, Hollande) und der Wendung zu einem autoritären, rassistischen Staat (Trump, Le Pen, Petry) zurückzuweisen. Denn in fast allen Ländern nimmt die Konzentration von Reichtum und Eigentum in den Händen einer Klasse von Superreichen zu. Die »marktkonforme Demokratie«, wie Merkel es selbst nennt, und die jahrelangen »Reformen« zur Lohnsenkung, Rentenkürzung und Privatisierung haben den Nährboden für die Rechtspopulisten geschaffen. Ein »Weiter so« der unsozialen Politik im Interesse von Superreichen und Konzernen, wie es von Angela Merkel und weiten Teilen der europäischen Sozialdemokratie betrieben wird, ist brandgefährlich.
Aber auch Trump ist Teil des neoliberalen Herrschaftsblocks, wie auch große Teile der rechtspopulistischen Kräfte in Europa im Kern auf einen neoliberalen Wettbewerbsstaat setzen, der in Krisenzeiten durch nationalistische und rassistische Mobilisierung stabilisiert wird. Deutsche Konzerne, darunter Bayer, Siemens und die Deutsche Bank, sind sich nicht zu schade gewesen, Trump mit Millionen im Wahlkampf zu unterstützen. Wirtschaftliche Macht übersetzt sich immer unmittelbarer in politische Macht. Diese Tendenz zu einem »autoritären Kapitalismus« (so der Marburger Politikwissenschaftler Frank Deppe) in der Krise ist eine Bedrohung für alle, denen soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden am Herzen liegen. Das birgt aber auch das Potential einer gesellschaftlichen Mobilisierung.
Bollwerk gegen rechts
Vor diesem Hintergrund nimmt die Debatte um eine mögliche »rot-rot-grüne« Regierung nach der Bundestagswahl im September neue Fahrt auf. Von unterschiedlicher Seite, auch aus der Partei Die Linke, lautet das Argument dafür: Eine Mitte-links-Regierung könne eine Art Bollwerk gegen rechts bilden. Der Sozialphilosoph Oskar Negt hat zur Eröffnung des »Trialogs«, eines regelmäßigen Diskussionstreffens von Parlamentariern aus SPD, Grünen und Die Linke zur Beratung über ein mögliches »rot-rot-grünes« Projekt, in der Dezemberausgabe der Zeitschrift Blätter für deutsche und internationale Politik Thesen formuliert, über die es sich lohnt, nachzudenken und zu streiten. Zu Recht stellt er dort klar, dass die »neoliberale Plünderung der sozialstaatlichen Errungenschaften« den Nährboden für die Rechten geschaffen hat. Dagegen setzt Negt sein Plädoyer für eine »Vereinigte Linke«, als deren Gemeinsamkeiten er u. a. Herrschaftskritik und den Kampf um Verteilungsgerechtigkeit anführt.
Der Versuch, eine »gemeinsame Sprache [der Linken] zu suchen, die verlorengegangen ist« sowie »Traditionslinien, die ein Gemeinsames ausdrücken«, ist wichtig. Er gleicht, wenn er ernst genommen wird, einer Mammutaufgabe, die nicht in wenigen Monaten und nicht am Verhandlungstisch zu bewältigen ist. In der gegenwärtigen Debatte wird manchmal vergessen, dass sich die neue Marktsozialdemokratie von den Traditionslinien der sozialistischen wie der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung entfernt hat. Die Grünen lösten die Kritik kapitalistischer Herrschaft aus dem emanzipatorischen Erbe der Neuen Linken heraus und beteiligten sich an der neoliberalen Wendung von Forderungen der Umweltbewegung.
Negt sieht einen möglichen Gebrauchswert eines »rot-rot-grünen« Bündnisses darin, demokratische Lernprozesse und ein anderes gesellschaftliches Klima zu fördern und so gegen den Geist neoliberaler Alternativlosigkeit und den reaktionären Kulturkampf von rechts vorzugehen. Dies wäre ohne Zweifel dringend. Aber SPD und Grüne tragen in der aktuellen gesellschaftlichen Debatte um den Kampf gegen Terrorismus wenig dazu bei. So ist derzeit aus den Reihen beider Parteien über die mit Waffenexporten geführten Kriege, gewachsene Armut in vielen Weltregionen, die Zusammenarbeit westlicher Konzerne mit autoritären Regimen so wenig zu hören wie über eine wirksame Präventionspolitik gegen die Ursachen rechten wie islamistischen Terrors. Beide Parteien stimmen eher in den Ruf nach Verschärfungen des Asylrechts und Ausbau der Überwachung ein.
