Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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21.09.2021, 14:13:22 / Rosa-Luxemburg-Konferenz 2017

Proletarisches Trauerspiel

Über den traurigen Niedergang der italienischen Arbeiterbewegung. Vor 25 Jahren wurde der Partito della Rifondazione Comunista gegründet. Ein Nachruf
Von Stefano G. Azzarà
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Heute geschlossen. Der Partito della Rifondazione Comunista hat sich nach 25 Jahren weitgehend aufgelöst und existiert beinahe ausschließlich in den sogenannten sozialen Medien. Das hatte neben objektiven Gründen auch mit dem Festhalten an alten Glaubenssätzen einerseits und dem Einfluss postmoderner Ideologie andererseits zu tun. (Parteibüro in Venedig)

Die Frage mitregieren oder nicht beschäftigt momentan die Mitglieder der Linkspartei. Das Thema »Rot-Rot-Grün« ist derzeit in aller Munde. Was daran gut sein soll oder vielmehr schlecht sein wird, ist Gegenstand der Podiumsdiskussion der kommenden Rosa-Luxemburg-Konferenz im Januar. Dass Mitregieren in der Regel den eigenen Untergang beschleunigt, vermag auch das Beispiel der italienischen Partei der kommunistischen Neugründung zu zeigen. (jW)

Als 1991 der Kalte Krieg endete, wurde auf dem 20. Parteitag auch das Kapitel der siebzig Jahre des Partito Comunista Italiano (PCI) beschlossen. Im selben Jahr jedoch entstand auf Initiative einiger maßgeblicher Exponenten – vor allem dank der rechtzeitigen, im verborgenen stattfindenden Arbeit des Anführers der »prosowjetischen« Strömung innerhalb des PCI, Armando Cossutta – die Bewegung und später dann die Partei der Kommunistischen Neugründung (Partito della Rifondazione Comunista, PRC). Diesem ersten Gründerkern, dessen Mitglieder sich bei aller unterschiedlichen Orien­tierung doch zumindest auf die Mutterpartei beriefen, schloss sich bald ein kleiner Trupp von Anhängern der eher linksradikalen Democrazia Proletaria an.

Es ist hier nicht der Ort, die Geschichte dieser Partei detailliert zu rekonstruieren. Erinnert sei aber an die ersten, halb geheimen Zusammenkünfte und an den aufgeregten Wahlkampf zu den Regionalwahlen in Sizilien, bei dem zum ersten Mal das Parteisymbol auftauchte und bei denen der PRC überraschende sechs Prozent holte. Erinnert sei aber vor allem daran, dass der PRC es schaffte, die Zustimmung desjenigen Teils der Wählerschaft des Ex-PCI zu erhalten, der sich nicht mit der Namensänderung dieser Partei und noch viel weniger mit deren politischer Neuausrichtung abfinden wollte. Der PRC erreichte vor allem im industriellen Norditalien gute Ergebnisse (die in Städten wie Mailand und Turin oberhalb der zehn Prozent lagen). Damit lässt sich zeigen, dass eine Linke, die sich nicht dem Zeitgeist angepasst hatte, bei Lohnarbeitern und Teilen der Mittelschicht noch eine Chance hatte.