Leider gibt es in der BRD seit Jahrzehnten, nicht erst seit der rot-grünen Regierungskoalition mit dem Krieg gegen Jugoslawien und den Agenda-2010-Reformen, kein linkes Lager der Parteien mehr. In der großen Koalition hat die SPD CETA, die Erpressung Griechenlands und die verheerende Austeritätspolitik in Europa sowie die weitere Zerstörung des Asylrechts mitgetragen. Die Grünen verstehen sich immer mehr als Regierungsreserve der CDU. Wenn sich der Kurs des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann durchsetzt und die Grünen endgültig auf eine Politik zugunsten der Konzerne und Besserverdiener setzen, rückt eine »rot-rot-grüne« Regierung in weite Ferne.
Grundlegender Politikwechsel
Damit eine progressive gesellschaftliche Dynamik entstehen kann, braucht es eine glaubwürdige Perspektive für Veränderung. Grünen-Parteichef Cem Özdemir sagt, dass die Zeit, in der Regierungskoalitionen politische Reformprojekte gesellschaftlicher Lager repräsentieren, vorbei sei. Genau das aber fordern linke Befürworter von »Rot-Rot-Grün« zu Recht ein: ein Reformprojekt für einen grundlegenden Politikwechsel. Denn bisherige Mitte-links-Regierungen in Europa konnten kaum relevante Verbesserungen der Arbeits- und Lebensbedingungen der unteren Klassen erreichen – sie haben den Neoliberalismus gestützt oder sogar vorangetrieben. Gerade in der gegenwärtigen autoritären Krisendynamik wäre aber ein Scheitern der Linken verheerend. Dann könnte sich die AfD als einzige vermeintliche Alternative nicht nur für die Mittelschichten, sondern auch für die in prekären Verhältnissen Lebenden aufdrängen.
Eine mögliche »rot-rot-grüne Regierung« könnte nur dann als ein »Bollwerk gegen rechts« fungieren, wenn sie die Dynamik der »Abstiegsgesellschaft« (so der Titel eines 2016 erschienenen Buchs des Politikwissenschaftlers Oliver Nachtwey) stoppt, denn bis in die Mittelklassen hinein sind Millionen Menschen prekären Lebensverhältnissen, Erwerbslosigkeit, Niedriglöhnen, steigenden Mieten und der Gefahr des sozialen Abstiegs durch Altersarmut ausgesetzt. Mit der SPD könnte es zwar nach derzeitiger Lage der Dinge für Die Linke ein paar Überschneidungen geben: Die Zurückdrängung von Befristungen, die Erhöhung des Mindestlohns, höhere Beiträge der Unternehmer zur Gesundheitsversicherung, das Recht auf vorübergehende Teilzeit (mit einem Rückkehrrecht zur vorherigen Arbeitszeit).
Aber die von SPD und Grünen bisher ins Spiel gebrachten Kurskorrekturen reichen nicht aus, um dem Rechtspopulismus seinen sozialen Nährboden zu entziehen. Dazu braucht es einen grundlegenden sozial- und wirtschaftspolitischen Richtungswechsel. Es müssen die Bedingungen dafür geschaffen werden, dass die Löhne und Renten deutlich steigen. Die Konzernprofite müssen zur Finanzierung öffentlicher Investitionen abgeschöpft werden. Angesichts von wirtschaftlicher Stagnation und steigender Produktivität (Stichwort Digitalisierung) wird perspektivisch eine Überwindung der Massenerwerbslosigkeit nur durch eine gerechte Verteilung der Arbeit, die Schritte zur Arbeitszeitverkürzung einschließt, möglich.
Derzeit ist weder mit der Sozialdemokratie noch ohne sie ein grundlegender Politikwechsel möglich. Aber die tiefe, europaweite Krise der Sozialdemokratie zwingt auch die SPD – früher oder später – zu einer Richtungsentscheidung: Geht sie den Weg von Jeremy Corbyn oder den von François Hollande und Matteo Renzi? Ein »Weiter so« im Rahmen des neoliberalen Kapitalismus könnte ihren eigenen Untergang besiegeln. Die Partei Die Linke wird nicht darauf warten. Wir werden weiter Druck machen, um SPD und Grüne für einen Bruch mit der neoliberalen Politik und zugunsten gemeinsamer Anstrengungen für soziale Gerechtigkeit, die Verteidigung von Grundrechten und Demokratie, Frieden und die Beendigung von Kriegseinsätzen zu gewinnen.