25 Jahre später und nachdem er sich direkt oder indirekt an den beiden seitherigen Mitte-links-Regierungen beteiligt und unzählige Koalitionen auf lokaler Ebene unterstützt hat, ist der PRC heute im Grunde genommen verschwunden. Mitverantwortlich für unpopuläre Entscheidungen, die mit der Notwendigkeit begründet wurden, einen inexistenten »Berlusconi-Faschismus« zu stoppen, aber zugleich den Klassenunterschied vergrößerten, verlor er Mitglieder und Sympathisanten und war nicht mehr in der Lage, sich zu den Wahlen autonom, mit eigenem Namen und eigenem Symbol aufzustellen. Spätestens seit 2008, als die Partei mangels Zustimmung aus dem Parlament flog, konnte sie nicht mehr konstruktiv agieren und war von den politischen und kulturellen Debatten des Landes fortan ausgeschlossen. Verkümmert zu einer Konföderation lokaler Splittergruppen, die (von jenen abgesehen, die sich mit der grenzenlosen Ausdauer ihres Voluntarismus dagegen stemmen) beinahe nur noch in den »sozialen Medien« überlebt und zum bloßen Logo geworden ist, scheint sie ganz und gar unfähig, sich zu regenerieren und hat sich zur Geisel eines Sekretärs gemacht, der aus Mangel an Alternativen auf Lebenszeit bestellt zu sein scheint. Dieser Paolo Ferrero besitzt heute, nachdem er stets ein Zusammengehen mit PDS- DS- PD1 befürwortet hatte und während der zweiten Regierung Prodi zum Minister für Nichts (nämlich »für soziale Solidarität«) ernannt worden war, nicht mehr die notwendige Glaubwürdigkeit, zu den Volksklassen zu sprechen und vermag keinen rechten Daseinsgrund mehr für die eigene politische Organisation anzugeben.

Anhängsel von Mitte-links

Warum nahm die Entwicklung der Partei diesen Verlauf? Wie war es möglich, dass der gesamte Reichtum an Ideen, an Leidenschaft und Engagement, zusammengetragen von Frauen und Männern, die sich in der Tradition der historischen Arbeiterbewegung sahen, in relativ kurzer Zeit so schändlich und gleichgültig vergeudet wurde? Wie, dass dieser Reichtum in mehrere Teile zerbrach, mit denen sich nichts mehr anfangen ließ?

Eine eindeutige Verantwortlichkeit existiert nicht. Die objektive Situation, gekennzeichnet durch eine historische Niederlage der subalternen Klassen, war so hoffnungslos, dass die Herausforderung des Wiederaufbaus einer kommunistischen Partei am Ende des 20. Jahrhunderts auch mit den besten Absichten zu ambitiös gewesen wäre. Ein aussichtsloses Unterfangen also. Doch ebenso richtig ist eine auf das Gegenteil zielende Frage: Wie konnte sich eine politische Kraft, die zu keiner Zeit bedeutsame Neuerungen hervorgebracht hat, 20 Jahre lang auf den Lorbeeren des historischen Kommunismus ausruhen? Die Wahrheit ist, die kommunistische Tradition in Italien war so verwurzelt, dass auch dieses halbe Wunder möglich war. So sehr, dass wir unter gewissen Gesichtspunkten in diesem Land erst heute die Folgen des Falls der Berliner Mauer vollumfänglich erleben.

Es gibt da einen weiteren objektiven Aspekt, der zu berücksichtigen ist: die fortschreitende Machtkonzentration der Exekutive zum Nachteil der Parlamente und der Repräsentation, die sich in ganz Europa beobachten ließ und die schon bald Formen eines bis dahin unbekannten postmodernen Bonapartismus annehmen würde. Dieser Prozess verfestigte sich in Italien nicht in der Ära des Dezisionismus, wie er von Bettino Cra xi, dem Anführer des Partito Socialista Italiana, betrieben wurde, sondern gegen diesen mit der Einführung des Mehrheitswahlrechts 1991. Das heißt, mit der Beseitigung des reinen Verhältniswahlrechts, das seit 1946 das politische Feld in Italien geordnet hatte. Daran trägt der PDS, hervorgegangen aus der Asche des PCI, maßgeblich Verantwortung. Denn er brachte ein Referendum für das Mehrheitswahlrecht auf den Weg, mit dem die Exkommunisten sich der Mittel des Subversivismus der herrschenden Klassen Italiens2 bedienten und die Parteien des Zentrums zum Bündnis zwangen, weil sie darin den kürzesten Weg zur Machterlangung in einem im wesentlichen moderaten Land sahen. Diese Umstände haben dafür gesorgt, dass Rifondazione Comunista zum linken Flügel von Mitte-links werden konnte, noch bevor die Partei ein eigenes Programm ausgearbeitet hatte. Sie geriet damit zu einer politischen Kraft, die aus systemischen Gründen dazu verdammt war, immerzu die »radikale« Flanke im Bündnis mit der gemäßigten Linken abzudecken, mithin ohne substantielle Autonomie blieb und andernfalls untergegangen wäre. Sie begann sich genau in dem Moment aufzulösen, als Walter Veltroni mit der Gründung des PD der Phase der Zusammenarbeit auf nationaler Ebene ein Ende setzte.

Glaube und Ablehnung

Wenngleich unerlässlich, reichen diese Erwägungen doch nicht hin. Sie wären gar tröstlich, wenn man vor den subjektiven Aspekten der Geschichte die Augen verschlösse. Das Profil des Partito della Rifondazione Comunista war von der Gründung an nämlich nur äußerst schwach ausgeprägt, es fehlten Fundament und Perspektiven. Im PRC kamen zunächst die am stärksten ideologisierten Erben des PCI zusammen – einer Partei, deren Geschichte auch deshalb ruhmreich genannt werden muss, weil sie die moderne Demokratie in Italien mit dem Blut ihrer Partisanen im Krieg gegen die Faschisten und dank der politischen Weisheit ihres Anführers Palmiro Togliatti bei Kriegsende aufgebaut hatte. Zugleich jedoch eine Partei, die zu verschiedenen Zeiten bloß dem Namen nach eine kommunistische war. Denn sie verband sich in vielerlei Hinsicht mit der Idee, derzufolge sich der soziale Fortschritt einzig und allein auf die Modernisierung des heimischen Kapitalismus zu reduzieren habe, eines Kapitalismus, der vor seiner eigenen zerstörerischen und parasitären Natur zu schützen sei. Ein solch falsch verstandener nationaler Verantwortungssinn, mit dem diese Modernisierung durch die Opfer der unteren Klassen und durch Zurückhaltung bei den Lohnforderungen realisiert wurde, war einem vorherrschend falschen Bewusstsein bei den Kadern von Partei und Gewerkschaft geschuldet und verdichtete sich unter den Funktionären der mittleren Parteiebene allzu leicht zur unausgesprochenen Geschichtsphilosophie. Wie bereits im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war man überzeugt, auf der Seite der Vernunft zu stehen, und davon, dass eine immanente Notwendigkeit früher oder später zu einer gerechteren und gleichen Gesellschaft führen werde, was auch immer die zufälligen Entscheidungen der Parteikirche seien.

Wer von der Tradition des PCI herkommt, hatte, so lässt sich sagen, schon mit der Muttermilch eine Haltung aufgenommen, die auf Schadensbegrenzung aus war. Diese Mentalität strebte stets das angeblich kleinere Übel in der Angst an, dass alle Alternativen schlechter sein könnten, während das »Große und Gute« lediglich vage und unbestimmt in den Predigten der sonntäglichen Versammlungen aufschien – ein Realismus, der zum Surrealismus wurde.

Im Gegensatz zu den ehemaligen PCI-Mitgliedern standen innerhalb des PRC die »libertären« Erben der Neuen Linken aus der Zeit zwischen 1968 und 1977 und damit der Phase jener großen Modernisierung der italienischen Gesellschaft, die nach den Jahren des ökonomischen Booms vonstatten ging. Sie erfolgte im Kampf gegen die rigiden familiären und sozialen Hierarchien des agrarischen und patriarchalischen Italiens sowie durch den Übergang von einer strengen, dem Konsum feindlich gegenüberstehenden Moral zu einer dem Zeitalter der Massenproduktion angemessenen liberalen. Diese Modernisierung trat lange im Gewand einer ultraradikalen Revolution auf, deren Anhänger die »bürgerliche« Natur des prosowjetischen Kommunismus im Namen eines vom Maoismus inspirierten egalitären Ideals angriffen, die allerdings nichts als imaginiert war. Damit aber wurde der moderne Begriff von Freiheit, die auf politischem Terrain bewusst, kollektiv und organisiert anzustreben war, abgelöst durch einen postmodernen, der sich auf die Forderung nach bürgerlichen Rechten und in der beliebigen Wahl von Lifestyle und Konsum beschränkte, mithin Freiheit zur Privatangelegenheit degradierte.