Bündnis mit der Zivilgesellschaft
Es gibt Gemeinsamkeiten zwischen vielen Anhängern von SPD, Grünen und die Die Linke für eine höhere Besteuerung der Reichen, für armutsfeste Renten, für gute anstelle von prekärer Arbeit. Das gilt es zu nutzen, um für diese Ziele und gegen Rassismus, Nationalismus und reaktionären Kulturkampf im Vorfeld der Bundestagswahl das Bündnis mit allen progressiven Kräften in der Gesellschaft und in den anderen Parteien zu suchen. Größere Verschiebungen in der Ausrichtung von Parteien sind nur möglich, wenn sich im Feld der Zivilgesellschaft etwas bewegt. Neue Streikbewegungen, etwa in den Krankenhäusern, Proteste gegen steigende Mieten und Verdrängung, Großdemonstrationen gegen TTIP und die Hunderttausenden, die sich für Solidarität im Alltag in Erwerbsloseninitiativen oder in der Unterstützung von Geflüchteten engagieren, können der Ausgangspunkt für einen gesellschaftlichen Aufbruch sein.
Bis dahin ist noch ein ordentliches Stück Weg zurückzulegen. Ein solches »Lager der Solidarität« müsste nicht nur die Basis der Gewerkschaften und die vielen in antifaschistischen und antirassistischen Initiativen, Sozial- und Umweltverbänden Engagierten umfassen, sondern auch versuchen, unorganisierte Erwerbslose und prekär Beschäftigte zu mobilisieren. Die große Herausforderung liegt darin, den »passiven Konsens« (Gramsci), also die Hinnahme der herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse und die Resignation zu überwinden. Das ist nicht leicht. Die Partei Die Linke setzt darauf, die unterschiedlichen Gruppen der Lohnabhängigen zu unterstützen und Angebote zur gemeinsamen Organisierung zu machen, u. a. mit einer Kampagne gegen steigende Mieten und für mehr Personal in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen.
Kampf um die Hegemonie
Die Diskussion, ob und unter welchen Bedingungen Die Linke regieren sollte, wird in der Partei seit Jahren kontrovers geführt. Eine abstrakte Debatte nach dem Motto »Regieren ja oder nein« ist da wenig sinnvoll. Die fundamentale Ablehnung von Regierungsbeteiligungen kann in die Sackgasse eines Radikalismus der Worte und Programme führen. Ziel linker Regierungsbeteiligungen muss es sein, Reformen durchzusetzen, die die Bedingungen für politische Organisierung und die Bildung der Menschen verbessern, die Machtpositionen der Kapitaleigentümer in der Gesellschaft und in den Staatsapparaten hingegen schwächen. Beispiele für solche Reformen wären die grundlegende Umverteilung des Reichtums und eine Arbeitszeitverkürzung, die Stärkung öffentlichen und genossenschaftlichen Eigentums, Schritte zur Demokratisierung der Wirtschaft, des Bildungssystems und der Medien. Historisch konnten Ziele der Arbeiterbewegung wie der Achtstundentag immer wieder durch außerparlamentarischen Kampf errungen werden. Unter den Bedingungen des neoliberalen Kapitalismus ist das bisher kaum gelungen.
Selbstorganisierung unterstützen
Michael Brie von der Rosa-Luxemburg-Stiftung hat vorgeschlagen, offensiv für eine linke Regierung einzutreten, die ein Reformprogramm verfolgt, das mit dem Neoliberalismus bricht und Einstiege in eine sozialistische Transformation ermöglicht. Das ist mittelfristig eine sinnvolle Perspektive. Gerade angesichts der multiplen Krise des neoliberalen Kapitalismus, der tiefen Krise der Sozialdemokratie und des Aufstiegs reaktionärer Kräfte sollte Die Linke sich nicht als kleine Partei verstehen, die untergeordneter Teil eines »rot-rot-grünen« Lagers ist, sondern die Hegemoniefrage mit einer sozialistischen Perspektive stellen.