Diese Strömung innerhalb des PRC war ziemlich nah an dem, was Ernst Bloch den »Wärmestrom« des Marxismus nannte, allerdings mit einem ausgeprägten Hang zur Poesie und zur phantastischen Vorstellung von »neuen Subjekten« und einer neuen »Multitude« (Antonio Negri). Hinzu kam die für die auf Bewegungen Fixierten so typische Neigung, allem, was gesellschaftlich raschelt und hustet, hinterherzujagen, ohne je die Sache materialistisch zu analysieren. Diese Strömung verfügte über ein dürftiges Konzept und zeichnete sich durch eine stumpfsinnige Ablehnung des Marxismus aus, der als dogmatische und ökonomistische Ideologie denunziert wurde und von dem es hieß, er wisse mit den neuen gesellschaftlichen Fragestellungen (Feminismus, Jugendfrage, Ökologie) nichts anzufangen. Den Marxismus tauschten sie gegen einen dilettantischen Synkretismus, der sich als veredelter »Pluralismus« und als »Hybridisierung« ausgab. So entstand ein Palimpsest, in dem der konstitutive Auftrag von der Verteidigung der Arbeit schrittweise durch einen radikalen Eigensinn im Namen der absoluten individuellen Begehrlichkeiten und Freiheiten ersetzt und der Charakter einer Linken postmodern und losgelöst bestimmt. Eine solche Linke war dann bereit zum opportunistischen Kompromiss, weil sie die Momente der neoliberalen passiven Revolution als tatsächlich revolutionär umdeutete. Genannt seien zum Beispiel die Demontage des Wohlfahrtsstaates und die gleichzeitige Ausdehnung des tertiären Sektors, die als Absterben des Staates und als Unabhängigkeit der Zivilgesellschaft gepriesen wurden.

Eine emblematische Figur

Nicht dass diese beiden Strömungen des PRC nichts miteinander zu tun haben wollten. Im Gegenteil. Mehrere Male vereinigten sie sich aus Gründen machttaktischer Erwägungen, vollzogen allerdings auch zahllose Kehrtwenden und Spaltungen, trugen Fehden aus oder schlossen Allianzen. Auf diese Weise aber ergab sich nicht mehr, sondern weniger als die Summe ihrer Teile. Man war vereint im programmatischen Mangel einer politischen und kulturellen Autonomie, dessen Verkörperung Fausto Bertinotti abgab. Wie Gorbatschow für Russland war er, von Cossuttas PRC als Sekretär eingesetzt, für das unrühmliche Ende des Kommunismus in Italien die geradezu emblematische Figur.

Angesichts eines wachsenden Unbehagens unter den schwächsten Gesellschaftsschichten zog es Bertinotti vor, an den nächtlichen Festen des bessergestellten Bürgertums auf den Dächern Roms teilzunehmen. In seinem Narzissmus erschien ihm das politisch vorteilhaft. Vor allem aber zögerte Bertinotti nicht, die eigene Partei auf dem Altar einer »radikalen«, postmodernen und definitiv postkommunistischen Linken zu opfern. Diese Wende verstand er als großes Projekt der »Modernisierung«, die, indem sie die Sozialdemokratie verdrängte, das nationale und sogar internationale politische Feld hätte verändern sollen (nicht unwichtig und nicht zufällig war seine Rolle bei der Gründung der Europäischen Linken). Er war es, der der italienischen Linken vor dem Hintergrund einer bonapartistischen politischen Praxis einen zutiefst antidemokratischen Geist einimpfte. Tatsächlich begannen mit Bertinotti in dem PRC Experimente mit einigen typischen Elementen der Postdemokratie, die daraufhin auch von anderen politischen Kräften übernommen wurden: von der Auswahl der Führungskader durch das US-amerikanische System der Primaries bis hin zu einer Parteiführung, die sich nicht mehr durch die Synthese der verschiedenen Strömungen definierte, sondern durch den Willen des Chefs und dessen höfisch gehorsamen Anhängern.

Von der Mitte der 90er Jahre bis 2008 durchzog den PRC ein scharfer interner Kampf. Aus diesem Konflikt, der ohne Pardon geführt wurde, ging der Partito della Rifondazione Comunista – trotz der Mühen einiger Strömungen wie jener, die sich um die Zeitschrift l’Ernesto gruppierte – reichlich ramponiert hervor. Die Partei erwies sich auf diese Weise als ein kleines Laboratorium für jene unheilvolle Rechtswende, die in der Zwischenzeit das ganze Land erfasst hatte und für die dann die Mitte-links-Kräfte nicht weniger verantwortlich waren als jene Silvio Berlusconis.

Nach ihm dann das Nichts: Indem sie sich uneingeschränkt mit ihrem charismatischen Führer identifizierte, begann sich Rifondazione in dem Moment aufzulösen, als Bertinotti seinen Posten als Präsident der Abgeordnetenkammer verließ. Zwar verharrt er weiterhin in der Partei, scheint aber nichts aus den eigenen katastrophalen Erfahrungen gelernt zu haben. Das zeigt seine mehrfach demonstrierte Unfähigkeit, den historischen Bruch, der sich mit der Systemniederlage von 1989/91 ereignete, anzuerkennen. Den negiert er (der reale Sozialismus war nichts anderes als »Totalitarismus«, und dessen Kollaps betrifft uns nicht) oder kompensiert ihn durch Phantasien, die eine bevorstehende Linkswende der europäischen Völker beschwören. Bertinotti hat den Zusammenhang zwischen dem internationalen und dem nationalen Klassenkonflikt nie begriffen, und folglich auch nicht den Zusammenhang zwischen dem Ende der UdSSR und dem Sieg des Neoliberalismus im Westen: Immer hat er daher die Globalisierung als möglichen idealen Anbruch einer »anderen Welt« ausgelegt, ohne zu sehen, dass sie beileibe nicht das universelle Bauwerk der Gattung Mensch war, sondern einzig das Hegemonieprojekt für ein amerikanisches 21. Jahrhundert. Ausgehend von ähnlichen Fehlüberlegungen identifiziert der PRC den Prozess kontinentaler Annäherungen, der zur Herausbildung eines einheitlichen europäischen Raums führen könnte und der an sich progressiv wäre, unkritisch mit den politischen und ökonomischen Institutionen der EU. Es sei in deren Inneren möglich, zusammen mit solchen Kräften wie Syriza und Podemos sowie früher oder später mit einer »reformierten« Sozialdemokratischen Partei Europas einen Reformweg einzuschlagen von dem man glaubt, er führe zu einem »anderen Europa«, das aber in Wahrheit unauffindbar ist.

Langwieriger Neuanfang

Diese Haltung teilt der PRC mit seiner Zwillingspartei, mit dem nostalgischen, in nicht geringeren Schwierigkeiten steckenden PdCI. Die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen, begünstigt die Hegemonie der Rechten enorm. Die strukturelle Krise hat die Mittelschichten getroffen, die, verarmt und verunsichert, der Unternehmens- und Finanzbourgeoisie, aber auch dem kulturellen, akademischen und medienpräsenten Bürgertum das politische Mandat aufgekündigt haben und nun glauben, die Dinge selbst richten zu können. Den Sündenbock erblicken sie in den Migranten und im vagen Begriff von »Establishment«, die Lösung in den Rezepten von Autarkie und Protektionismus. Daher haben in Italien wie in allen anderen Ländern Europas die reaktionärsten Kräfte innerhalb der herrschenden Klassen leichtes Spiel. Sie sind dadurch in der Lage, sich hinter dem »populistischen« Konzept einer Überwindung der politischen Kategorien von links und rechts zu verstecken, sich als das Neue auszugeben und sich die Unzufriedenheit und die Wut des Kleinbürgertums zunutze zu machen. Unter diesen Umständen ist die Unterwerfungsbereitschaft der Kommunisten unter die Weltauffassung einer liberalen Linken, die zugleich eine imperiale und neokoloniale Linke ist – man denke an die Kriminalisierung des Nationalstaats, den Export von »Demokratie und Menschenrechten« vermöge des Krieges, den Primat der negativen Freiheit gegenüber der positiven und gegenüber den Grundrechten … – der sicherste Weg, endgültig hinweggefegt zu werden.