Aber die dafür notwendigen Veränderungen gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse entstehen nicht im Parlament, sondern aus den Produktions- und Eigentumsverhältnissen und den gesellschaftlichen Kämpfen in der »Zivilgesellschaft« (im Sinne Antonio Gramscis als Ort der Kämpfe um die Hegemonie). Die wirtschaftliche, zivilgesellschaftliche und staatliche Organisierung der Interessen des transnationalen Finanz- und Industriekapitals zu durchbrechen, das erfordert mehr als eine linke Regierung. Kurt Tucholskys Mahnung mit Blick auf die Sozialdemokraten bleibt auch für Die Linke aktuell: »Sie dachten, sie wären an der Macht, dabei waren sie nur an der Regierung«.
Eine sozialistische Partei muss sich durch ihre Funktionsweise von bürgerlichen und sozialdemokratischen Parteien unterscheiden. Letztere werden stark durch die Spitze der Parlamentsfraktion dominiert. Der »Gebrauchswert« einer sozialistischen »verbindenden Partei« besteht nicht in erster Linie darin, ein Wahlverein mit charismatischen Führungspersönlichkeiten zu sein, sondern darin, die Selbstorganisierung der Menschen in den Kämpfen um bessere Arbeits- und Lebensverhältnisse zu unterstützen, das Sichtbarmachen von gemeinsamen Interessen der verschiedenen Teile der Lohnabhängigen zu fördern und deren Vertretung im Parlament mit dem Aufbau gesellschaftlicher Macht zu verbinden.
Es macht einen großen Unterschied, ob es um Regierungsbeteiligungen auf Bundes- oder Landesebene geht. Mit letzteren hat Die Linke nicht nur positive Erfahrungen gemacht, die politischen Gestaltungsmöglichkeiten sind angesichts überschuldeter Kommunen und der Schuldenbremse oft sehr begrenzt. Ein grundlegender Politikwechsel ist unter diesen Bedingungen in Koalitionsregierungen kaum zu verwirklichen. Es existieren aber politische Konstellationen, in denen es eine klare Wechselstimmung gibt und die Mitglieder und Wähler von Die Linke eine Regierungsbeteiligung deutlich befürworten. Dann ist es umso wichtiger, sich auf klar umrissene Reformprojekte zu konzentrieren, die geeignet sind, konkret spürbare Verbesserungen der Lebensverhältnisse durchzusetzen und soziale Bewegungen zu stärken – wie etwa in der Mietenpolitik. Deshalb ist es so wichtig, dass die Partei in Berlin mit Andrej Holm einen profilierten Kritiker neoliberaler Stadtpolitik zum Staatssekretär macht – und dass sie trotz einer Hetzkampagne unter anderem aus der Immobilienwirtschaft, die weiter mit am Senatsstisch sitzt, standhaft bleibt und gemeinsam mit stadtpolitischen Initiativen auf bezahlbare Mieten drängt. Unter widrigen Bedingungen ist es entscheidend, dass die Partei ihre politische Eigenständigkeit gegenüber der Regierung erhält und Druck macht, um Reformprojekte auch gegen Kapitalinteressen durchzusetzen.
Ohne eine radikale Demokratisierung des Staates (auch auf europäischer Ebene und inklusive der Zentralbanken, der Bildungseinrichtungen, öffentlichen Medien bis hin zu Polizei und Militär) sowie der Wirtschaft lässt sich linke Politik nicht dauerhaft verwirklichen. Eine linke Reformregierung auf Bundesebene hätte mit massivem Widerstand des neoliberalen Blocks zu kämpfen, von den Besitzern der meisten Medien bis hin zum Personal der Staatsapparate. Damit sie eine Chance haben kann, braucht es mobilisierungsfähige außerparlamentarischen Bewegungen und die Gewerkschaften. Und ohne Konsens der beteiligten Parteien in zentralen Fragen eines grundlegenden Politikwechsels wird es auch nicht gehen.