Man wird dagegen zur Kenntnis zu nehmen haben, dass die Zeit der modernen Demokratie, also jenes historischen Regimes, das die politischen Rechte mit den ökonomischen und sozialen Rechten vereinte, für immer vorbei ist. Durch die Niederlage der lohnabhängigen Klasse ist die Einheit der Arbeitswelt, die die Voraussetzung des sozialen Ausgleichs der europäischen Gesellschaften wie der Demokratie war, zertrümmert worden. Damit begann eine neue Phase, in der die Privatisierung des Sozialstaates begleitet wurde von einer vollständigen Neubestimmung der Machtstrukturen und der Regierungs- bzw. Verwaltungskompetenzen auf nationaler und supranationaler Ebene. Noch haben wir nichts von dem gesehen, was sich noch ereignen könnte, und angesichts der dramatischen Kräfteverhältnisse, die eine weitere Offensive der herrschenden Klassen nahelegen, gibt es keine Abkürzungen mittels Wahlen, die eine strukturelle Krise verschleiern könnten.

Vereinen, was getrennt war, die Arbeitswelt auf der Basis eines fortschrittlichen und autonomen Projekts wieder zusammenführen, die Wiederherstellung einer Widerstandsfront der unteren Klassen: Dies wäre heute die Aufgabe der Linken und der Kommunisten, so sehr sie auch zur Zeit in etliche Splitter zerfallen sein mögen. Um das zu erreichen, wird es notwendig sein, unter veränderten Umständen und in neuen Formen denselben Weg einzuschlagen, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts beschritten wurde. Das bedeutet, anders gesagt, ein unterirdisches und verborgenes kulturelles, politisches wie gewerkschaftliches Engagement in den wichtigsten gesellschaftlichen Bereichen in Gang zu setzen, das Jahrzehnte dauern wird. Wohlwissend, dass im Rahmen einer Strategie des Rückzugs die Taktik eine ganz andere sein muss als jene »hegemoniale« während einer Aufstiegsphase. Und weil es nicht an uns ist, die Prozesse zu lenken, wäre jeder Kompromiss, der von der Unnachgiebigkeit abweicht – soll heißen von der Notwendigkeit einer grundlegenden Neubestimmung dessen, was heute »links« ist, indem man sich von der Mentalität des »kleineren Übels« klar abgrenzt – mitnichten gleichzusetzen mit taktischem Geschick oder Verantwortungsethik, sondern schlicht mit Unterwürfigkeit. Damit machte man sich angesichts der neoliberalen Hegemonie zum Komplizen einer bürgerlichen Restauration und wehrlos gegenüber dem Rechtspopulismus.

Aber auch diese Anstrengung wird zu nichts führen, wenn es letztlich nicht gelingt, den Begriff der Moderne neu zu interpretieren. Das heißt, von neuem jenes Versprechen des umfassenden Wohls und des Reichtums für alle zu verkörpern, ohne das die Kommunisten und Linken – im Unterschied zu dem, was in anderen Weltregionen geschieht, in denen der Sozialismus zum Glück noch immer der Name ist, der eine neue Welt verheißt – für immer als historische Relikte erachtet werden.

Anmerkungen

1 Der Partito Democratico della Sinistra (PDS) ging 1991 aus dem Partito Comunista Italiano hervor und verstand sich als moderate Linkspartei. 1998 entstanden die Democratici di Sinistra als Zusammenschluss des PDS mit einigen kleineren Linksgruppen, wie den Christsozialen, der Arbeiterpartei und den Vereinigten Kommunisten. Im Oktober 2007 gründete sich der Partito Democratico als Vereinigung von DS und der Partei La Margherita – einer Nachfolgepartei der ehemaligen christdemokratischen Regierungspartei Democrazia Cristiana.

2 Als »Subersivismus« der herrschenden Klassen bestimmte der italienische Marxist Antonio Gramsci die Neigung dominanter gesellschaftlicher Gruppen, bestimmte Regeln und demokratische Prozeduren zu missachten, um Minderheiten zu unterdrücken und die eigenen Machtpositionen zu verteidigen.

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