Positive Ziele
Dabei ist klar: Unter Mitwirkung von Die Linke darf es niemals ein Ja zu Kriegseinsätzen, zu Privatisierungen oder zu Sozialkürzungen geben. Daran darf sich nichts ändern. Aber das alleine reicht nicht aus, um die Menschen für linke Alternativen zu gewinnen. Wir sollten die positiven Ziele in den Vordergrund stellen, die wir in einer Regierung mit linker Beteiligung verwirklichen wollen:
– die Erhöhung des Mindestlohns und eine armutsfeste, den Lebensstandard sichernde Rente durch ein höheres Rentenniveau und die Einführung einer Mindestrente von 1.050 Euro
– Abschaffung von Beschäftigungsbefristungen und Leiharbeit, Überführung von Minijobs in sozial abgesicherte existenzsichernde Teilzeit und Maßnahmen gegen Tarifflucht durch Werkverträge und Outsourcing
– die Wiederherstellung einer Existenz und Würde sichernden Arbeitslosenversicherung und die Einführung einer Mindestsicherung ohne Sanktionen statt Hartz IV
– einen Mietenstopp und ein Wohnungsbauprogramm für bezahlbarer Quartiere in kommunaler und genossenschaftlicher Hand
– gute Gesundheitsversorgung und Pflege für alle Menschen: An die Stelle des herrschenden Zweiklassensystems muss ein solidarisches und am Bedarf der Menschen orientiertes Versicherungssystem treten.
– die radikale Umverteilung des Reichtums durch eine höhere Besteuerung von Superreichen, großen Erbschaften, Spitzeneinkommen und Unternehmensprofiten ist die Grundlage dafür, dass die drängenden gesellschaftlichen Probleme sozial gerecht und ökologisch zukunftsfähig angegangen werden können.
– die Bekämpfung von Fluchtursachen statt von Flüchtlingen – durch ein Verbot von Waffenexporten und eine konsequente Friedenspolitik. Statt Freihandelsabkommen wie TTIP braucht es Schritte zu einer gerechten Weltwirtschaftsordnung. Der Türkei-Deal und die Verschärfungen des Asylrechts müssen zurückgenommen werden.
Innerhalb der EU sind die Handlungsspielräume für linksreformerische Regierungen durch die Krise und die in den Institutionen der EU und im Lissabon-Vertrag verankerte neoliberale Politik geringer geworden. Gerade die hochverschuldeten Länder Südeuropas befinden sich im Würgegriff der Finanzmärkte und der Institutionen der EU. Eine linke Regierung im wirtschaftlich und politisch dominanten Deutschland hätte nicht nur größere Verteilungsspielräume, sondern könnte auch durch eine andere Sozial- und Wirtschaftspolitik die ökonomischen und politischen Verhältnisse in Europa deutlich verändern. Dazu müsste sie bereit sein, die Dominanz der Exportwirtschaft zu durchbrechen, die Initiative für ein europaweites öffentliches Investitionsprogramm zu ergreifen und Spielräume für eine soziale Politik im Zweifel auch durch gezielte Verstöße gegen den Fiskalpakt zu schaffen.
Konkrete Utopie
Ohne ein aussagekräftiges Projekt, in dem sich die unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse verbinden, kann keine mobilisierende Dynamik zustande kommen. In dieser Situation kommt der Partei Die Linke die Verantwortung zu, ihr Profil als eigenständige Kraft gegen Neoliberalismus wie Rechtspopulismus zu schärfen. Oskar Negt spitzt in seinem Beitrag zur »rot-rot-grünen« Beratung zu: »Nur noch Utopien sind realistisch«. Um die autoritäre Entwicklung in der Krise hin zur Zerstörung der Demokratie zu stoppen, müsse die gesellschaftliche Linke den Rechten und der »drückenden Realität des Kapitalismus« eine am »Erfahrungshorizont des Alltagslebens der Menschen« ansetzende Utopie entgegenstellen. Es sei »höchste Zeit«, den gegenwärtigen »herrschenden Eliten« die »Macht zu nehmen, über die Resultate der kollektiven Arbeit der Menschen privat zu verfügen«. Auch darin ist Negt zuzustimmen. Die Linke geht mit einer deutlichen Kapitalismuskritik und Vorschlägen für ein Transformationsprojekt zur Überwindung des Finanzmarktkapitalismus in den Bundestagswahlkampf. Für eine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnt – ohne Armut und Ausbeutung, ohne Kriege und den sozial und ökologisch verheerenden kapitalistischen Wachstumszwang. Für eine demokratisch-sozialistische Gesellschaft, in der die Menschen ohne Angst verschieden sein können.
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